Das Ende der Goldenen Morgenröte?

Akropolis. Bild: Wassilis Aswestopoulos

Die Spendenbereitschaft ebbt ab. Ihr Vorsitzender wird von der neuen rechten Konkurrenz mit Hitler verglichen. Es läuft ein Mammutprozess gegen die Partei

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Umzugswagen fahren vor, Parteibüros der Goldenen Morgenröte werden geleert. Das Bild wiederholt sich in vielen Städten Griechenlands. Die Partei zieht nicht etwa um; sie baut ihre Büros im ganzen Land aus Geldmangel ab. Die Goldene Morgenröte ist seit Juli in Griechenland keine Parlamentspartei mehr. Sie scheiterte an der Drei-Prozent-Hürde.

Bei den Europawahlen im Mai konnte sie zwar zwei Mandate erringen, verlor aber eines, weil sich der Parlamentarier Giannis Lagos von der Partei losgesagt hat. Lagos gründete eine eigene Gruppierung. Damit entzog er der Partei einen weiteren Teil der Finanzierung. Denn so lange der Prozess gegen die Partei läuft, wurde die gesetzliche Parteifinanzierung, die ansonsten sämtliche Parteien mit mehr als 1,5 Prozent der Wählerstimmen bei nationalen oder europäischen Wahlen erhalten, ausgesetzt.

Finanznöte der GM

Daher finanzierte sich die Partei zum großen Teil über mehr oder weniger freiwillige Spenden ihrer Abgeordneten und Parlamentsmitglieder. Darüber hinaus flossen Gelder von Auslandsgriechen und einheimischen Großspendern in die Kassen der Partei. Angesichts der Entwicklungen beim Gerichtsverfahren gegen die Partei und aufgrund der schlechten Wahlergebnisse, ebbt die Spendenbereitschaft ab.

Lagos und seine Mitstreiter, darunter eine Reihe weiterer prominenter Politiker der Partei, bauen ihre Vereinigung als Alternativorganisation zur GM auf. Die neue Konkurrenz wirft der früheren Partei genau das vor, was Kernpunkt der Anklage gegen die GM ist, ein Führerprinzip, das laut Staatsanwaltschaft für die Koordination der rechtsextremen, rassistisch motivierten Gewalttaten von GM-Mitgliedern verantwortlich sein soll.

In der vergangenen Woche wurde auch die exklusiv gelegene Parteizentrale an der Mesogeion Avenue in Athen geräumt. Fast auf den Tag genau sechs Jahre, nachdem die Partei mit dem Mord am Rapper KillahP aka Pavlos Fyssas in der Nacht vom 17. auf den 18. September 2013 ins Fadenkreuz der Justiz geriet. Einige Tage zuvor wurden auch die Büros in Piräus geschlossen.

Lagos vs Michaloliakos

Aufgrund der finanziellen Probleme verlor die GM ihre bisherige Internetpräsenz. Der Generalsekretär und Vorsitzende der Partei, Nikolaos Michaloliakos, kommuniziert daher über eine neue Internetseite mit seinen Anhängern. Sein bisheriger Adlatus und jetziger politischer Gegner Lagos hat ebenfalls neue, eigene Kommunikationskanäle geschaffen. Die neue Gruppe heißt "Nationales völkisches Gewissen". In einem Artikel der Gruppe wird Michaloliakos als "Führer des griechischen Nationalismus" bezeichnet.

Was auf den ersten Blick wie eine Anerkennung der Vorherrschaft Michaloliakos aussieht, wird mit einem weiteren Satz zur Anklage. "Der Grund, warum in Griechenland die nationalistischen Parteien nie lange Bestand hatten, liegt darin begründet, dass alle nationalistischen Parteien, Kleinparteien oder Gruppierungen, welche von Zeit zu Zeit eine Blüte erlebten, an der Kinderkrankheit des Personenkults litten. Es waren allesamt Systeme, deren Funktion sie aufsteigen ließ, sie in Bezug setzte, sich drehte, für ihren Führer, um ihren Führer, durch ihren Führer, zur Freude ihres Führers und zum Ruhm ihres Führers", heißt es im GM-kritischen Artikel der rechtsextremen Gruppe von Lagos.

Dieser bestätigt, offenbar ungewollt, die Anklage gegen die GM. Der Artikel geht sogar einen Schritt weiter und bezeichnet Michaloliakos als Kopie Hitlers. "Michaloliakos selbst gibt das beste Beispiel für einen Gründer einer personenbezogenen Partei ab. Er hat von Hitler die metaphysische Erhebung des Führers übernommen."

Die Gruppe um Lagos kritisiert zudem, dass "die Goldene Morgenröte ebenso wie die Partei der Nazis keinen Mechanismus, keine Vorsehung und kein Parteiorgan für die Regelung eines Wechsels der Parteiführung hat, falls der Führer aus welchem Grund auch immer, nicht mehr fähig ist, die Partei zu leiten".

Es ist bemerkenswert, dass die Gruppe um Lagos an der ursprünglichen Ideologie der Goldenen Morgenröte, einem rassistisch begründeten Nationalsozialismus festhält, aber gleichzeitig Michaloliakos und Hitler verteufelt. Hitler wird vorgeworfen, er habe im Bunker der Reichskanzlei weiter Phrasen über seinen Triumph verbreitet, als die Rote Armee bereits vor den Mauern Berlins stand. Michaloliakos und Hitler sei gemeinsam, meint die Gruppe um Lagos, dass beide Zweifler am Erfolg ihrer Person als Verräter und Büttel des Establishments bezeichnen würden.

Michaloliakos kontert, indem er sich selbst als "arglosen Patrioten", Gründer und Führer der GM und Freidenker bezeichnet, Lagos und Konsorten jedoch "vulgäre und respektlose Menschen ohne ethische Grundsätze, Menschen, die kleingeistig denken und die Manieren von Hinterdörflern haben", nennt.

Beide, sowohl Lagos als auch Michaloliakos, werden in Kürze beim Prozess gegen die GM aussagen. Das indirekte Rededuell der einstigen Mitstreiter dürfte sehr interessant werden.

Die Justiz wird strenger

Lange wähnte sich die Partei, die von 2012 bis zu den Wahlen 2019 hinsichtlich des Wählerzuspruchs drittstärkste Partei in Griechenland war, in Sicherheit. Das Argument, "wir sind eine parlamentarische Partei und keine kriminelle Organisation", schien lange die Justiz zu überzeugen. Schließlich wurde noch im April 2018 der EU-Parlamentarier der Kommunistischen Partei Griechenlands, Sotiris Zarianopoulos, in erster Instanz wegen Beleidigung verurteilt, weil er die GM als verbrecherische Naziorganisation betitelt hatte.

Die Angeklagten des Mammutprozesses gegen die Partei, welche unter anderen als "kriminelle Organisation" vor dem Kadi steht (Rechtsradikalismus in Griechenland), wurden nach Ablauf der maximal zulässigen Untersuchungshaftdauer von achtzehn Monaten entweder auf freien Fuß gesetzt oder wie der geständige Mörder von Pavlos Fyssas, Giorgos Roupakias, unter Hausarrest gestellt. Sie blieben den meisten Verhandlungstagen fern. Die früheren Parlamentarier der GM ließen sich vor Gericht ausschließlich nur von ihren Anwälten vertreten und verweigerten lange das Erscheinen.

Mitte Juni, als es beim Prozess um den Teilbereich der Anklageschrift bezüglich des Mordes an Pavlos Fyssas ging, mussten eigentlich achtzehn Angeklagte erscheinen, da sie an der Reihe waren, auszusagen. Die vorsitzende Richterin, Maria Lepenioti, sah jedoch nur sieben von ihnen im Saal.

Lepenioti kommentierte, "es ist die Pflicht der Angeklagten, hier zu sein. Das Gericht hat durchaus Möglichkeiten, sie vorführen zu lassen". Damit widersprach sie den Anwälten der Verteidigung, welche das Fehlen der Angeklagten auf berufliche Gründe schoben.