Probleme mit US-Raketenabwehrsystemen auch in Japan

Kim Jong-un freut sich einmal wieder über den gelungenen Test mit den neuen KN-23-Raketen am 10. September. Bild: KCNA

In Saudi-Arabien und in Japan hebelten offenbar tiefer fliegende und manövrierbare Raketen oder Drohnen die Radarsysteme von Patriot- und Aegis-Systemen aus

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Das Erstaunliche am Angriff mit Drohnen und Marschflugkörpern auf die saudischen Aramco-Ölanlagen in Abqaiq und Khurais war, dass die vor allem mit amerikanischen Systemen hochgerüstete Luft- und Raketenabwehr den Angriff nicht einmal entdeckte, geschweige denn einen Versuch machte, diese abzuschießen. Saudi-Arabien hat mindestens 5 Patriot-Raketenabwehrstaffeln. Selbst wenn diese nicht auf den Iran ausgerichtet waren, woher der Angriff nach saudischen und amerikanischen Angeben erfolgt sein soll, hätten die damit verbundenen Radarsysteme zumindest die Marschflugkörper entdecken müssen. Ähnlich scheint es in Japan mit nordkoreanischen Raketentests gelaufen sein, die das japanische Militär, das sich auf US-Systeme stützt, nicht entdeckte hatte, wie sich jetzt herausstellt.

US-Außenminister Mike Pompeo erklärte zum Totalausfall der Abwehrsysteme, das käme auch bei den besten Systemen einmal vor. Man darf davon ausgehen, dass hinter den Kulissen der Ärger auf der saudischen Seite groß war, schließlich ist Saudi-Arabien ein enger Verbündeter der Trump-Regierung und der beste Waffenkäufer, zudem ist das Land weltweit der größte Waffenimporteur. 2017 hatte sich Trump mit einem Waffendeal mit Saudi-Arabien über 110 Milliarden US-Dollar gebrüstet und versprochen, dass damit viele Jobs geschaffen würden. Dazu gehörte auch das Raketenabwehrsystem THAAD. Bis Oktober 2018 hatte Saudi-Arabien allerdings "nur" für 14,5 Milliarden amerikanische Waffensysteme gekauft.

Schon im Oktober 2017 hatte Saudi-Arabien angekündigt, auch russische S-400 Raketenabwehrsysteme zu kaufen. Ob Zweifel an der Effizienz der amerikanischen Systeme bestanden haben oder ob man sicherheitshalber zur Verstärkung die russischen Systeme auch zur Verbesserung der Beziehungen mit Russland kaufen wollte, blieb unklar. Anders als die Türkei hat Saudi-Arabien doch noch keinen Kauf getätigt. Schon damals pries Russland sein Raketenabwehrsystem als besser und auch billiger an. Jetzt hat Wladimir Putin den Saudis erneut angeboten, S-400 Systeme zur Erhöhung der Sicherheit zu kaufen.

Schon länger bestehen Zweifel an den Patriot-Systemen

Im November 2017 hatte ein Patriot-System vermutlich eine Scud-Rakete, die vom Jemen auf den 1000 km entfernten King-Khalid-Flughafen in Riad abgefeuert wurde, nicht abschießen können. Behauptet wurde aber, dass die Rakete kurz vor dem Flughafen abgeschossen worden sei, auch wie jetzt, dass der Angriff aus dem Iran gekommen sei. US-Präsident Donald Trump machte Iran verantwortlich und prahlte mit der Leistungskraft der amerikanischen Waffensysteme: "Iran hat meiner Meinung nach einen Schuss auf Saudi-Arabien abgegeben. Und unser System hat ihn ausgeschaltet. Das zeigt, wie gut wir sind. Keiner stellt her, was wir herstellen, und jetzt verkaufen wir es überall auf der ganzen Welt."

Raketenexperten unter der Leitung von Jeffrey Shaw vom Middlebury Institute of International Studies in Monterey haben damals den Vorfall untersucht und kamen zu dem Schluss, dass die abgefeuerte Patriot-Rakete zumindest den Sprengkopf der Scud-Rakete nicht getroffen hat (US-Raketenabwehrsystem konnte vermutlich Huthi-Raketen nicht abschießen). Die Raketenexperten verwiesen auch darauf, dass schon Im Golfkrieg die Leistungskraft des Patriotsystems weit übertrieben worden war, mit dem kaum eine der irakischen Scud-Raketen abgeschossen werden konnte.

Anfang Juli hatte die Huthi-Armee die angeblich eigenständig entwickelten neuen Drohnen und Raketen präsentiert.

Überdies schließen die Raketenexperten nicht aus, dass in Jemen eigenständig Drohnen und Raketen weiterentwickelt worden sein, was die Huthi-Militärs behaupten. Sie haben zumindest wie die Quds 1 eine Rakete, die kein iranisches Äquivalent besitzt und nicht nur eine leicht veränderte Soumar ist. Es könnte natürlich sein, dass der Iran den Huthi-Militärs bei der Entwicklung anderer Raketentypen hilft, damit sie nicht direkt auf iranische Mithilfe verweisen. Vermutlich haben Quds 1-Raketen aber nicht die notwendige Reichweite, um vom Jemen aus die saudischen Ölanlagen zu erreichen. Allerdings haben sich auch die Fähigkeiten der Huthi-Armee verbessert, um Drohnen abzuschießen. So wurde im Juni eine MQ-9 Reaper-Drohne über Jemen abgeschossen. In der Folge sollen es noch mehr gewesen sein, zuletzt im August.

Die Argumentation, dass wegen der Einschussspuren die Marschflugkörper bzw. Drohnen aus dem Iran oder dem Irak gekommen sein müssten, ist so nicht haltbar. Beide können ihre Flugrichtung verändern und müssen daher nicht aus der Richtung, ín der sie das Ziel getroffen haben, abgefeuert worden sein.

US-Verteidigungsminister Esper hat nach der Pleite schnell angekündigt, vor allem zur Verbesserung der Luft- und Raketenabwehrsysteme Truppen und Gerät nach Saudi-Arabien zu schicken - es soll sich aber nicht um tausende Soldaten handeln, zudem betonte er, dass es sich um eine rein passive Maßnahme handele.

Mehrere nordkoreanische Raketen konnten nicht verfolgt werden

Die Nachrichten aus Japan, das wegen Nordkorea viel Geld in den Kauf von amerikanischen seegestützten Aegis- und landgestützten Patriot-Raketenabwehrsystemen investiert hat, dürften für die US-Regierung und die US-Rüstungskonzerne das Problem vertiefen, dass die Systeme ausgetrickst werden und die USA das Versprechen, die Alliierten, die sich unter das amerikanische Raketenabwehrsystem stellten oder sich in dieses einkauften, nicht einhalten können. Nächstes Jahr erhält Japan zwei weitere mit Aegis ausgerüstete Zerstörer. Das japanische Raketenabwehrsystem ist abhängig von Daten von amerikanischen Frühwarnsatelliten, die das Abfeuern von Raketen registrieren (sollen). Aegis und Patriot sind allerdings auf ballistische Raketen ausgerichtet und nicht auf Drohnen und Marschflugkörper, die tiefer fliegen und ihren Kurs ändern können.

Japan Today hat einen Bericht der Nachrichtenagentur Kyodo veröffentlicht, nach der mit dem Thema vertraute Informanten, die namentlich nicht genannt werden wollen, erklärten, dass Japan mit Aegis-Systemen und einem Radar auf dem Land den Flug einiger der in diesem Jahr von Nordkorea ab Mai abgefeuerte Raketen nicht verfolgen konnten. Die Kurzstreckenraketen, zu der auch eine gehörte, die Japan erreichen könnte, wurden nach Aussagen der Informanten deswegen nicht entdeckt, weil sie zu niedrig und "irregulär" flogen, also auch austesteten, ob sich das Raketenabwehrsystem austricksen lässt.

Japans Regierung sei zunehmend besorgt. Angeblich setzt man darauf, mit den zwei neuen Aegis-Zerstörern auch geringere Höhen abzudecken und die Radarsysteme zu verbessern. Im Streit mit Südkorea hat das Land den Geheimdienstdatenaustausch beendet. Das beunruhigt das japanische Militär offenbar auch deswegen, weil Südkorea angeblich die Raketenabschüsse erfolgreich entdeckt haben will.

Nordkoreanischer Raketentest am 10. September. Bild: KCNA

Was genau Nordkorea mit seinen Raketenabschüssen getestet hat, ist unbekannt. Gut möglich, dass es das Ziel war, mit welchen Raketen auf welcher Flughöhe die Radar- und Raketenabwehrsysteme unterlaufen werden können. Dabei war auch der neue Kurzstrecken-Marschflugkörpertyp KN-23, der mit einer Reichweite von bis zu 700 km Japan erreichen kann und irregulär fliegen soll. Viele der abgefeuerten Raketen sollen tiefer als 60 km geflogen sein. Am 10. September wurden zwei KN-23-Raketen Richtung Japanisches Meer abgefeuert, und zwar von einem "supergroßen Raketenwerfer", der mehrere Raketen abschießen kann. Man kann vermuten, dass u.a. diese Raketen nicht entdeckt wurden.

Vermutet wird, dass Nordkorea Heimlich an einem U-Boot arbeitet, von dem aus Raketen abgeschossen werden könnten, was für Japan das Zeitintervall zwischen Start und Einschlag noch weiter verkürzen und ansonsten Nordkoreas strategisches Verhalten unvorhersehbarer machen würde. Kim Jong-un soll die Werft im Juli besucht haben, in der das U-Boot gebaut wird.

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