Umverteilung statt Wohlstand für alle

Euro und Finanzkrise belasten das Nettoeinkommen eines Deutschen mit 3.500 Euro p.a. - 175 Mrd. Euro werden jährlich kaum beachtet umverteilt

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Die öffentlichen Haushalte Deutschlands sparten nach Berechnungen der Deutschen Bundesbank als Folge der Niedrigzins-Politik der EZB im Zeitraum 2008 bis 2018 fast 370 Mrd. Euro.1

Die Zinsersparnis ging auch zu Lasten des typischen Arbeitnehmers mit seinem Sparbuch. Die Realverzinsung ist seit etwa einem Jahrzehnt negativ. Die Altersversorgung in Form der in Deutschland beliebten Lebensversicherung erwirtschaftet keine Rendite mehr.

Der für Deutschland zu niedrige Euro erhöht die Ausgaben der Bürger

Gleichzeitig sank der Wert des Euros gegenüber dem US-Dollar seit 2008 um etwa 30%. Diese Entwicklung hat dazu beigetragen, dass Deutschlands Handelsbilanz-Überschuss 2018 um rund 40% über dem Vorkrisenjahr 2007 lag und in Deutschland Vollbeschäftigung herrscht. Die Vollbeschäftigung haben sich die Arbeitnehmer allerdings teuer erkauft. So wie die Unternehmen bei ihren Exporten vom für sie sehr günstigen Wechselkurs profitieren, haben die Bürger als Folge des für ihren Urlaub oder ihre Importe (Lebensmittel, Elektronik, Kraftstoffe, Kleidung) ungünstigen Wechselkurses erhebliche finanzielle Nachteile. Diese Nachteile gelten auch für den innergemeinschaftlichen Verkehr.

Würde der Euro morgen abgeschafft, würde eine deutsche Währung stark zweistellig gewinnen, während eine italienische Währung zumindest einstellig gegenüber dem heutigen Euro verlieren würde. Es erscheint durchaus realistisch, dass Deutsche dann rund 25% günstiger in Italien ihren Urlaub verbringen könnten. Italien wäre dann wieder das, was heute beispielsweise München, die teuerste Stadt Deutschlands, für Schweizer ist: ein günstiges Einkaufsparadies.

Der Verfasser hat zur Ermittlung der Kosten des Euros und der Finanzkrise für den deutschen Bürger unterstellt, dass die Auslandsreisen der Deutschen als Folge der Wechselkurseffekte heute um 20% teurer sind, als sie bei einer eigenständigen deutschen Währung wären. Bezogen auf die relevanten durchschnittlichen Ausgaben für Auslandsurlaube ergibt sich eine jährliche Belastung von rund 200 Euro/ Person. Auf die Ausgaben für Importe ergibt sich eine Mehrbelastung von rund 900 Euro/ Person und Jahr. Diese Mehrausgaben stellen für den Verfasser eine Umverteilung vom Bürger an die Unternehmen dar, die massiv profitieren und ihre Waren im Ausland zum Teil günstiger als Zuhause anbieten und so Marktanteile erkaufen. Tendenziell liegt der Netto-Preis deutscher Autos in den USA unter ihrem Preis in Deutschland.

Zusätzlich zum Wechselkurs-Effekt hat der Bürger Mehrbelastungen als Folge der Niedrigzinspolitik zu tragen. Der Leitzins in der Euro-Zone ist einheitlich. Anfang 2018 hat Goldman Sachs aber einen für Deutschland angemessenen Leitzins von 3,9% und für Griechenland von minus 8,6% berechnet.

Der Immobilienboom trägt zur Umverteilung bei

Neben den erwähnten geringen Zinserträgen aus Sparbuch und Lebensversicherungen gehört zum negativen Effekt der Niedrigzinspolitik im gewissen Umfang die Entwicklung der Immobilienpreise samt Mietpreissteigerungen. Diese Preissteigerungen sind auf verschiedene Faktoren zurückzuführen: Dem allgemeinen Drang in die Großstadt, dem Wunsch gut Situierter nach einem Zweitwohnsitz in einer Metropole, den niedrigen Zinsen wie auch dem Zuzug von EU-Ausländern nach Deutschland. Die genannten Effekte haben dazu geführt, dass ein Münchner trotz steigenden Gehalts im Jahr 2018 bereits 44% seines Haushaltsnettoeinkommens für die Miete aufwenden musste - 2008 waren es "erst" 32%.2

Der Verfasser unterstellt, dass von der höheren Mietquote etwa 2/3 auf die Effekte Euro, Finanzkrise und Zuzug aus dem Ausland zurückzuführen sind. Bezogen auf das durchschnittliche Haushaltsnettoeinkommen ergibt sich hieraus ein Mehraufwand von knapp 1.700 Euro/Jahr. Wird dieser Mehraufwand mit der Anzahl der Mietwohnungen (etwa 20 Mio.) multipliziert, ergibt sich ein Betrag von 34 Mrd. Euro p.a., den die Vermieter heute als Folge der Finanzkrise inflationsbereinigt3 mehr erhalten als zuvor - zu Lasten der Mieter.

Verdeckte Gesamtbelastung je Bürger liegt bei 3.500 Euro/Jahr

Die Addition der Mehrbelastungen des typischen Angehörigen der Mittelschicht incl. den Mindereinnahmen aus Sparbuch und Belastungen durch Altersvorsorge ergibt einen Betrag von etwa 4.000 Euro4 p.a. Dieser Betrag schließt den Mietaufwand ein. Da ein Ehepaar gemeinsam diese Belastung zu tragen hat, liegt der effektive Mehraufwand eher bei durchschnittlich 3.500 Euro je Person. Niedrigere Einkommen mögen zwar mangels Urlaubsreisen keine Mehrausgaben beim Urlaub haben, dafür spüren sie aber den Lohndruck durch die zugezogenen EU-Ausländer. In Deutschland erhält jeder fünfte Vollzeitbeschäftigte maximal den Niedriglohn (2.203 Euro brutto/ Monat). Dies dürfte teilweise auf einen Lohnwettbewerb zurückzuführen sein.

Aufwandsart Prämisse
Private Importe incl. Steuer 1.097 20% (für D. zu niedriger Wechselkurs) des Anteils der Verbraucher an den dt. Einfuhren (über 1.000 Mrd. € p.a.).
Urlaub 183 20% der relevanten Ausgaben Auslandsurlaub
∑ Wechselkurs 1.280
Zinsverlust 410 (Ø Zins – Inflationsrate) x Ø Sparvermögen
Staatliche Rente 100 Konservative Annahme – künftige Kosten der heutigen SGB-2-Bezieher aus Osteuropa (erwerben kaum Rentenansprüche, d.h. sie benötigen später die Grundsicherung)
Betriebliche Rente 600 Annahme auf Basis des heutigen Niveaus abzügl. geringerem Garantiezins/ erwarteter Verzinsung
Lebensversicherung 600
∑ Finanzen/ Altersvorsorge 1.710
Mieten 1.678 Bundesweiter Anstieg des Mietaufwandes am Nettoeinkommen von 2008 bis 2018 um sechs Prozentpunkte auf 34%. Von diesen 6 Prozentpunkte werden pauschal 2/3 (also 4%-Punkte) als relevant betrachtet (Effekt Niedrigzinsen, Zuzug als Folge der Wirtschaftskraft, die ohne den zu niedrigen Wechselkurs so nicht gegeben wäre) x Ø Jahresnetto-Einkommen von 42.000 €.
∑ Mieten 1.678
∑ Kosten 4.668

Wird die Einwohnerzahl Deutschlands um die weniger betroffenen Personengruppen Senioren, Kinder, Arbeitslose, Asylbewerber reduziert, ergibt sich grob eine Menge von 50 Mio. Menschen, die direkt von den Mehrausgaben betroffen ist. In Summe hat diese Bevölkerungsgruppe Kosten von 175 Mrd. Euro zu tragen, die dem Staat und den Unternehmen zu Gute kommen, wie folgende Verplausibilisierung annähernd bestätigt:

Einbußen Arbeitnehmer/ Bürger Mrd. Euro Vorteile Staat/ Unternehmen Mrd. Euro
Effekt für D zu niedriger Euro-Kurs 59 Niedrigere Zinsausgaben Staat 40
Verluste Finanzvermögen incl. Lebensvers. 85 Zusätzliche Steuereinnahmen 20
Höhere Mietausgaben 34 Niedrigere Zinsausgaben Unternehmen 41
Geringqualifizierte: Effekt Lohndruck Höhere Mieteinnahmen Hausbesitzer 34
Zusätzliche Gewinne durch Export/ Sonstige 43
178 178

Die Differenz zwischen veranschlagten Belastungen Bürger und Gewinnen Staat und Unternehmen erklärt sich auch damit, dass es sich hierbei nur teilweise (Mieten, Zinsen) um einen geschlossenen Kreislauf handelt. Die Wechselkurs-Nachteile der Bürger können höher oder niedriger als die Wechselkurs-Vorteile für die Unternehmen sein.

Die aufgeführten zusätzlichen Steuereinnahmen sind eine unmittelbare Folge der beschriebenen Entwicklung: Als Folge der Immobilienpreisentwicklung hat sich das Aufkommen an Grunderwerbssteuer verdreifacht. Der Verbraucher muss nicht nur für seinen Kaffee 20% (Dollar-Basis) mehr zahlen, sondern auch mehr Einfuhrumsatzsteuer.

Fazit/Diskussion

Zusammenfassend bewirken Euro, die Niedrigzinspolitik und auch die Zuwanderung eine sehr große und kontinuierliche Umverteilung von der Mittelschicht, dem Rückgrat der sozialen Marktwirtschaft, an den Staat und die Unternehmen. Exportorientierte Unternehmen profitieren stark, importorientierte Unternehmen (z.B. Lufthansa - Stichwort Kerosin) verlieren ebenso wie Finanzinstitute.

Der ermittelte Näherungswert von 3.500 Euro ist für den Bürger nur teilweise heute liquiditätswirksam, da er Einbußen bei der Altersversorgung (unterstellt 1.200 Euro p.a.) erst bei seinem Renteneintritt erfährt. Nicht quantifiziert werden können negative Effekte für die Bezieher kleinerer bis mittlerer Einkommen wie Reduktion der Wohnungsgröße (kleineres Kinderzimmer).

Die Umverteilung wird fragmentiert zwar immer wieder diskutiert, in ihrer Gesamtheit aber nicht erfasst. Der Verfasser interpretiert die Umverteilung als Kollateralschaden der Euro-Einführung und der Finanzkrise. Er geht zugleich davon aus, dass die Effekte der Zuwanderung insbesondere für die osteuropäischen Länder so positiv sind, dass sie Deutschland größere Transferzahlungen oder sonstige Probleme ersparen. Diese Transferzahlungen hätte allerdings der Staat direkt zu tragen und nicht der Arbeitnehmer, der nun - je nach Qualifikation - in einem Lohnwettbewerb steht. Dieser Lohnwettbewerb dürfte sich verschärfen, wenn Osteuropäer nach dem Brexit nicht mehr nach Großbritannien ziehen können.

Autor

Guido Bruch hat von 1987-92 Wirtschaftswissenschaften in Duisburg und St. Gallen studiert. Er arbeitet als Unternehmensberater in München. Beruflich erstellt er regelmäßig auf Empfehlung von Banken und Steuerberatern Businesspläne mit der Zielsetzung komplexe Sachverhalte transparent darzustellen, zu hinterfragen und zu plausibilisieren. Diesen Ansatz hat er auf das hier beschriebene Thema der Umverteilung übertragen und im bei Amazon erschienen Buch "Umverteilung statt Wohlstand für alle" detailliert.

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