Britisches Geheimprogramm für die saudische Nationalgarde

Werbung für den saudischen Kronprinzen Mohammed beim Besuch in London im März 2018. Bild: Loco Steve/CC BY-2.0

USA und Großbritannien arbeiten gegen Milliarden mit der saudischen Nationalgarde zusammen, die das saudische Herrscherhaus schützen soll und im Jemenkrieg eingesetzt ist

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Die USA und Großbritannien stehen unter Kritik wegen ihrer Unterstützung der von Saudi-Arabien geleiteten Koalition, die seit 2015 einen Krieg gegen den Jemen führt und das Land in die nach de Vereinten Nationen schlimmste humanitäre Katastrophe auf der Welt gebracht hat. Bei den Kämpfen wurden zehntausende Menschen getötet, meist Zivilisten. 80 Prozent der Menschen sind auf humanitäre Hilfe angewiesen, 10 Millionen leiden Hungersnot, 3 Millionen wurden vertrieben, Die Wirtschaft ist ruiniert, auch die Landwirtschaft, über 60 Prozent der Menschen haben keine Arbeit. Beide Länder unterstützen Saudi-Arabien auch mit Waffen.

Vor kurzem wurde klar, wie stark die Verbindungen der britischen Regierung mit der saudischen Monarchie sind. Das geht weit über Waffenlieferungen hinaus. Letztlich wurde Großbritannien mit dem saudischen Geld gekauft, das Königshaus zu schützen, also eine völlig undemokratische Macht - und das mit einem Geheimprogramm, das den britischen Wählern möglichst nicht zur Kenntnis gebracht werden soll.

Im Juni hatte ein Berufungsgericht die britischen Waffenverkäufe an Saudi-Arabien als illegal bezeichnet und angeordnet, dass die Waffendeals in Höhe von 4,7 Milliarden Pfund überprüft werden müssen. Vorgeworfen wird Regierungsmitgliedern, dass sie nicht berücksichtigen, ob saudische Luftangriffe auf Zivilisten im Jemen eine Verletzung der Genfer Konventionen darstellen und die Waffenverkäufe genehmigten, ohne das Risiko für Zivilisten zu berücksichtigen. Im Mai 2018 hatte Boris Johnson, damals noch Außenminister, die Entsendung von einer nicht näher genannten Zahl an britischen Soldaten zur "Information, Beratung und Unterstützung" nach Saudi-Arabien zugegeben, um der Bedrohung durch Huthi-Raketen zu begegnen. Angeblich wollte man Saudi-Arabien so entlasten, so die scheinheilige Begründung, um eher eine politische Lösung zu finden. Die britischen Soldaten konnten offenbar ebenso wenig wie die amerikanischen die Raketen- und Drohnenangriffe abwehren.

Versehentlich wurde über eine Stellenausschreibung bekannt, dass die britische Regierung mit einem Budget von zwei Milliarden britischen Pfund die mehr als 130.000 Mann starke Nationalgarde Saudi-Arabiens - auch Weiße Armee genannt - ausbildet, die nicht nur die herrschende königliche Familie schützen soll, also neben der Armee eine mächtige Privatmiliz darstellt, sondern die auch aktiv im Krieg gegen Jemen beteiligt ist und im Inneren militärisch bei Unruhen eingreifen kann. Matt Kennard und Mark Curtis haben untersucht, was von diesem seit 1978 bestehenden Programm des britischen Verteidigungsministeriums bekannt ist, dem seit 1978 bestehenden Saudi Arabia National Guard Communications Project (Sangcom).

Zweck des Programms soll sein, dass die SANG mit Geldern aus Saudi-Arabien, die ans britische Verteidigungsministerium fließen, mit Kommunikationstechnik ausgestattet wird, wobei das Budget sowie nähere Einzelheiten von der Regierung geheim gehalten werden - vor dem Parlament und der Öffentlichkeit. Nach 40 Jahren wurde durch eine Stellenanzeige - nur für männliche Bewerber - versehentlich erstmals das Budget bekannt: "The UK MOD SANGCOM Project Team is responsible for the delivery of a £2bn programme to modernise the Saudi Arabian National Guard’s communications network." Das Budget von 2 Milliarden soll sich seit 2010 auf einen Zeitraum von 10 Jahren erstrecken und ist deutlich höher als das der vorangehenden Übereinkunft von 125 Millionen. Die Stellenanzeige wurde aus dem Netz genommen, allerdings schrieb der Finanzkontrolleur von Sangcom auf Linkedln, er sei für ein Budget von 1,6 Milliarden Pfund verantwortlich.

Neben Großbritannien wird die SANG auch vom US-Militär ausgebildet und aufgerüstet. Seit 2015 sind SANG-Einheiten am Jemen-Krieg beteiligt, zwei Brigaden wurden 2018 an der Grenze stationiert. Colonel Kevin Lambert, Programmanger des amerikanischen SANG-Modernisierungsprogramms, bei dem es um 16 Milliarden US-Dollar an Waffenkäufen geht, hat bei seinem Amtsantritt letztes Jahr auch offen gesagt, dass er mit seinem Team die Nationalgarde für "Kampfeinsätze an der südlichen Grenze" ausbilde - was Saudi-Arabien wie im Fall von Großbritannien bezahlt: "Die SANG trägt zu Kampfeinsätzen der saudisch geführten Koalition im Jemen-Konflikt bei, die zur regionalen Stabilität beiträgt." Und diese Stabilität durch den Krieg würde wiederum "die militärischen Kapazitäten der USA erhalten und unsere strategische Kampfbereitschaft erhöhen". Es handelt sich also um eine direkte Beihilfe zum Jemen-Krieg.

Das Geheimprogramm Sangcom des britischen Verteidigungsministeriums liefert der Nationalgarde nicht nur Kommunikationstechnik, sondern bildet Nationalgardisten auch im Umgang mit diesen aus, was aber über die reine Technik hinausgehen könnte, wie dies auch bei den Amerikanern der Fall ist. Wegen der Geheimhaltung ist letztlich nicht bekannt, was Sangcom wirklich macht. Auch mehrere parlamentarische Anfragen führten zu keinen Ergebnissen. Neben den Stützpunkten in Saudi-Arabien ist Sangcom beim britischen Militär in Corsham, Wiltshire, angesiedelt, wo sich auch die Joint Cyber Unit und das 10th Signals Regiment befinden.

Seit 1994 wird Sangcom im Auftrag des Verteidigungsministeriums von der Firma GPT Special Project Management Ltd verwaltet, die jetzt zu Airbus gehört. Airbus schließt aber nach Korruptionsvorwürfen Ende des Jahres GPT, das seit Jahren mit vielen Millionen Bestechungsgeldern an Saudis versucht hat, den Sangcom-Vertrag zu verlängern. Nach einem Whistleblower sollen bis zu 16 Prozent des Budgets zur Bestechung gedient haben. Das Serious Fraud Office (SFO) ermittelt. Das britische Verteidigungsministerium soll das Programm nun an den amerikanischen Militärdienstleister KBR übergeben haben. Die Abwicklung von GPZ hat den Vorteil, dass eine Firma, die nicht mehr existiert, nicht zur Rechenschaft gezogen werden kann.

Transparency International und Spotlight on Corruption befürchten, dass der britische Generalstaatsanwalt Geoffrey Cox weitere Ermittlungen zu blockieren sucht. Gründe der nationalen Sicherheit sollten hier keine Rolle spielen, schrieben die beiden Organisationen in einem offenen Brief von Anfang Oktober. Eine Behinderung würde dem Ansehen Großbritanniens und dem internationalen Kampf gegen die Korruption großen Schaden zufügen.

Im März noch hatte Stuart Andrew, der parlamentarische Staatssekretär für Verteidigung, auf eine Anfrage, wie viele zivile und militärische Angestellte am Sangcom-Programm in Großbritannien und Saudi-Arabien mitarbeiten, gesagt, es seien 76, davon 74 in Saudi-Arabien. Dabei hat GPT, das einzig Sangcom betreut, 2018 535 Angestellte gehabt. Britische Minister hätten immer die realen Zahlen heruntergespielt oder verschleiert, indem sie nur die Militärberater nannten, obgleich GPT-Angestellte und Militärberater auch in Saudi-Arabien zusammenarbeiten. Mit dem Übergang zu KBR scheint die Personalstärke noch größer zu werden. Wieder ist es eine Stellenanzeige für einen Cybersicherheitsexperten in Riad, die enthüllt, dass Sangcom bis zu 800 Angestellte haben wird, davon 120 von KBR. Zudem gebe es eine Lieferkette von 25 Organisationen.