Katalonien im Generalstreik

Bild: Laura Conejos

Schon bevor die fünf Marschsäulen der Friedensmärsche mit zehntausenden Teilnehmern in Barcelona eingetroffen sind, war die Stadt mit Streikenden geflutet

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Während sich viele zehntausende Menschen in fünf Marschsäulen auf die katalanische Hauptstadt Barcelona zubewegt haben, fluteten bereits am frühen Freitag streikende Beschäftigte, Studenten und Schüler Straßen, Plätze und Industriegebiete, um heute einen neuen Höhepunkt der Proteste zu markieren. Sie sind seit Montag in ganz Katalonien als Reaktion auf die drakonischen Strafen zu beobachten, zu denen neun Anführer der Unabhängigkeitsbewegung zu bis zu 13 Jahren Haft wegen angeblichem Aufruhr verurteilt wurden, weil sie vor zwei Jahren ein Referendum durchgeführt haben. Aber auch weit darüber hinaus, vor allem im Baskenland, gibt es Proteste, dazu auch in der spanischen Hauptstadt Madrid und anderen Städten.

Die Luftbilder von fünf Friedensmärschen sind beeindruckend. Auf den Zufahrtsstraßen und Autobahnen um Barcelona ziehen über viele Kilometer die Menschen in die katalanische Hauptstadt, nachdem sie an drei Tagen über 100 Kilometer in Richtung Barcelona gelaufen sind, um am Nachmittag auf einer riesigen Demonstration die Freiheit der politischen Gefangenen und ein verbindliches Referendum für die Unabhängigkeit zu fordern.

Auf dem Weg schlossen sich immer neue Menschen an. "Die Solidarität, die wir erlebt haben, war sehr beeindruckend", erklärt Laura Conejos dem ND. Sie ist aus Girona nach Barcelona unterwegs. Sie vergleicht die Märsche mit dem Referendum, das auch mit brutalster Gewalt aus Spanien nicht verhindert werden konnte. "Es ist eine neue Verstärkung und das ist nun nicht mehr aufzuhalten." Die Breite sei extrem, verweist sie auf eine spanische Fahne, versehen mit gelber Schleife für die Freiheit der Gefangenen, die vor ihr zu sehen ist.

Sie zeigt, dass die Empörung über die drakonischen Urteile weite Kreise über die Unabhängigkeitsbewegung hinaus erfasst hat, dass es jetzt Aufruhr sein soll, Wahlurnen aufzustellen. "Andere Generalstreiks haben nicht dieses Niveau erreicht", erklärt auch die Anarchistin Roser Pineda aus der Marschsäule, die in Vic gestartet ist. Auch für sie markieren, wie das Referendum zuvor, die Urteile und die Reaktion einen Wendepunkt, der die Bewegung auf eine neue Stufe hebe.

Die Märsche blockierten viele Straßen, doch wegen des Generalstreiks wurden auch etliche Flüge gestrichen. Züge und die Metro fahren nur noch sehr eingeschränkt. Streikposten und die Komitees zur Verteidigung der Republik blockieren zudem mit Barrikaden Straßen und Schienen im ganzen Land. Tausende Menschen haben auch das Wahrzeichen Barcelonas, die Sagrada Familia, eingekreist und geschlossen.

Große Fabriken wie die Volkswagen-Tochter Seat in Martorell haben genauso die Werkstore geschlossen, wie die große Supermarktkette Bonpreu. Natürlich wird auch der Hafen bestreikt, weil sich die Gewerkschaft der Hafenarbeiter dem Aufruf der kleinen Gewerkschaften angeschlossen hat, die der Unabhängigkeitsbewegung nahe stehen. Aus dem Hafen ziehen die Arbeiter genauso demonstrierend in die Innenstadt, wie Arbeiter und Arbeiterinnen aus Industriegebieten. Gewaltbilder, wie man sie die letzten Tage aus Barcelona gesehen hat, gab es nicht.

Generalstreik Katalonien (14 Bilder)

Bild: Laura Conejos

Der spanische und der katalanische Innenminister kommen wegen der Gewalt immer stärker unter Druck. Auch spanische Zeitungen wie Publico berichten, dass "infiltrierte Polizisten" die Gewalt gezielt provoziert haben. Telepolis hatte schon darüber berichtet und Leser haben im Forum zahlreiche Videos beigesteuert. Im Internet kursierten Videos längst. Zum Teil sind darauf auch uniformierte Polizisten beim Barrikadenbau zu sehen.

Der Rücktritt des katalanischen Innenminister Miguel Buch ist kaum noch zu verhindern, nachdem auch die Regionalpolizei am späten Donnerstag eine Demonstration von bewaffneten Faschisten zugelassen hat, die ungehindert Unabhängigkeitsbefürworter angreifen und verprügeln konnten. Neben der linksradikalen CUP fordert nun auch die Republikanische Linke (ERC) wie die großen zivilgesellschaftlichen Organisationen seine Absetzung. Die wurde schon nach dem Einsatz der Mossos am Flughafen gefordert, als diese brutal auf friedliche Menschen eingeschlagen und mit Gummigeschossen geschossen hatten und damit zur Eskalation anstatt zur Deeskalation beigetragen hatten.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

Mit Ihrer Zustimmmung wird hier eine externe Buchempfehlung (Amazon Affiliates) geladen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen (Amazon Affiliates) übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.