Pakistan: Atomkrieg soll von Korruption ablenken

Bäume wären auch in Teilen der Steinwüste Belutschistan möglich, doch in Pakistan wurde jahrzehntelang gnadenlos abgeholzt. Foto: Gilbert Kolonko

Pakistans Verantwortliche spielen immer öfter mit dem Wort "Atomkrieg", während die Eliten weiter das Land ausplündern und die Wirtschaft den Bach runter geht

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In Jacobabad, in der pakistanischen Provinz Sindh, stieg das Thermometer diesen Sommer auf 51.1° Grad Celsius. Genau wie in der Nachbarprovinz Punjab, in der Ortschaft Sahiwal. Doch im Gegensatz zum kalifornischen Death Valley leben hier Menschen - im Distrikt Jacobabad ist es eine Million. Im Distrikt Sahiwal sind es 1,4 Millionen. Anfang Juni kostete allein ein hitzebedingter Stromausfall in einem Krankenhaus in Sahiwal acht Babys das Leben.

Im 800 Kilometer entfernten Turbat in Belutschistan wurde zwar im Jahr 2017 ein Hitzerekord von 53,7 Grad erzielt - auch dort leben Menschen -, aber in Jacobabad steigt das Thermometer mittlerweile während zweier Monate im Jahr immer wieder über 50 Grad. Der Grund: Hitzewellen nehmen in Pakistan zu.

Das U.S. National Oceanic and Atmospheric Istitut schätzt, dass steigende Hitze in Verbindung mit Luftfeuchtigkeit schon jetzt die körperliche Arbeit im Freien um 10 Prozent reduziert hat und es geht davon aus, dass es bis zum Jahr 2050 20 Prozent sein werden. Auch dieser Punkt wird Pakistan mehr treffen als andere Länder, dazu ist das Land schon heute eines der größten Opfer des Klimawandels.

Doch viele Probleme sind hausgemacht: Im April dieses Jahres liefen ein paar tausend Bauern 150 Kilometer zu Fuß durch den Sindh, um auf die enormen Wasserprobleme der Region aufmerksam zu machen und auf das Austrocknen des Indus Deltas. Durch Stauungen des Flusses Indus drückt das Meerwasser immer tiefer in das Delta ein, was zu Versalzung führt.

Es gibt kaum Bäume, dafür den Kampf gegen Terror

Wer im Sommer schon einmal durch Pakistans südliche Provinzen Sindh und Belutschistan gewandert ist, dem fällt etwas auf, was die Hitze noch schwerer erträglich macht: Es gibt kaum Bäume. Dabei weisen Studien darauf hin, dass schon wenige Bäume ein Mikroklima schaffen können, das die Temperatur um bis zu 5 Grad Celsius senkt. Doch Bäume sind in Pakistan unter den Militär-Diktaturen und den nachweislich korrupten Familienparteien der Bhuttos und Sharifs rigoros abgeholzt worden.

Erst der jetzige Premierminister Imran Khan begann im Jahr 2013 in der Provinz Khyber Pakhtunkhwa ein großes Baumpflanzprogramm, dass er mittlerweile aufs ganze Land ausgeweitet hat.

Auch die Wasserkrise hat Khan von seinen Vorgängern geerbt: Schon 2007 sagte Anatol Levi in seinem Buch voraus, dass Wassermangel und nicht Extremismus die größte Gefahr für Pakistan sei. Doch statt Lösungen gab es den von der USA verordneten Kampf gegen den Terror. Den Terror, den die USA in den 1980er-Jahren in Form fanatischer Islamisten selbst geschaffen haben, um sie im Kampf gegen die Sowjetunion in Afghanistan zu schicken. Später wurden sie bekannt als al-Qaida.

Heute können die Verantwortlichen von Karatschi nicht einmal die Hälfte des Wasserbedarfs der 20 Millionen Einwohner decken. Wenn es dann regnet, steht die die Metropole wegen unkontrollierter Stadtverdichtung und verstopfter Gullys unter Wasser.

Die Elite raubt das Land aus

Auch diesen Monsun brach wegen Überschwemmungen wieder die Stromversorgung Karachis zusammen und damit die komplette Wasserversorgung. So versorgt sich die Bevölkerung mit Wasser aus Plastikflaschen und von der Wassermafia: Eine Studie des The Global Development Institute at The University of Manchester zeigt, dass Wasser in Plastikflaschen oder von der örtlichen Wassermafia bis zu 25 Prozent des monatlichen Einkommens auffrisst. "Plastikwasser" ist 52 Mal teurer als öffentliches Leitungswasser.

Zeitgleich raubt die Elite das Land aus: In einer lebensgefährlichen Reportage zeigen Fahim Zaman, ein ehemaliger Stadtverwalter Karatschis, und die Journalistin Naziha Syed Ali auf, wie die Elite und Politik weiter Landraub im riesigen Ausmaß betreiben.

In Zusammenarbeit mit dem Bauunternehmer Malik Riaz und Stammesführern vertreiben sie Tausende von Menschen von deren Land und streichen dann horrende Gewinne durch Landverkauf und Bauprojekte ein. In der Provinz Sindh regiert immer noch die Bhutto Familie und wie schon auf Telepolis aufgezeigt, betreibt Malik Riaz sein Immobilienspiel im ganzen Land (Pakistan: Baulöwe prahlt mit der Höhe seiner Bestechungsgelder).

Ähnliches betreibt seit Jahrzehnten die pakistanische Armee. Sie hat einen Staat im Staate geschaffen und ist nebenbei der größte Wirtschaftskonzern des Landes, dem mehr als 50 große Firmen gehören, zu denen Hunderte weiterer Firmen gehören.

Viele von ihnen sind als Wohltätigkeitsorganisation "getarnt", wie die Fauji Foundation, einer der größten Mischkonzerne Südostasiens, damit es auch noch Steuerbefreiung gibt. Die letzten verlässlichen Daten über das Vermögen der pakistanischen Armee stammen aus dem Jahr 2007: Ayesha Siddiqa veröffentlichte sie in ihrem Buch Military Inc.. Kurz nach der Veröffentlichung wurde ihr Buch verboten und die Kopien eingesammelt und verbrannt.

Wer Imran Khan jetzt vorwirft, ein Mann der Armee zu sein, tut so, als hätten seine Vorgänger, die Familienparteien der Bhuttos und Sharifs, Einfluss auf die Gestaltung des Landes gehabt. Dabei haben die Generäle nach der Amtszeit von Diktator Musharraf nur verstanden, dass es sich im Hintergrund besser regieren lässt. Solange sich Nawaz Sharif oder Asif A. Zardari nicht in wichtige Innen- und Außenangelegenheiten einmischten, durften sie Geld für Londoner Immobilien ergaunern - und den Schein von Demokratie in Pakistan wahren.

So durfte auch Imran Khan erst Premierminister Pakistans werden, nachdem das Establishment/Militär sicher sein konnte, das Khan sein neues Pakistan nicht auf ihre Kosten erbauen will.

Was Imran Khan unter den gegebenen Umständen leistet, ist außergewöhnlich. Die pakistanische Armee und deren Geheimdienste haben über Jahrzehnte nachweislich Militante in den indischen Teil von Kaschmir eingeschleust, wie selbst Ex-Diktator Musharraf zugab. Dazu haben sie schwere Terroranschläge in Indien unterstützt wie den in Mumbai im Jahr 2008.

Doch Khan und dem Druck Chinas ist es zu verdanken, das Hafiz Saeed verhaftet worden ist, ebenso andere Islamisten der Jamaatud Dawa (JuD) und dessen bewaffnetem Arm Lashkar-e-Taiba (LeT), die vorher hilfreich im Kampf gegen Indien waren. So war es auch Imran Khan der den gefährlichen Schlagabtausch Ende Februar diesen Jahres mit Indien entschärfte, indem er den Piloten des abgeschossenen indischen Kampfjets ohne Bedingungen frei ließ.

Dass Imran Khan aus Pakistan einen islamischen Wohlfahrtstaat machen möchte mit Sozialwohnungen und Krankenversicherung ist löblich, aber unter den jetzigen Regeln der Weltwirtschaft unmöglich, das weiß er eigentlich selbst: Schon bei seiner Antrittsrede als Premierminister sagte Khan, dass die größte Last des Landes sei, dass es jedes Jahr neue Schulden aufnehmen muss, um allein die Zinsen der Staatsschulden zurück zahlen zu können - die andere Last des Landes, das Militär, konnte er selbstverständlich nicht erwähnen.