Maas: In Ankara wegen AKK?

Der deutsche Außenminister hat beim Treffen mit seinem türkischen Amtskollegen nicht viel erreicht außer Schlagzeilen, die Kramp-Karrenbauers Vorschlag nicht gut aussehen lassen

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Der deutsche Außenminister Maas war am Samstag zu Besuch in Ankara. Man fragt sich, was er dort erreichen wollte. Entscheidend für die Situation in Nordsyrien, die der Anlass für seinen Besuch waren, sind die Abmachungen, die der türkische Präsident Erdogan mit dem russischen Präsidenten Putin traf, der ein Mandat der syrischen Regierung hatte. Welchen Einfluss konnte Maas hier geltend machen und worauf zielte sein Besuch ab?

Maas selbst twitterte am Samstagnachmittag, dass nun folgende Punkte "in Syrien Priorität haben":

  1. Kampf gegen IS
  2. stabile Waffenruhe und keine dauerhafte militärische Präsenz der Türkei in Syrien
  3. politischen Prozess unterstützen,
  4. humanitäre Hilfe für Notleidende vor Ort

Das ist - bis auf den Punkt "keine dauerhafte Präsenz der Türkei" - nichts, was diplomatisch verfänglich sein könnte, die türkische Regierung proklamierte selbst, dass sie in Nordsyrien gegen den IS vorgehen wird. Sie stellt allerdings die YPG/JPG mit dem Terror des IS auf eine Stufe. Ob es zu diesem zentralen und heiklen Punkt Meinungsverschiedenheiten gab, taucht im Twitter-Protokoll von Maas nicht auf.

Die anderen Punkte gehören zur Rhetorik, die die Militäroperation "Friedensquelle", wie die meisten anderen Militär-Interventionen stets garnieren. (Auch Saudi-Arabien sorgt für humanitäre Hilfe im Jemen und unterstützt den politischen Prozess, wenn er denn in Sinne des kriegsführenden Landes verläuft.)

Maas müsste, um bei der türkischen Regierung beim Thema Nordsyrien ein ernsthaftes Gegenüber zu markieren, echten wirtschaftlichen Druck androhen. Damit würde er einen aber schwer absehbaren Konflikt riskieren mit einem Nato-Partner und dem Partner des EU-Flüchtlingspaktes, aber auch mit dem Herkunftsland von Millionen Deutschtürken.

Oder er gibt lediglich deutsche Positionen zu bedenken.

AKK war plötzlich berühmt

Die Überschrift des Tagesschau-Berichts zum Treffen in der Türkei spricht ganz dafür, dass es Maas vor allem darum ging, dass er als Außenminister zuständig ist, nachdem ihm die Verteidigungsministerin und CDU-Chefin Kramp-Karrenbauer zuletzt den Aufmerksamkeitsrang streitig gemacht hatte.

Sie sorgte mit ihrem Vorschlag, eine multinational überwachte Schutzzone im syrisch-türkischen Grenzgebiet einzurichten, für außenpolitisches "Agenda-Setting". Egal, wie realitätsfern und unkonkret ihr Vorschlag ist (AKKs Schnapsidee einer internationalen Sicherheitszone in Nordsyrien) und auch weitgehend als solcher bewertet wurde, sie wurde damit "plötzlich berühmt".

Wenn die Tagesschau ihren Bericht zu "Maas in der Türkei" so überschreibt: "Keine Zeit für Kramp-Karrenbauers Vorschlag", dann hat der SPD-Politiker ein gewisses Ziel erreicht: Er und nicht die CDU-Chefin ist der Tonangeber der deutschen Außenpolitik. Auch wenn sonst nichts Relevantes bei dem Treffen herauskommt, dann immerhin doch Prestigepunkte daheim.

Für Dinge, die im Moment eher theoretischen Charakter haben, hat uns die Zeit gefehlt, weil den Menschen in Syrien die Zeit für theoretische Debatten fehlt.

Heiko Maas, Tagesschau

Vorher schneidig, dann zurückhaltend

Geht es nach der FAZ, so sprach Maas von "ernstzunehmenden Differenzen" mit der Türkei in der rechtlichen Einschätzung der türkischen Militäroffensive, die - nicht nur - die Bundesregierung für völkerrechtswidrig hält. Außenminister Cavusoglu "habe ihm jedoch zugesichert, dass sein Land nicht dauerhaft auf der syrischen Seite der Grenze bleiben wolle". Der deutsche Außenminister nahm die diplomatische Formel vom "temporären Status Quo" mit auf.

Auffällig ist, dass Maas vor dem Treffen in Ankara seine Punkte, über die er sprechen wollte, um einiges "schneidiger" formulierte:

Ich werde am Samstag in die Türkei reisen:

  • Die Waffenruhe muss eingehalten und die Zivilbevölkerung geschützt werden. -
  • Beim Umgang mit Geflüchteten muss die Türkei internationales Recht einhalten.
  • Und sie muss den politischen Prozess unterstützen statt ihn zu torpedieren.
Heiko Maas

"Wer die Türkei belehrt, muss mit einer entsprechenden Antwort rechnen", soll der türkische Außenminister Cavusoglu darauf geantwortet haben. Beim Treffen in Ankara hielt sich Maas offensichtlich daran, denn am Schluss wurden Übereinstimmungen betont:

Außerdem, und das war offenkundig ein Ergebnis des einstündigen Vieraugen-Gesprächs der beiden Außenminister, unterstütze man weiterhin den Kampf der türkischen Armee gegen die Milizen des sogenannten Islamischen Staats. Dieses Ziel nannte Maas sogar als ersten Punkt bei der Auflistung der Übereinstimmungen.

Die Welt

Ob Maas etwas zur türkischen Formel "YPG=PKK=Terrorismus" anzumerken hatte, geht aus den Berichten nicht hervor. Politiker wie Trittin von den Grünen trauen Maas nicht allzu viel zu, wenn es um Sprache geht. Maas habe "windelweich" formuliert, so Trittin gegenüber dem Deutschlandfunk, als es um Waffenlieferungen an die Türkei ging. Die Formulierung, dass man neue Waffen nicht liefern würde, wenn sie denn möglicherweise benutzt werden können in Syrien, sei "ziemlich harmlos" (siehe dazu Bundesregierung rüstet Erdogan auf)

Cavusoglu ging bei der Pressekonferenz mit Maas nicht auf Unterschiede in einer YPG-PKK-Debatte zwischen den Außenministern ein; er kritisierte generell die Kritik, die hier aus Deutschland kommt:

Bezugnehmend auf die türkische Offensive in Nordsyrien gegen die kurdische YPG-Miliz sagte er (Cavusoglu, Anm. d.A.) in einer gemeinsamen Pressekonferenz, "vor allem aus Deutschland" werde "ungerechte und schwere Kritik" gegen die Türkei laut. Das passe nicht zu den tief verwurzelten Bündnisbeziehungen. Er habe Maas gesagt, dass die türkische Gemeinde in Deutschland "sehr besorgt" sei und sich "unter Druck gesetzt und einsam" fühle.

SZ