"Insourcing" statt Autozölle

Daimler-Werk in Alabama. Foto: 12019

Vertreter der USA sollen sich mit Vertretern deutscher Autohersteller einer Übereinkunft nähern, die die Produktion bislang importierter Motoren und Getriebe in den USA vorsieht

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Am Mittwoch den 13. November, in einer Woche, läuft der Aufschub der angedrohten Erhöhung der amerikanischen Importzölle für europäische Automobile von zweieinhalb auf 25 Prozent aus. Bei zuletzt etwa 600.000 in die USA exportierten PKWs aus deutschen Werken würde das BMW und Daimler einer Schätzung von Evercore ISI nach jährlich jeweils 1,7 bis zwei und den VW-Konzern (zu dem die Luxusmarke Audi gehört) potenziell sogar 2,3 Milliarden Euro kosten. Das wäre rund ein Fünftel der Gesamtgewinne dieser Unternehmen.

Inzwischen deuteten der amerikanische Wirtschaftsminister Wilbur Ross und der amerikanische Deutschlandbotschafter Richard Grenell aber an, dass die Zollerhöhung weiter ausgesetzt werden könnte. Grenell sprach in diesem Zusammenhang von "sehr positiven Gesprächen mit Vertretern deutscher Autokonzerne in Spartanburg und Birmingham". In Spartanburg im US-Bundesstaat South Carolina betreibt BMW seine weltweit größte Fabrik, in der jährlich über 380.000 SUVs gefertigt werden. Und im US-Bundesstaat Alabama, in dem das von Grenell gemeinte Birmingham liegt, lässt Daimler jedes Jahr mehr als 300.000 Fahrzeuge vom Band laufen.

Ab 75 Prozent Teileanteil echte amerikanische Produkte

Das Handelsblatt will nun "aus Verhandlungskreisen" erfahren haben, warum sich Ross und Grenell so zuversichtlich äußern: Vertreter der deutschen Autohersteller sollen ihnen nämlich in Aussicht gestellt haben, bei einem vorerst weiter andauernden Verzicht der US-Administration auf höhere Importzölle noch mehr in den USA zu investieren als sie ursprünglich planten.

Mit diesen Investitionen sollen Motoren und Getriebe, die bislang aus Europa importiert werden, zukünftig von US-Arbeitern und -Robotern gefertigt werden. Mit diesem "Insourcing" wollen die Hersteller erreichen, dass sich der aktuell bei 62 bis 70 Prozent liegende Anteil der aus den USA stammenden Autoteile, die in ihren US-Werken verarbeitet werden, auf über 75 Prozent erhöht. Diese drei Viertel hat die US-Administration im NAFTA-Nachfolgeabkommen United-States-Mexiko-Canada-Agreement (USMCA) als Schwelle festgelegt, ab der Kraftfahrzeuge als echte heimische Produkte gelten.

Privatdiplomatie

Käme die Einigung zustande, dann hätten sie nicht etwa der vor allem in den US umstrittene deutsche Außenminister oder andere Angehörige der deutschen Bundesregierung erreicht (die die New York Times am Wochenende eine "Zombie-Koalition" nannte), sondern Vertreter der Wirtschaftsunternehmen, deren Aktionäre und Arbeitnehmer von den Zöllen besonders betroffen gewesen wären.

Dass es eine Lösung über diesen Weg geben könnte, hatte US-Präsident Donald Trump bereits vor einem Jahr angedeutet, als er den damaligen Daimler-Chef Dieter Zetsche, den BMW-Finanzvorstand Nicolas Peter und den VW-Vorstandsvorsitzenden Herbert Diess im Weißen Haus empfing und die drei Konzernvertreter dazu aufforderte, ihre Fertigung in die USA zu verlagern, wenn sie Zölle vermeiden möchten (vgl. "Baut sie hier"). Die Kompetenz dafür, wo neue Produktionseinrichtungen entstehen, in die das Kapital eines Konzerns fließt, liegt nämlich nicht bei der EU-Kommission oder der deutschen Bundesregierung, sondern in den Händen der Unternehmen.

Außer mit der "Peitsche" von Importzöllen dürften eine gestiegene Investitionsbereitschaft deutscher Autohersteller in den USA aber auch mit Standortbedingungen wie Steuern, Bürokratie und einer sich wandelnden Mentalität in Deutschland und den USA zu tun haben. In den USA - wurden die Unternehmenssteuern 2017 von 35 auf 20 Prozent abgesenkt. Außerdem schuf die US-Politik neue gesetzliche Möglichkeiten, mit denen Unternehmen Investitionen schneller abschreiben dürfen. Vielleicht noch wichtiger ist, dass die Genehmigung (und damit auch die Verwirklichung) großer Bauvorhaben in den USA zwar stark von den Bundesstaaten und den kommunalen Gebietskörperschaften abhängt, aber in der Praxis häufig sehr viel schneller geht als in Deutschland (vgl. Baublockaden mit Löchern und Losung).

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