Türkische Propaganda und Bombardierung von Sindschar

Türkische Patrouille ist bei Kobane nicht willkommen. Bild: NPA

Bei Kobane stießen die türkischen Fahrzeuge der ersten russisch-türkischen Patrouille auf Protest, Erdogan kritisiert USA und Russland, die Abkommen nicht einzuhalten

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Mit einer kaum glaublichen Dreistigkeit wird türkische Propaganda wieder für die Invasion in Nordsyrien betrieben. Die in der Türkei nun wirklich gleichgeschaltete Presse ist nur noch dazu da, die Regierungs-Fake-News zu verbreiten. Gestern erklärte das türkische Verteidigungsministerium, Soldaten hätten an die "notleidende Bevölkerung" humanitäre Hilfe verteilt, die man von der "Unterdrückung und Verfolgung der Terrororganisation YPG/PKK befreit" habe.

Medien wiederholen nur, wenn das Ministerium sagt: "Unser Kampf richtet sich nur gegen Terroristen", wobei der Kampf mit der Hilfe von islamistischen Milizen ausgeführt wird. Über die spricht man auch offiziell in der Regierung nicht gerne, sondern benutzt sie für die dreckige Arbeit. Auch das Mantra der Regierung wird nur wiederholt, dass die Invasion, als "Operation Friedensquelle" bezeichnet, die türkischen Grenzen sichern, der sicheren Rückkehr der syrischen Flüchtlinge dienen und auch zynischer Weise ausgerechnet die territoriale Integrität Syriens sicherstellen soll.

Im Hinblick darauf entlarvt sich alles Gerede über die Nato als Wertegemeinschaft, die vorgibt, auch gegen Desinformation zu kämpfen. Die Nato spielt, um die Türkei im Lager zu halten, die türkische Propaganda mit und macht sich auch zu deren Lautsprecher, wenn die berechtigten Sicherheitsbedürfnisse der Türkei und der Einmarsch gerechtfertigt werden, aber Nato-Generalsekretär Gerhard Stoltenberg beim Besuch des türkischen Außenministers Mevlüt Çavuşoğlu kein Wort über den völkerrechtswidrigen Angriffskrieg verlor, sich umständlich vor einer Antwort drückte, als er gefragt wurde, ob die YPG eine Terrororganisation sei, mit der schließlich amerikanische, französische und britische Truppen kooperierten, weder den Einsatz der dschihadistischen Milizen noch die geplante ethnische Vertreibung ansprach und sich letztlich hinter die Absicht der türkischen Regierung stellte, Teile Nordsyriens militärisch zu annektieren, ohne die lokale Bevölkerung zu fragen. Man muss sich natürlich fragen, wie man jetzt noch im Westen die Sanktionen gegen Russland wegen der Krim rechtfertigen kann.

Türkei bombardiert Sindschar

Jetzt hat die Türkei zwei Tage hintereinander Dörfer im Sindschar in Nordirak bombardiert . Dort leben vorwiegend Jesiden. 2014 waren vor den anrückenden IS-Horden zuerst die Peschmerga und schließlich Tausende Jesiden geflohen. YPG-Einheiten stellten sich dem IS entgegen und ermöglichten den Menschen mit der Hilfe des US-Militärs die Flucht nach Syrien. Viele Jesiden waren vom IS getötet und Frauen als Sklavinnen in Gefangenschaft gehalten worden. 2015 wurden durch kurdische Verbände der Peschmerga, der YPG und der PKK und der YBS der Jesiden die Stadt Sindschar befreit. Die Türkei rechtfertigt die Angriffe mit der angeblichen Anwesenheit von PKK-Kämpfern, Bewohner berichten, die Luftangriffe und Angriffe der türkischen Milizen würden die dort Lebenden vertreiben. Die türkischen Angriffe hätten sich allerdings gegen einen Stützpunkt der jesidischen Miliz YBS gerichtet.

Sindschar ist umstritten zwischen der irakischen Regierung und der Autonomen Region Kurdistan (KRG). Nechirvan Barzani, Präsident der KRG, machte am Dienstag wieder einmal das schwierige Verhältnis der Kurden unter sich deutlich. Er warf den syrischen Kurden - "unseren Freunden" - vor, sich nicht genügend von der PKK distanziert zu haben, wodurch er die türkische Invasion rechtfertigte. Man habe immer gesagt, dass die türkischen Sorgen eine große Gefahr seien. Die Türken hätten kein Problem mit den Kurden in Syrien, nur mit der PKK. Jetzt würden sie die Folgen einer "falschen Politik" erleiden. Allerdings sei die Situation für die Kurden "traurig", die SDF sollten weiter mit Damaskus sprechen. In der KRG mehrt sich das Misstrauen, schließlich könnten sich die türkischen Expansionsgelüste nach Sindschar auf das Gebiet der irakischen Kurden richten.

Kämpfe in Nordsyrien

Gestern gab es auch die erste russisch-türkische Patrouille an der Grenze östlich von Kobani. In Kobane (Ain al-Arab) - die Stadt wurde zum Symbol für den kurdischen Widerstand gegen den IS und die Positionierung der Türkei auf der Seite der Islamisten - sind syrische und russische Verbände eingezogen. Unklar ist, ob sie bleiben werden und vor allem, ob sie die Stadt vor der türkischen Armee und ihren islamistischen Milizen schützen werden.

Besetzt haben die Türken bislang Sari Kani (Ras al-Ain) und Gire Spi (Tal Abyad), in der Umgebung der Städte wird aber noch gekämpft, so kam es angeblich zu heftigen Kämpfen zwischen den türkischen islamistischen Milizen und den SDF westlich von Gire Spi und östlich von Ras al Ain sowie an der Schnellstraße M4. Zwischen den Städten erstreckt sich die mit Russland vereinbarte Besatzungszone, die von der Türkei "Sicherheitszone" genannt wird. Offensichtlich wollen die Milizen das Gebiet vergrößern und die Schnellstraße unter ihre Kontrolle bringen, die Kobani und Cizîrê verbindet. Allerdings sind in Ain Issa russische Panzer und andere Militärfahrzeuge eingerückt. Dort soll zwischen dem russischem Militär und den SDF ein Koordinationszentrum eingerichtet werden.

Die türkischen Fahrzeuge der Patrouille stießen auf Widerstand der Bevölkerung. Wie auf Videos zu sehen ist, warfen Kinder, Frauen und Männer Steine und Eier auf die gepanzerten Fahrzeuge. Das türkische Verteidigungsministerium berichtet davon nichts, sondern nur vom Erfolg der Patrouille.

Mittlerweile wird es für Erdogan schwieriger, die USA und Russland gegeneinander auszuspielen. So beklagte er sich, dass die YPG nicht von dem vereinbarten Gebiet ganz abgezogen seien. Zudem patrouillieren US-Soldaten weiterhin mit den SDF, also nach Erdogan mit einer terroristischen Organisation. Gleichzeitig gibt es aber auch Schwierigkeiten mit den Russen. Die YPG habe auch Tell Rifaat und Manbidsch nicht verlassen. Beide Städte werden jetzt von russischer Militärpolizei und syrischen Verbänden kontrolliert.

Erdogan sieht eine Verletzung des Abkommens mit Russland. Wie weit Erdogan die islamistischen Milizen noch unter Kontrolle hat, ist auch zweifelhaft (Islamistische Milizen: Erdogan ist auf der Seite der "Revolution"). Zwischen ihnen und syrischen Soldaten kam es schon mehrmals zu Gefechten. Als die Türkei syrische Soldaten, die von den Milizen gefangengenommen wurden, wieder freiließ, kam es zu Protesten gegen die Türkei.

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