Auf-Reagan über Heiko Maas

Heiko Maas. Bild: Olaf Kosinsky/ CC BY-SA 3.0 DE

Deutscher Außenminister huldigt USA nicht ausreichend

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Derzeit haben im politischen Berlin viele den Kaffee auf, weil Außenminister Heiko Maas die Verdienste des US-Präsidenten Ronald Reagan um die deutsche Wiedervereinigung nicht gepriesen habe. Diplomat Richard Grenell retweetete einen Tweet des Generals Hodges, der dies für Maas nachholte. Für das deutschsprachige Publikum soll hier ebenfalls eine angemessene Würdigung Reagans erfolgen.

Um die Lebensleistung von Reagans Sicherheitspolitik fair zu beurteilen, muss man ihn an seinen Fähigkeiten messen. Auf diesem Gebiet war Reagans Interesse anfangs eher gering. So besuchte er nach seiner Wahl den Nationalen Sicherheitsrat, fragte, ob die Herren noch Drinks wollten, und ward dort nie wieder gesehen. Wie Seymour Hersh dieses Jahr berichtete, soll Reagan nicht einmal bekannt gewesen sein, dass auf den US-U-Booten nukleare Interkontinentalraketen stationiert waren. Statt den überflüssigen Kalten Krieg zu beenden, beendete Reagan lieber die Abrüstung. Aus Reagans Star Wars-Programm, der Stationierung der Pershing II und seiner Freundschaft zu Nuklearkriegsplaner General Lyman Lemnitzer schlossen manche, dass Reagan als Feldherr des Dritten Weltkriegs in die Geschichtsbücher eingehen wollte.

Reagan erklärte Russland zum "Reich des Bösen", mit dem es keine Koexistenz geben könne, und provozierte so lange, dass es 1983 beinahe zum Atomkrieg aus Versehen gekommen wäre (Um Haaresbreite). Wäre Deutschland dementsprechend nuklear zusammengeschmolzen worden, müsste Grenell in seiner Berliner US-Botschaft die Wiedervereinigung in einem Astronautenanzug feiern.

Doch am 05.11.1983 kam Reagan dann doch noch die Erkenntnis, dass so ein Atomkrieg wohl keine so gute Idee sei. Diese Einsicht gewann Reagan bei einer Privatvorführung des (noch bei weitem zu optimistischen) Spielfilms The Day After. Was in Deutschland jedem Schulkind bekannt war, holte der mächtigste Mann der Welt im Kino nach. Dass Reagan dann trotzdem die Pershing II stationierte und damit die Vorwarnzeit auf acht Minuten verkürzte, steht auf einem anderen Blatt. Ebenso die Tatsache, dass Reagan und Thatcher ihre nachträglich gewonnene Kenntnis der sowjetischen Kriegsangst von 1983 dem deutschen Bündnispartner verschwiegen.

Doch will man die Verdienste Washingtons um die Wiedervereinigung seriös beurteilen, kann man das nicht an der Person von Reagan festmachen, sondern muss zu Beginn des Kalten Kriegs einsteigen. Die Wiedervereinigung hätte es nämlich nicht gegeben, wäre Deutschland nicht getrennt worden. Insoweit kann man Außenminister John Foster Dulles und dessen Bruder, den CIA-Direktor Allen Welsh Dulles, nicht oft genug erwähnen. Doch das in deutschen Medien vorherrschende Narrativ blendet hässliche Amerikaner lieber vornehm aus (Auf den Hund gekommen).

So täte auch Heiko Maas gut daran, sich den Regeln der Diplomatie zu fügen und lieber nach patriotischen Gemeinsamkeiten zu suchen und lieb gewonnene Ritualen zu huldigen. Denn schließlich verfügt das Gastland auf deutschem Boden noch über reichlich Truppen, Atombomben und Spionagezentren, und pflegt auch heute noch, missliebige Länder zu bombardieren. Vielleicht sollte Maas das Vorbild Reagans ehren und Grenell mal einfach nett zum Videoabend einladen. Da könnte man sich dann alte Filme von Reagan ansehen, etwa Sabotageauftrag Berlin.

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Von Markus Kompa ist das Telepolis-eBook erschienen: "Cold War Leaks. Geheimnisvolles und Geheimdienstliches aus dem Kalten Krieg".