Der spanische Rechtsruck bei den Wahlen am Sonntag

Vox-Vorsitzender Santiago Abascal Conde. Bild: VOX Valencia/gemeinfrei

Von der Volkspartei (PP) über die Ciudadanos (Cs) zur rechtsextremen VOX

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Eine Partei sorgt in Spanien vor den vierten Wahlen in nur vier Jahren für Furore: die rechtsextreme Vox von Santiago Abascal. Ihr werden bei den zweiten Parlamentswahlen am Sonntag neue Rekordergebnisse vorhergesagt. Sie macht aus ihrer faschistisch-franquistischen Gesinnung keinerlei Hehl, gehört aber zu den Formationen, die dem spanischen Zweiparteiensystem aus Sozialdemokraten (PSOE) und der rechten Volkspartei (PP) den definitiven Todesstoß verpasst haben.

Vox ist, wie die rechts-neoliberale Ciudadanos-Partei (Cs) aber nur eine Reaktion von rechts auf die linke Empörten-Bewegung und die aus ihr hervorgegangene Podemos-Partei. Die hatte sich, seit dem Achtungserfolg bei den Europawahlen 2014 auf die Fahnen geschrieben, das nach der Franco-Diktatur errichtete "Regime von 1978" zu stürzen. Sie wollte die Republik wieder aufbauen und damit auch die Monarchie beenden.

Die hatte Franco restauriert und den König als Nachfolger als Staats- und Militärchef eingesetzt. Da sie bei Wahlen sogar über 21% der Stimmen erhielt, musste eine Gegenbewegung her, die aus dubiosen Quellen finanziert wird. So hat sich Vox über die iranische Volksmudschahedin (MEK) finanziert, die lange auf Terrorlisten stand.

Rückwartsgang einlegen

Vox ist nicht - wie PP und Cs - einer der aggressiven Verteidiger eines "postfaschistischen Spaniens", in dem vom Diktator alles "gut festgezurrt" wurde. Die Ultras wollen den Rückwärtsgang einlegen. Sie wenden sich gegen eine "Diktatur der Progressiven". Größenwahnsinnig meint Vox, Spanien sei die "größte zivilisatorische Leistung der Geschichte". "Spanien, Spanien über alles" würden sie gerne singen. Die Partei bezeichnet sich als "Stimme des lebendigen Spaniens" und will die spanische Identität gegen ihr Verschwinden in einer "Mulitkulti-Lava" verteidigen.

Aus dem Vorwurf, ultrarechts, also rechtsextrem zu sein, macht sie einen Schlachtruf. Sie erklärt mit Blick auf das spanische Wappen, sie sei nicht nur eine Ultra-Partei, sondern sogar "PLUS ULTRA!" Den Sozialdemokraten des geschäftsführenden Ministerpräsidenten Pedro Sánchez wirft Abascal eine "kriminelle Geschichte" vor. Er wies den Vorschlag von PP-Chef Pablo Casado vehement zurück, sich in den Regionen zurückzuziehen, wo ein Vox-Parlamentssitz unmöglich ist. Durch die Aufspaltung der Stimmen könnte der Sitz einer linken Formation zufallen. "Sollen sie sich zurückziehen", erklärt er.

Das Vox sich als Podemos der Ultras sieht, zeigt sich auch daran, dass Abascal seine Reden ausgerechnet in Vistalegre vor mehr als 10.000 Anhängern schwingt. Dort wurde Podemos gegründet und 2017 neu konstituiert. Vox stellt auch Holocaust-Leugner und andere Nazis auf, die die "Unrechtsurteile" in den Nürnberger Prozessen rückgängig machen wollen.

Eigentlich war die Cs von Albert Rivera, mit Unterstützung von Sozialdemokraten, als Podemos von rechts auf den Weg gebracht worden. "Alfonso Guerra, Ex-Vizepräsident der PSOE, hat Rivera mit dem Unternehmer bekannt gemacht, der dann das erste Parteibüro der Cs finanziert hat", erklärte der Faschismus Experte Jordi im Telepolis-Interview. "Ein sozialdemokratischer Regionalfürst hat für die Finanzierung der ersten landesweiten Wahlkampagne der Cs gesorgt", so der Journalist. Die ultranationalistischen "Bürger" haben schließlich als angebliche "liberale" Schwesterpartei der FDP mit ihrem ultranationalistischen Diskurs den Weg für Vox geebnet.

Denn mit der Volkspartei (PP), die einst absolute Parlamentsmehrheiten errang, machten Cs und PP die Vox-Ultras nach ersten Wahlerfolgen sofort zum Bündnispartner. In Deutschland unmöglich, baute die PP-Cs-Koalition in Andalusien sofort auf Vox und kam der Partei sehr weit entgegen. Diese Bündnisse wurden nach den Regionalwahlen im Frühjahr in wichtigen Regionen wie Madrid wiederholt, wo ebenfalls progressive Erfolge der Linken zurückgedreht werden. Damit wurde der sehr gefährliche Diskurs der Partei nicht nur normalisiert, sondern sie erhielt immer kräftigere Sprachrohre.

Radikale Sprößlinge, die die Zwei-Parteien-Vorherrschaft beenden

Der Journalist Borràs hält es für möglich, dass Abascal der Führer ist, auf den die Ultrarechte seit 40 Jahren gewartet hat. Für deren Aufstieg macht er auch Medien zentral mitverantwortlich. "Abascal wird einfach zu Debatten eingeladen, als wäre er ein ganz normaler Politiker, dabei sind die Rechtsextremen real Anti-Demokraten." Da Sánchez keine Linkskoalition schmieden wollte, die auf Stimmen aus Katalonien angewiesen wäre, ist dank seines erratischen Kurses bei den vorgezogenen Neuwahlen nun möglich, dass Vox die Cs-Partei als drittstärkste Kraft ablöst und sie auf den fünften Rang verdrängt. Ausgeschlossen ist damit nicht, dass sich das Modell Andalusien und Madrid auf ganz Spanien ausdehnt.

Denn die Cs, die Sánchez als Koalitionspartner will, sollen auf 8% abstürzen, wie neueste Umfragen zeigen. Damit wird eine PSOE-Cs-Koalition unmöglich, die Sánchez stets angestrebt hat. Die Menschen wählen lieber das Original statt der Kopie.

Vox hat den ultranationalistischen und aggressiven Kurs gegen Katalanen, Basken und Linke nur radikalisiert, den die Cs schon sehr aggressiv vorangetrieben haben. Cs hat mit ihrem klaren Rechtskurs viele Wähler vergrault, einige davon wollen deshalb am Sonntag gar nicht zur Wahl gehen wie David F. Er fühlt sich an der Nase herumgeführt, wollte nie eine Rechtspartei wählen und hatte Cs als eine Partei aus dem Zentrum gewählt, um die Zweiparteien-Vorherrschaft aus Jahrzehnten aufzubrechen. Da er kein Linker ist, ist er nun ohne Wahloption.

Tatsächlich, wie der Faschismus-Experte erklärt, sind auch Cs und VOX nur Sprösslinge der PP, die "von sieben ehemaligen Ministern der Franco-Diktatur gegründet" wurde. Cs-Chef Rivera war einst genauso in der PP, wie der Vox-Chef sie sogar in einem Regionalparlament vertreten hat. Die Arbeit von Journalisten wie Borràs - der immer wieder Faschisten enttarnt und faschistische Strukturen aufdeckt - hatte enthüllt, dass Josep Bosch, ehemaliger Präsident der sogenannten "Katalanischen Zivilgesellschaft" (SCC), unter dem falschem Namen Josep Codina Nazi-Propaganda verbreitet hat.

In dieser, von der identitären Somatemps gegründeten extrem anti-katalanistischen Organisation kommen alle Rechtsparteien wie PP, Cs und Vox nicht nur mit Falangisten und Franquisten zusammen, sondern auch mit prominenten Politikern - Mitglied ist dort auch der ehemalige spanische Außenminister Josep Borrell. Der Mann, der nun Außenbeauftragter der EU ist, hat zentral daran mitgewirkt, dass Positionen wie die von Abascal hoffähig wurden.

Menschen wie Borràs sind natürlich bei den spanischen Nationalisten nicht gut gelitten. Sie müssen längst um ihr Leben fürchten. Borràs, dessen Fotografien gerade für eine Woche im Pixel im Kulturzentrum Gasteig in München zu sehen waren, kann seiner Arbeit nur noch unter strengen Sicherheitsvorkehrungen nachgehen. Er wurde immer wieder angegriffen und erhält Morddrohungen… Beim bisher schwersten Angriff wurde er schwer zusammengeschlagen und der faschistisch motivierte Täter entpuppte sich als spanischer Nationalpolizist.