Französische Umweltministerin: EDF soll über 100 Prozent Erneuerbare nachdenken

Der Chef des Energiekonzerns setzt auf den Bau neuer Reaktoren. Elisabeth Borne betont nun, dass sie als Ministerin die Energiepolitik definiert

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Die französische Umweltministerin Elisabeth Borne hat die französische Elektrizitätsgesellschaft EDF dazu aufgefordert, über Rolle des Stromversorgers in einem Szenario nachzudenken, bei dem die Energie zu 100 Prozent aus Erneuerbaren Energien kommt. Das sei ein Szenario, das noch nicht genügend untersucht wurde, betont Borne.

Im Grunde erwartet man von einer Ministerin, die schon in ihrem offiziellen Titel ("ministre de la transition écologique") den Anspruch einer ökologischen Energiewende trägt, eine solche Aussage. Doch in Frankreich liegen die Dinge besonders. Dort sorgen die AKW für 75 Prozent der Energieversorgung und die Führung der EDF setzt, wie sich in den letzten Wochen zeigte, auf den Bau neuer Reaktoren. Sie versucht dazu, die öffentliche Meinung über das Argument mit dem Treibhausgas-Emissions-Vorteil zu gewinnen.

Mitte Oktober wurde ein Schreiben der Pariser Regierung bekannt, worin sie die EDF auffordert, einen detaillierten Plan zu einem "eventuellen Neubau" von sechs EPR 2-Reaktoren in den nächsten 15 Jahren vorzulegen (Frankreich visiert Neubau von sechs EPR 2-Reaktoren an). Als das Schreiben, verfasst von den beiden Ministern Elisabeth Borne und Bruno Le Maire (Wirtschaft und Finanzen), in der Öffentlichkeit bekannt wurde, gab es heftige Kritik daran.

Kritisiert wurde, dass die Regierung und der Stromversorger offenbar nur ein Zukunftsszenario im Auge hatten, wenn es um die Energieversorgung gehe, offensichtlich, so die Kritiker, stehe die umstrittene Kernkraft im Mittelpunkt der Interessen.

So reagiert der eingangs genannte Vorstoß von Borne, ein weitergefächertes Szenario zu entwickeln, auf diese Kritik, die ja auch auf sie selbst zielte. Die Ministerin fügte ihrer Forderung noch eigens hinzu, dass nicht Jean-Bernard Lévy, der Chef der EDF, für die Energiepolitik zuständig ist, sondern vielmehr die Regierung und im Besonderen sie selbst, die Ministerin, die für Energie zuständig ist, diese definiert".

Machtgerangel und hohe Kosten

Das deutet auf ein Machtgerangel hin und auf unterschiedliche Auffassungen zwischen der Regierung und EDF-Chef Lévy, der im Oktober behauptete, dass "es klar ist, dass Frankreich sich auf den Bau neuer AKW vorbereitet".

Als das oben genannte Schreiben der Minister an die EDF bekannt wurde, blieb allerdings noch unklar, inwieweit die Regierung unter Macron selbst mit einem größeren Interesse hinter den Neubauplänen steht. Als Mehrheitsaktionär (83,7 %) hat die Regierung großen Einfluss auf die EDF. Im Hintergrund hieß es, dass Paris das Know-How für den Bau von modernen Reaktoren weiter pflegen wollte und dass schließlich auch der Export wichtig ist. Dazu kommt, dass der französische Atompark langsam veraltet.

Vorgesehen ist nach dem neuen Energiegesetz, dass bis zum Jahr 2035 ein 50/50-Gleichgewicht zwischen Atomenergie und den Erneuerbaren hergestellt werden soll. Dazu müssten bis 2035 14 Reaktoren stillgelegt werden.

Das große Problem der Reaktorneubauten sind die Kosten, die sich bei den EPR-Reaktoren auftürmen und die Verspätungen. Der EPR-Reaktor in Flamanville sollte nach ursprünglichen Plänen 2012 ans Netz angeschlossen werden, die zuversichtlichsten Schätzungen gehen nun von einer Inbetriebnahme im Jahr 2023 aus. Ursprünglich rechnete man mit Kosten in Höhe von 3,3 Milliarden Euro aus; mittlerweile steht das Budget bei 12,4 Milliarden Euro. Das ist keine Erfolgsgeschichte.

Entsprechend vorsichtig agiert man in Paris nun mit den Neubauplänen. Die Schätzungen der EDF zu den Kosten der sechs neuen EPR 2-Reaktoren liegen bei 46 Milliarden Euro, ein Reaktor würde damit auf zwischen 7,5 und 7,8 Milliarden Euro kommen. Die Erfahrungen mit Flamanville lassen jedoch auch ein Szenario befürchten, das sehr viel mehr Geld kostet. Gut möglich, dass die Ministerin des ökologischen Übergangs auch deshalb Distanz markiert.