Pentagon warnt vor iranischer Aufrüstung durch Russland und China

Gegenwärtige iranische Militärübung "Guardians of Velayat Sky-98". Bild: Tansim News/CC BY 4.0

Ein Bericht des US-Geheimdienst Defense Intelligence Agency und Reaktionen auf die Proteste zeigen, wie über frei drehende Spekulationen und Bedrohungsrhetorik das Bild Irans im "Westen" gestaltet wird

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Im Pentagon macht man sich Sorgen über das Ende des UN-Waffenembargos, das am 18. Oktober 2020 ausläuft. Damit würden dem Land zum ersten Mal seit der Revolution von 1979 die Beschaffung moderner konventioneller Systeme offenstehen, heißt es in einem Bericht des US-Geheimdienstes Defense Intelligence Agency (DIA) zur militärischen Stärke Irans.

Die UN-Sicherheitsratsresolution 1929 verbietet den Nachschub, den Verkauf oder die Übertragung von u.a. "Kampfpanzern, gepanzerten Fahrzeugen, großkalibrigen Artilleriewaffensystemen, Kampfflugzeugen, Kampfhubschraubern, Kriegsschiffen, Raketen oder Raketensysteme an Iran".

Bei der Veröffentlichung des Berichts sagten DIA-Vertreter, dass sich Iran wahrscheinlich neue Kampfflugzeuge und Panzer aus Russland und China beschaffen werde, um alte Panzer, die noch aus Zeiten der Sowjetunion stammen, wie auch alte Flugzeuge zu ersetzen. Schaut man in den 130-seitigen Bericht hinein, so erfährt man, dass bei der iranischen Luftwaffe noch alte US-Kampflugzeuge (U.S. F-4 Phantom) eingesetzt werden. "Iran war Mitte der 1970er Jahre der größte Kunde von US-Rüstung", darunter auch Flugzeuge, ist dort zu lesen und es gehört zu den wenigen Informationen dieses Berichts, die aufmerken lassen, dass er dies in Erinnerung ruft.

Sobald das Embargo beendet sei, wird sich die iranische Luftwaffe wahrscheinlich darum bemühen, russische SU-30 zu besorgen, berichtet al-Monitor vom Pentagon. Wie üblich macht das Aufkommen weiterer Bedrohungen die Schlagzeilen, wenn es um Iran geht. Iran suche noch "eine dominierende Position in der Region", heißt es.

Zwischen Herausstellen der Schwächen und der Warnung vor dem Bedrohungspotential

Im Geheimdienst-Bericht zeigt sich eine ambivalente Einstufung der militärischen Kapazitäten. Zum Beispiel beim Raketenprogramm, das für US-Präsident Anlass für die Aufkündigung der Nuklearvereinbarung (JCPoA) und für sein Drängen auf Nachverhandlungen ist. Zwar stellt der Bericht1 das iranische Raketenprogramm neben der Entwicklung von Drohnen als wichtigste Weiterentwicklung iranischer Waffen dar. Aber zugleich betont man auch die Defizite, mangelnde Treffgenauigkeit - als treffsichere Systeme werden Kurzstreckenraketen genannt "wie die Fateh 110 SRBM und deren Varianten", dagegen wird die Shahab 3 MRBM, die eine größere Reichweite hat, als "generell weniger treffsicher" bezeichnet.

Angesprochen wird auch das Fehlen von Raketen mit einer Reichweite über 3.000 Kilometern und von Interkontinentalraketen ("Iran lacks intermediate-range ballistic missiles (IRBMs) and intercontinental ballistic missiles (ICBMs"). Iran arbeite aber daran, die Treffsicherheit der Raketen mit mittlerer Reichweite - als weiteste werden 2.000 Kilometer von der iranischen Grenze angegeben - zu verbessern, heißt hier die Botschaft, die Argumente für Nachverhandlungen unterstützt. Spekuliert wird darüber, dass Iran auch Interkontinental-Raketen entwickelt.

Nur in einer Nebenbemerkung wird darauf verwiesen, was häufig vonseiten derjenigen geäußert wird, die davor warnen, Fähigkeiten des iranischen Militärs und Verbündeter zu unterschätzen. "Iran könnte es den regionalen Raketenabwehrsystemen mit dem Abschuss von größeren Raketensalvos schwermachen". Eine Zahl der dafür verfügbaren Raketen wird im öffentlich zugänglichen Bericht allerdings nicht genannt. 2

Der Geheimdienst-Bericht oszilliert in seiner Einschätzung zwischen zwei Polen, die auch in der politischen Rhetorik häufig zum Zug kommen. Einerseits wird auf Irans Schwächen verwiesen (nach dem Motto "weniger stark als es von deren Seite dargestellt wird"), gleichzeitig aber auch auf das Bedrohungspotential.

Das Verteidigungsbudget geht zurück

So zeigt der Bericht auf, dass das Verteidigungsbudget Irans nach Jahren der Erhöhung (von 2014 bis 2018) im vergangenen Jahr gesunken ist. 2018 betrug es laut DIA, das sich dabei angeblich auf den Haushalt stützt, der vom Parlament verabschiedet wurde, umgerechnet 20,7 Milliarden Dollar, das entspreche etwa 3,8 Prozent des BIP. Ein Bericht zu den Rüstungsausgaben 2018 von SIPRI zeigt ebenfalls einen Rückgang gegenüber 2017. Iran belegt dort Platz 18, hinter Israel. Saudi-Arabien ist an dritter Stelle hinter den USA und China.

Auch dieser Rückgang stützt zumindest an der Oberfläche die Argumentation Trumps, der den Ausstieg aus dem JCPoA unter anderem damit begründete, dass Iran das Geld, das dem Land durch Vorteile aus der Vereinbarung zukomme, für militärische Aufrüstung nutze. Fehlt das Geld, schlussfolgert seine Rhetorik, so muss sich Iran bei militärischen Ausgaben beschränken. Allerdings räumt der Geheimdienst-Bericht auch ein, dass gerade die Revolutionsgarden über Einnahmequellen verfügen, die im Budget nicht ausgewiesen werden.

Bemerkenswert ist auch eine weitere Zahl des Berichts: Demnach soll Iran in den Jahren 2012 bis 2018 "mehr als 16 Milliarden Dollar an das syrische Regime, die Hizbollah, die Hutis und palästinensische Gruppen gegeben haben".

Hat die Strategie des massiven Drucks nun doch Erfolg?

Woher die Zahl stammt und wie sie sich genau aufschlüsselt, wird nicht erklärt. Angesichts der großen wirtschaftlichen Probleme, die nun in Iran erneut zu Protesten führt, wird in Berichten manchmal herausgestellt, dass die iranische Bevölkerung wütend über diese Zahlungen ist, da das Geld doch besser für die Unterstützung der Iraner im Land verwendet werden soll. Auch das ist Wasser auf den Mühlen der Trump-Administration.

Allerdings datieren die wirtschaftlichen Schwierigkeiten schon länger, durch die Sanktionen, vor allem den Öl-Export betreffend, haben sie sich zugespitzt. Die Entscheidung, die bis dato billigen Treibstoffpreise nicht weiter zu subventionieren, steht, worauf Beobachter aufmerksam machen, im Einklang mit Empfehlungen des IMF. Ob nun aus den Protesten zu folgern ist, wie dies in Washington gemacht wird, dass die US-Strategie des maximalen Drucks gegen Iran doch wirkt?

Die Erfahrung mit der Auswirkung von Protesten in Iran rät zur Vorsicht. Noch jedes Mal wird bei Protesten in Iran der Eindruck erweckt, dass es diesmal der herrschenden Elite an den Kragen geht, dann versanden die Proteste angesichts massiver und repressiver Gegenwehr der Ordnungskräfte - wogegen aber auch in Iran von Gerichten Einspruch erhoben wird - und spielten politisch bald keine Rolle mehr. Genauere Informationen über den Hergang und die politischen Triebkräfte der Proteste, und wie sie sich im politischen System auswirken, fehlen. Auch Mitglieder der iranischen Führung setzen da auf Rhetorik und Propaganda ("Das Ausland ist verantwortlich", "Die Drahtzieher kommen aus anderen Ländern").

Dass iranische Vertreter in ihren Darstellungen auf den Unterschied zwischen Protestierenden und Krawallmachern setzen, unterscheidet sie nicht wesentlich von der Öffentlichkeitsarbeit der französischen Regierung gegenüber der Gelbwesten-Proteste.

Wie auch der vorliegende Bericht der Defense Intelligence Agency zeigt, ist das Bild von Iran nach wie vor stark von Spekulationen geprägt.