Wie die Energiewende sabotiert wird

Kommentar: Die Energiewende ist unumgänglich, wird aber von allen, die an den fossilen Technologien verdienen, erbittert bekämpft

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Gegen die Energiewende agieren nicht nur die Stromversorger und die Atom- und Kohlelobby, sondern auch die Ölkonzerne. Nachdem es den Lobbys nicht möglich war, das EEG zu verhindern, wurde und wird die Strategie verfolgt, den Umstieg auf Ökostrom so teuer wie möglich zu machen und dann aus Kostengründen den Zubau neuer Anlagen zu deckeln.

Gleichzeitig werden die extra hochgetriebenen Ökostromkosten über die EEG-Umlage auf die Strompreise für die Bevölkerung umgelegt und diese damit gegen das EEG und die Energiewende aufgehetzt. Um die Kosten hochzutreiben, werden zwei Mittel genutzt: die absichtliche Erhöhung der Investitionskosten durch zusätzliche, vermeidbare Vorschriften und der Merit-Order-Effekt.

Sinnloses Hochtreiben der Investitionskosten

Für das sinnlose Hochtreiben der Investitionskosten gibt es viele Beispiele. Nehmen wir die offshore-Windparks. In anderen Ländern, z.B. Großbritannien, werden diese relativ nahe an der Küste im flachen Wasser errichtet. Bei uns wurde das per Gesetz aus Landschaftsschutzgründen verboten, weil der Anblick der Windräder die Aussicht störe. Deshalb müssen die deutschen Windparks viel weiter draußen auf offener See errichtet werden. Durch die größeren Wassertiefen und längeren Unterwasserkabel steigen die Investitionskosten dabei auf das Doppelte.

Ähnlich ist es bei den neuen Stromtrassen. Diese sind für die sinnvolle Nutzung des Ökostroms aus Norddeutschland absolut notwendig. Das liegt aber nicht im Interesse der Gegner der Energiewende.

Wenn wir entsprechende Nord-Süd-Stromtrassen hätten, könnten wir den in Norddeutschland zu viel erzeugten Ökostrom in die süddeutschen industriellen Ballungszentren transportieren und dort sinnvoll verbrauchen.

Damit könnte man für den erzeugten Ökostrom ordentliche Erlöse erzielen, wodurch die EEG-Umlage sinken würde. Damit verliert man dann aber ein Hauptargument für die Propaganda gegen die Energiewende. Deshalb hintertreibt man den Bau der Leitungen systematisch. Da der Bau der Leitungen im Bundesbedarfsplangesetz festgeschrieben ist, bietet sich folgende Vorgehensweise an: Man beginnt zunächst eine öffentliche Diskussion über die Pläne.

Ängste schüren und verunsichern

Im Verlauf dieser Diskussion lanciert man dann einige Artikel in die Medien, in denen negative Aspekte des Vorhabens gefunden und Ängste geschürt werden. Irgendjemand wird diese Ängste schon teilen und gegen das Projekt vorgehen. Dann sorgt man dafür, dass darüber in den Medien möglichst viel berichtet wird.

Dadurch werden dann andere Personen verunsichert nach der Methode: Wenn der jetzt schon dagegen kämpft und evtl. sogar vor Gericht klagt, wird schon was dran sein an den Vorwürfen. Ehe ich dann später den Schaden habe, unterstütze ich lieber den Widerstand gegen das Vorhaben. Und schon haben wir Hunderte Nimbys.

Die sinnvollste, einfachste und billigste Variante, die Stromtrassen zu errichten, wäre, sie als Freileitung zu bauen, wie das bei Hochspannungsleitungen seit jeher üblich ist. Aber dagegen wurde mit dem Argument, dass das die Landschaft verschandelt und damit den Fremdenverkehr gefährdet, in Bayern so lange Stimmung gemacht, bis viele Leute um ihre Existenz und den Wert ihrer Grundstücke fürchteten und deshalb gegen das Projekt Front machten.

Dann sah Markus Söder als Interessenvertreter der Großindustrie und echter Populist die Gelegenheit, bei den Lobbyisten und seinen Wählern gleichzeitig zu punkten und verkündete, dass die Stromtrasse nicht durch Bayern gebaut werden darf, sondern doch bitte durch Thüringen und Hessen führen soll. Damit zwang er Bodo Ramelow, sich ebenfalls gegen die Trasse auszusprechen, denn sonst hätte man dem vorgeworfen, die Interessen Thüringens nicht ordentlich zu vertreten.

Das Ganze endete dann vor dem Verwaltungsgericht, wodurch das Projekt erheblich verzögert wurde. Außerdem wurde erreicht, dass große Teile der Leitung als Erdkabel verlegt werden müssen, was etwa das 6-Fache einer Freileitung kostet. Aber das macht ja nichts, die Bundesregierung garantiert ja 6,91 % Rendite auf die Investitionssumme. Da wäre man ja nicht bei Verstand, wenn man bei den Kosten sparen würde. Noch dazu in Zeiten von Niedrigzinszeiten, wo die Investoren ohnehin nicht wissen, wo sie ihr Geld gewinnbringend und sicher anlegen sollen.

Die Strombörse und der Strommarkt

Und damit sich das Ganze für die Energiekonzerne auch wirklich rechnet, wird der in Norddeutschland erzeugte Ökostrom, der im deutschen Netz nicht abtransportiert werden kann und deshalb überschüssig ist, dann zu Schleuderpreisen in die Niederlande und über Polen und Tschechien nach Österreich und in die Schweiz verkauft. Das ist aus Klimaschutzsicht sogar sinnvoll, denn er ersetzt so Strom aus fossilen Brennstoffen. Für die CO2-Bilanz ist es schließlich egal, wo es erzeugt wird.

Allerdings ist es nicht egal, wenn für den erzeugten Strom bewusst keine ordentlichen Preise erzielt werden, sondern an der Strombörse der aktuelle Strompreis ins Minus getrieben wird. Um zu verstehen, wie das geht, muss man wissen, wie der deutsche Strommarkt und die Strombörse funktionieren.

Der größte Teil des in den Grundlastkraftwerken (Atom- und Kohlekraftwerke) erzeugten Stroms wird nicht an der Börse gehandelt, sondern auf Grund von alten Verträgen zu den in diesen festgeschriebenen Preisen an die Energieversorgungsunternehmen (EVU) geliefert, unabhängig von den aktuellen Börsenpreisen. Die Strombörse ist ein Spotmarkt, wo früher nur die benötigte Spitzenlast gehandelt wurde. Dort bestimmten Angebot und Nachfrage den Preis.

Wenn zu wenig Strom im Netz war, stieg der Preis und weitere Erzeuger traten als Anbieter auf, auch wenn sie höhere Produktionskosten hatten. Und wenn zu viel Strom erzeugt wurde, sank der Strompreis und die Erzeuger, die dann keinen Gewinn mehr erwirtschaften konnten, stellten die Stromproduktion ein.

Im Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) steht nun, das die EVU den erzeugten Ökostrom zu gesetzlich festgelegten Preisen (Einspeisungsvergütung) abnehmen müssen. Die Differenz zum aktuellen Strompreis am Spotmarkt können sie sich dann über die EEG-Umlage von allen Stromkunden, die nicht davon befreit sind, zurückholen.

Daraus ergibt sich, dass die EVU an möglichst niedrigen Preisen am Spotmarkt interessiert sind, denn je geringer der Einkaufspreis, desto größer die Gewinnspanne beim Weiterverkauf. Der Extremfall sind negative Preise am Spotmarkt. Diese kommen daher, dass der erzeugte Strom just in time verbraucht werden muss, sonst lassen sich Spannung und Frequenz des Netzes nicht konstant halten und die Netzsteuerung bricht zusammen. Wenn also zu einem Zeitpunkt mehr Strom erzeugt als verbraucht wird, müssen entweder zusätzliche Verbraucher zugeschaltet oder die Stromproduktion gedrosselt werden.

Normalerweise würde die Stromproduktion in dem Moment gedrosselt, wo sie unrentabel wird. Das wird sie aber nicht, da der Verbraucher die EEG-Umlage bezahlen muss, egal wie hoch sie ist. Die Abnehmer im Ausland wissen, dass sie als zusätzliche Verbraucher benötigt werden und lassen sich das durch negative Preise bezahlen. Und die inländischen EVU profitieren mit, denn sie bekommen für den von ihnen abgenommenen Teil des Stromes ja ebenfalls die Differenz zwischen Börsenpreis und Einspeisungsvergütung.

Um diesen Unfug zu beenden, gäbe es ein einfaches Mittel. Man müsste nur die EEG-Umlage deckeln, z.B. im EEG festlegen, dass die EEG-Umlage nicht größer als die Einspeisungsvergütung minus 4 ct/kWh werden darf. Damit wird faktisch ein Mindestpreis für eingespeisten Ökostrom von 4 ct/kWh festgelegt, der nicht unterschritten werden kann. Dieser Preis entspricht etwa den Grenzkosten, zu denen die alten, längst abgeschriebenen Kohlekraftwerke liefern können.

Dann würden die EVU überschüssige Ökostromerzeugung abregeln, wenn der Strompreis an der Börse unter diese 4 Cent fällt. Dafür müssten dann natürlich Entschädigungen in Höhe der entgangenen Einspeisevergütung gezahlt werden. Aber da der meiste - zu dem Zeitpunkt erzeugte - Ökostrom ja eingespeist und mit 4 Cent vergütet wird, wäre die finanzielle Belastung durch die EEG-Umlage trotzdem viel geringer.

Viel sinnvoller wäre natürlich, die Stromnetze schnell ordentlich auszubauen und den Peakstrom für Heizzwecke und zum Laden der E-Autos just in time zu verwenden. Aber daran hat niemand ein Interesse.

Die fossile Lobby würde das Hauptargument ihrer Propaganda gegen das EEG und die Energiewende verlieren, die EVU und die 3000 von der EEG-Umlage befreiten industriellen Großverbraucher (auf die ungefähr die Hälfte unseres industriellen Stromverbrauchs entfällt) bekämen den Ökostrom nicht mehr geschenkt und der Finanzminister profitiert auch von möglichst hohen Strompreisen, denn je höher der Strompreis desto höher die auf den Strom zu entrichtenden Steuern. Die Zeche zahlt wieder mal der Verbraucher.

Aber natürlich ist nur der böse Ökostrom an den hohen Strompreisen in Deutschland schuld.