OPCW-Generaldirektor weist Vorwürfe gegenüber dem Duma-Abschlussbericht zurück

OPCW-Generalversammlung. Bild: OPCW

Auf der OPCW-Jahrestagung gibt es Konflikte über das Investigation and Identification Team, das Verantwortliche für Chemiewaffeneinsätze in Syrien ausmachen soll

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In der Eröffnungsrede zur OPCW-Jahrestagung in Den Haag wies der OPCW-Generaldirektor Fernandon Arias am Montag Zweifel an der Unparteilichkeit der Organisation zurück. Zuletzt hatte WikiLeaks kurz vor der Tagung eine Email eines OPCW-Inspekteurs vom Juni 2018 veröffentlicht, der sich über schwerwiegende Auslassungen der Befunde des Faktenfindungsteams (FFM) in einem überarbeiteten Bericht beschwerte und eine vollständige Veröffentlichung verlangte.

Arias gab keine detaillierten Erklärungen dazu ab, sondern bestätigte das Ergebnis des Abschlussberichts vom März 2019 über den Vorfall am 7. April 2018 in Duma (Douma), dass die vom FFM gesammelten Informationen "plausible Gründe zur Verfügung gestellt haben, dass ein Einsatz einer toxischen Chemikalie als Waffe stattgefunden hat". Er habe wiederholt gesagt, es sei natürlich, dass während einer solchen Untersuchung Einzelne "subjektive Ansichten" äußern. Die Ergebnisse der Untersuchungen müssten aber auf "objektiven Fakten" beruhen. Das Sekretariat habe alle vorgelegten Informationen und geäußerten Ansichten einbezogen. Die Schlussfolgerungen der FFM seien "unparteiisch und professionell".

Der Bericht wurde, so Arias, an das im Juni 2018 nach dem Vorfall in Duma gegründete Investigation and Identification Team (IIT) weitergegeben, das in Syrien sieben Vorfälle mit angeblichem Chemiewaffeneinsatz untersucht. Die Aufgabe des IIT ist die Identifizierung derjenigen, die bei einem Einsatz von Chemiewaffen als "Täter, Organisateure, Unterstützer oder anderweitig beteiligt" waren. Das Sekretariat ist für die Ausführung einer "unabhängigen Untersuchung über einen angeblichen Einsatz mit Blick auf eine Erleichterung der universellen Zuschreibbarkeit aller Chemiewaffenangriffe".

IIT soll also nun an die Stelle des OPCW-UN Joint Investigative Mechanism (JIM) treten, dessen Mandat nach einem Veto Russlands Ende Dezember endete. Moskau bezweifelte die Unparteilichkeit nach dem Bericht über den Vorfall am 4. April 2017 in Khan Scheichun, wo Sarin verwendet worden sein soll. In dem Bericht hieß es, man sei überzeugt, dass die syrische Regierung verantwortlich ist. In Khan Scheichun wurde nur eine Erkundung aus der Ferne durchgeführt, keine Ortsbegehung, in Bodenproben wurde Sarin identifiziert, das "sehr wahrscheinlich" aus den Beständen von Syrien stamme.

Der erste Bericht des IIT soll Anfang des nächsten Jahres veröffentlicht werden. Heute wird über das OPCW-Budget abgestimmt. Russland hat schon damit gedroht, seinen Beitrag zurückzuhalten, falls im Budget Gelder für das IIT vorgesehen sind. Westliche Länder wie die Niederlande haben Gelder für den Trust Fund for Syria Missions gegeben, aus dem das Declaration Assessment Team (DAT), die FFM und Investigation and Identification Team (IIT) finanziert werden. Die Niederlande haben 1 Million US-Dollar dafür gegeben, Norwegen 100.000, Neuseeland 64.000 oder Deutschland eine Million.

Tatort des angeblichen Sarin-Giftgasangriffs auf Khan Scheichun

Moskau beschuldigt die OPCW der Einseitigkeit, man habe den Wunsch nach einem Treffen mit allen OPCW-Inspekteuren der FFM zu Duma grundlos abgelehnt. Die Informationen seitens Damaskus und Moskau seien in dem Bericht ignoriert worden. Russland weist auf die Kritik aus den Reihen der Inspekteure, vor allem auf den Bericht der Courage-Stiftung hin. Das Personal der Missionen käme sowieso aus Ländern, in denen eine anti-syrische Haltung vorherrsche. Stimmen die Vorwürfe gegenüber der OPCW, dann lässt sich die Abwehrhaltung nachvollziehen.

Letztes Jahr hatte Großbritannien den Antrag auf Einrichtung des IIT eingereicht, der von 82 Mitgliedsstaaten befürwortet und von 24 abgelehnt wurde. Russland beschwerte sich, "der Westen" habe großen Druck vor allem auf kleine Länder ausgeübt, um das erweiterte Mandat durchzusetzen. Alexander Schulgin, der russische Vertreter bei der OPCW, sagte: "Unsere westlichen Partner haben offensichtlich nicht nach den Regeln gespielt und einen beispiellosen Druck auf andere Länder ausgeübt. Die Diplomaten der Länder, die Großbritannien unterstützten, kamen massenhaft in die Außenministerien verschiedener Länder und übten Druck aus. Uns sind sogar Fälle bekannt, bei denen unsere nächsten Verbündeten unverhohlen erpresst wurden." (Auf einer Sondersitzung der OPCW hat sich die britische Vorlage durchgesetzt) Kritikpunkt ist u.a., dass das IIT die Ergebnisse des Duma-Abschlussberichts übernimmt.

In die Auseinandersetzung spielt auch herein, dass ein Team des russischen Geheimdienstes angeblich im April 2018 versucht hatte, das WLAN der OPCW zu hacken. Die Organisation war gerade mit den Untersuchungen zum Skripal-Fall und dem angeblichen Giftgasanschlag in Duma beschäftigt. Der Spionageversuch sei von den niederländischen und britischen Geheimdiensten präventiv gestoppt worden. Nach der Aktion in den Niederlanden habe das Team nach Spiez in die Schweiz fahren wollen, wo sich ein OPCW-Labor befindet.

Russland kritisiert eine "Politisierung" der OPCW und im IIT, das die für den Einsatz von Chemiewaffen Verantwortlichen benennen soll, einen Bruch mit dem CWC-Abkommen. Das sei ausschließlich Aufgabe des UN-Sicherheitsrats. Russland ist gegen die Finanzierung von IIT aus em Budget und beklagt die Intransparenz des Budgets, in dem Finanzierungen "versteckt" würden. Auch China steht dem IIT ablehnend gegenüber.

Streit gibt es auch aufgrund von Anträgen, weitere Substanzen in die OPCW-Listen aufzunehmen. Die USA, Kanada und die Niederlande fordern nach dem Skripal-Anschlag die Aufnahme von 2 Nowitschok-Familien, Russland von vier Familien. Hier scheint es aber eine Einigung geben zu können.

Russland begrüßt zwar die Zulassung von NGOs, lehnt aber die Teilnahme der Weißhelme am OPCW-Treffen ab. "Es gibt Strukturen, die offene Lügen und unbegründete Anschuldigungen gegenüber einigen Teilnehmerstaaten verbreiten, und sie tun dies nicht auf Gewissensbasis, sondern in Erfüllung bestimmter politischer Aufträge und auch nicht umsonst", begründete dies Schulgin. Die Weißhelme hätten sich "mit regelrechtem Betrug und Verbindungen zu terroristischen Gruppierungen im Nahen Osten befleckt". Offensichtlich konnte sich Russland hier durchsetzen.