Respekt und Rente - oder doch nur eine Ente?

"Respektrente" ist das Wort des Jahres für die Gesellschaft für deutsche Sprache. Es soll für die Anerkennung der Lebensleistung stehen.

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Das Wort des Jahres 2019 heißt "Respektrente", meldet die Gesellschaft für deutsche Sprache (GfdS) in Wiesbaden. Das Wort tauchte kurz zu Anfang dieses Jahres auf, um dann wie andere Kreationen der SPD samt Wählergunst in der Versenkung zu verschwinden. Die GfdS-Jury holte es mit einer Begründung aus der Tiefe an die Oberfläche zurück, die atemberaubend ist.

Aus sprachlicher Sicht handelt es sich um die Neubildung eines Hochwertwortes in der politischen Debatte, die der Selbstaufwertung durch Fremdaufwertung dient.

Gesellschaft für deutsche Sprache

Wäre nicht eigentlich "Hochwertwort" das bessere Wort des Jahres? Sein Einsatz hätte einen gewissen Effekt bei Diskussionen, wo ganze Kübel an niedrigen Beschimpfungen ausgeschüttet werden, die Nützlichkeit steht außer Frage, der Zungenbrecher, der darin versteckt ist, könnte zudem für Heiterkeit sorgen, vor allem wenn Alkohol im Spiel ist oder auch ohne, wenn Rage und Eifer die Debatte aufmotzen und keiner mehr zuhört. Man sagt "Hochwertwort" und alles wird still. Das Wort trifft in Zeiten, in denen die Klage über billige Klowandäußerungen und Hetze nicht aufhören will, auf ein Bedürfnis.

Was mit "Selbstaufwertung durch Fremdaufwertung", dem die "Respektrente" dient, gemeint sein könnte, bleibt mehr als ein sprachliches Rätsel. Die Gesellschaft für deutsche Sprache ruft diesmal die Politik zur Hochwertbegründungshilfe, nämlich Heil, den Bundesarbeitsminister. Der wird damit zitiert, dass es bei dem von ihm Respektrente getauften Projekt der Grundrente "nicht ausschließlich um einen Beitrag zur Bekämpfung von Altersarmut" gehe, sondern vor allem um Respekt, die "Anerkennung der Lebensleistung".

Das ist Niedrigwertrhetorik, da den Menschen zuvor mehr Respekt hätte entgegengebracht werden können, wenn sich die SPD mehr für höhere Löhne eingesetzt hätte und nicht etwa für den Ausbau des Niedriglohnsektors wie unter Leitung ihres früheren Kanzlers, der sich seine Respektrente bei einem russischen Energiekonzern besorgt.

Indessen wachsen in Deutschland die Sorgen, dass Nachbesserungen bei "einem der größten Niedriglohnsektoren in Europa" durch erneute Erhöhung des Mindestlohns "Arbeitsplätze gefährdet und auch das Ziel verfehlt". Wie hochwertig ist es, wenn jedes Mal vor einer dräuenden wirtschaftlichen Katastrophe gewarnt wird, sobald es um die Erhöhung des Mindestlohns geht? Selbstaufwertung durch Fremdabwertung ist als politisches Konzept leicht verständlich, weil sehr gebräuchlich.

Die Auswahl für das Wort des Jahres 2019, wie sie sich anhand der 10 Bestplatzierten zeigt, deutet auf eine Krise, alle - bis auf Schaulästige - sind sie so ernst und gehen so tautologisch mit der vorgefundenen Wirklichkeit um, so dass man froh sein kann, dass einem diese Wahl erspart bleibt. Wer an der Sprache und ihrem Witz mag, dass sie der Realität neue Seiten aufzeigt, muss sich woanders hinwenden.