Bystron (AfD) will in den Parteivorstand und startet ein "Mainstream-Aussteiger-Programm"

Von rechts sieht Petr Bystron "sicher" keine Gefahr, mit der Website sollen "die schlimmsten Lügen und Manipulationen der Haltungsredaktionen" aufgedeckt werden

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Die AfD-Aktion "Neutrale Schule" hatte zwar Aufmerksamkeit und Kritik erregt, war aber wohl ein Rohrkrepierer. Auf Webseiten von Landesverbänden wurde und wird dazu aufgerufen, Lehrer zu denunzieren, die sich angeblich im Unterricht nicht neutral verhalten. Der AfD-Abgeordnete Petr Bystron versucht nun wohl, seine Kandidatur für den Parteivorstand mit einer neuen Kampagne gegen die sogenannten Mainstreammedien zu unterlegen. Neben Immigration sind Medien, vor allem die öffentlich-rechtlichen, im rechten Diskurs, der sich auch in Trumps Dauerangriffen auf die "Fake-News-Medien" spiegelt bzw. von diesen befeuert wird, zur "Lügenpresse" geworden. Dazwischen geht die differenzierte Auseinandersetzung baden, die nicht nur gut und böse kennt.

Auf gut und böse versteht sich Bystron. Medien sind für ihn links unterwandert - was allerdings schon eine grobe Verzerrung der Lage ist -, aus welchem Geist diese "Diagnose" kommt, lässt sich gerade in einem Interview erkennen: "Dieses Land krankt an linker Dominanz im öffentlichen Diskurs wie in der Politik. Diese gilt es zu bekämpfen", sagt Bystron. "Die Altachtundsechziger haben Deutschland mit ihrer Denke verpestet. Sie hetzen Arbeitgeber gegen Arbeitnehmer, Frauen gegen Männer, Heteros gegen Homosexuelle auf - nur um sich dann immer auf die Seite der vermeidlich schwächeren Gruppe zu stellen und sich als ihr Beschützer zu stilisieren. Gleichzeitig ziehen sie alles bürgerlich-konservative in den Dreck."

Es wird Bystrons Geheimnis bleiben, warum die Alt-68er ausgerechnet die Arbeitgeber gegen die Arbeitnehmer oder die Heteros gegen die Homosexuellen "aufhetzen" sollten (mal davon abgesehen, was eine "vermeidlich schwächere Gruppe" sein soll, was aber wohl eher auf das Medium zurückgeht). Da spricht vermutlich aus der Verdrehung die AfD-Neigung. Die Orientierung zeigt sich daran, dass man die nationale - oder völkische? - Einheit beschwört, um die herrschenden Eigentumsverhältnisse und die soziale Ungleichheit zu zementieren: "Unser Land leidet an zu viel sozialistischer Umverteilung, zu viel Neid-Diskussionen und zu wenig Nationalstolz, Selbstbewusstsein und Eigeninitiative." Wer hat, der will schließlich auch behalten. Blöd, wer leer ausgeht, der ist selbst schuld und nur neidisch.

Selbst in einem AfD-nahen Medium danach gefragt, ob keine Gefahr von rechts erkennbar sei, antwortet Bystron: "Die Gefahr kommt sicher nicht von 'rechts'." Die AfD soll daher für die Rechten ein "Schutzschild" sein, wozu gehört, "die außerparlamentarische Opposition und die freien Medien" zu unterstützen, wobei hier das entsprechende Adjektiv fehlt, also die APO und die Medien, die auf AfD-Kurs. mithin rechts=bürgerlich, sind.

In diese Kerbe soll seine Kampagne "Mainstream-Aussteiger.de schlagen, die zwar ein Witz ist, aber nichts an Ironie enthält, dafür aber wieder einmal Denunziantentum fördern und wahrscheinlich auch Angst verbreiten soll. Die Website ist von Jimdo, das angeblich die Seite löschte, auf Norplex.de umgezogen. Gesucht werden hier "Mainstream-Aussteiger" in einem "Aussteiger-Programm", das den Whistleblowern, die "die schlimmsten Lügen und Manipulationen der Haltungsredaktionen" einschicken sollen, allerdings nur anbietet, sich "danach besser zu fühlen". Ein Ausstieg würde wohl etwas anderes bedeuten. Bystrons besondere Feinde: "Wollen Sie wieder in den Spiegel schauen können, ohne dabei Georg Restle und Anja Reschke zu sehen?"

Nett ist auch, dass Bystron, der die öffentlich-rechtlichen Medien gerne abklemmen würde, um uns dann wahrscheinlich mit PI News - denen er kürzlich für die "erfolgreiche 'Hetze' für die Wahrheit" gratulierte - oder dem freien "bürgerlichen" Compact, das natürlich bei dem Thema der "Lügenpressler" auch mitmacht, besser versorgen zu können. Die unterdrückten Mitarbeiter der Mainstreammedien will er so ködern: "Sind Sie Journalist geworden, weil ihnen die Wahrheit und die unabhängige Information der Bürger am Herzen liegen? Haben Sie die Nase voll von befristeten Verträgen und Stellenstreichungen?"

Will da also jemand doch einen richtigen Staatsfunk mit vielen Stellen und festen Verträgen schaffen oder privatwirtschaftlichen Medien vorschreiben, wie sie ihr Personal aufzubauen haben. Klar, man darf vieles nicht erst nehmen und Logik ist auch schwierig. Götz Kubitschek hat ja kürzlich schon klar gemacht, was den Rechten und der AfD fehlt: "Eine große Zeitung, der eine große Sender, der sich entschlösse, das alternative Milieu wohlwollend abzubilden und zu Wort kommen zu lassen." (Der AfD fehlen Experten und ein "wohlwollendes" großes Medium)

Von Bystrons Facebook-Seite

Alternative Fakten Deutschland

Und da ist auch noch die Feier der Wahrheit bei Bystron. Für seine Kampagne hat er auch geschrieben: "Das System des öffentlich-rechtlichen Rundfunks wankt. Programmatische Armut und politische Meinungseinfalt führten in den letzten Jahren dazu, dass immer weniger Bürger das Programm der öffentlich-rechtlichen Anstalten sehen und finanzieren wollen." Angeblich würden nur noch 6,5 Prozent der 14- bis 49-Jährigen ARD und ZDF schauen, aber 100 Prozent der 18- bis 49-Jährigen dafür bezahlen müssen.

Dazu wird auf einen Beitrag in SciendeFiles.org verwiesen, in dem angeblich "interne Zahlen eines öffentlich-rechtlichen Senders für ARD und ZDF" aufgeführt werden. Dort heißt es: "Der durchschnittliche Marktanteil beider Sender beträgt 10,6% bei allen Zuschauern bzw. 5,6% bei den 14 bis 49jährigen Zuschauern. Der Marktanteil beider Sender unter den Gebührenzahlern beträgt durchgängig 100%."

Sieht man sich allerdings andere Zahlen für Oktober 2019 an, dann kommen ARD und ZDF bei allen Zuschauern immerhin auf 23,6 Prozent. Noch mehr wird es, wenn man ARD-Dritte einbezieht: + 13,2 Prozent. Übrigbleiben noch ZDFneo und ZDF-info, ARD/ZDF Kinderkanal … (hier die Zahlen für 2018). Die 14-49-Jährigen sind in der Regel tagsüber in der Ausbildung oder in der Arbeit. Daher steigt die Sehbeteiligung ab 18 Uhr steil an. Bei den 14-49-Jährigen sind es um 19 Uhr 17,3 Prozent durchschnittlich an einem Tag 2018 gewesen, an der Spitze um 21 Uhr 28,5 Prozent.

Bild: AGF

Nach ScienceFiles würde der von ihnen präsentierte Marktanteil - offen ist, falls die Daten stimmen, um welchen Tag es sich handeln soll - von einer Studie des Reuters Institute for the Study of Journalism bestätigt, was man allerdings nicht wirklich sagen kann. Da nutzen 66 Prozent der Deutschen Nachrichten wöchentlich von ARD, ZDF und Deutschlandradio offline, bei RTL sind es 29 Prozent. Von den 18- bis 24-Jährigen nutzen zwar weniger die öffentlich-rechtlichen Angebote, aber es sind mit 48 Prozent, also fast der Hälfte, doch ein bisschen mehr als die von Bystron behaupteten 6,5 Prozent, die auch noch die 14-49-Jährigen umfassen sollen.

Bild: Reuters

Bystron vertraut seinen "freien Medien" offenbar. Auf ScienceFiles.org wurde die Auswertung der Frage "Which of the following brands have you used to access news offline/online in the last week?", bei der man bei den Unter-25-Jährigen auf die 48 Prozent stößt, ausgelassen oder "vergessen". Dafür wird auf die Auswertung der Frage "Which of the following brands have you used to access news offline/online in the last week?" verwiesen. Da sind die 18-24-Jährigen mit 7 Prozent tatsächlich kaum zu finden, bei den Über-55-Jährigen hingegen sind es 49 Prozent. Das ist in der Tat schwer zu verstehen, wird aber durch Auslassung nicht richtiger. ScienceFiles ist ein rechtes Onlinemedium, das wenig mit Science zu tun hat und aus dem Umkreis der antifeministischen Männerbewegung kommt.