"Unser Krieg gegen die Natur muss aufhören"

Straße in der spanischen Halbwüste Bardenas Reales. Bild: A1AA1A/CC BY-SA 4.0

Klimakonferenz COP25 in Madrid statt in Chile: Erwartet werden Greenwashing und massive Proteste. Die Politikelite bleibt zunächst fern

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Am heutigen Montag startet die große Show in Madrid, die man "UN-Klimakonferenz" oder auch COP25 nennt. "Time to act" (Zeit zu handeln) ist das Motto der 25. Klimakonferenz.

Viel erwarten darf man von der Konferenz allerdings nicht, auch wenn Delegationen aus fast 200 Staaten daran teilnehmen werden. Denn gehandelt wird bei solchen Treffen eher selten, wie zuletzt am "Aktionsgipfel" sichtbar wurde, den die UNO im September in New York ausgerichtet hatte. Es wurde viel von Aktion gesprochen, passiert ist aber nichts.

Passieren müsste aber schnell und durchgreifend etwas, da die Konzentration von CO2, aber auch von Methan und Lachgas in der Atmosphäre Rekordwerte erreicht hat. Nach Ansicht von Klimaforschern ist die Zeit, in der der Klimawandel noch begrenzt werden kann, nahezu abgelaufen.

Da das Treffen in Madrid stattfindet, passt auf den Ausrichter und das Gastgeberland sehr gut ein spanisches Sprichwort. "Dime de qué presumes y te diré de qué careces" ("Sag mir, mit was du prahlst und ich sage dir, woran es dir fehlt"). So wird aller Wahrscheinlichkeit erneut viel über Aktion gesprochen, aber auch in Madrid kaum etwas geschehen.

Dass wenig von der COP25 Chile/Madrid zu erwarten ist, dafür sorgt schon, dass mit den USA einer der großen Emittenten von Treibhausgasen ohnehin längst aus dem zudem unverbindlichen und nichtssagenden Pariser "Klimaschutzabkommen" ausgestiegen ist. Die US-Regierung schickt nur ein Diplomaten-Team, keine ranghohen Politiker.

Auch von weiteren großen Klimagaserzeugern ist wenig oder gar kein Beitrag zu erwarten, wie Brasilien unter dem Regenwald-Zerstörer Jair Bolsonaro oder Russland, das sich zu einem guten Teil über seine Einnahmen aus dem Öl- und Gasgeschäft finanziert.

Die CO2-Emissionen müssten bis 2050 auf null reduziert werden

Die Chancen dafür, dass endlich gehandelt wird, stehen weiter schlecht. Dem ist man sich offenbar auch in der UN bewusst. Deshalb hat am Tag vor Konferenzbeginn UN-Generalsekretär António Guterres noch einmal mit eindrücklichen Worten gemahnt: "Unser Krieg gegen die Natur muss aufhören." Der Portugiese fügte an: "Wir wissen, dass das möglich ist", kritisierte er die bisherigen Bemühungen um den Klimaschutz als "absolut unzureichend". Er stellt fest, dass es vor allem am politischen Willen mangelt.

Man könne die Natur nicht täuschen, die längst wütend zurückschlage, meint Guterres. Seiner Meinung nach müsse man schlicht damit aufhören, "zu bohren und zu baggern". Stattdessen sollte man "die enormen Möglichkeiten nutzen, die erneuerbare Energien und naturnahe Lösungen bieten", kritisierte er eine verfehlte Energiepolitik. "Wir befinden uns in einem tiefen Klima-Loch und um dort herauszukommen, müssen wir zuerst aufhören weiter zu graben." Während Menschen sterben und ganze Ökosysteme kollabieren, spreche man nur über Geld.

Klar gebe es Kosten, "aber die größten Kosten verursacht, nichts zu tun." Enorme Kosten entstehen längst durch die Subventionierung einer aussterbenden fossilen Brennstoffindustrie. "Billionen" steckten die Regierungen in diese Industrie, "um Hurrikane zu fördern, Tropenkrankheiten zu verbreiten und Konflikte zu verschärfen", meint der UN-Generalsekretär.

Obwohl es nicht so klingt, betonte Guterres, dass er eine "Botschaft der Hoffnung, nicht der Verzweiflung" aussende. Die CO2-Emissionen müssten bis 2050 auf null reduziert werden, um die Erderwärmung nicht über 1,5 Grad anwachsen zu lassen, erinnerte er an das Ziel aus Paris 2015.

Europa: Klimanotstand und "wilde Ziele"

In Europa, wo nun der COP25 stattfindet, da Chile angesichts der massiven Proteste ausgefallen ist, bemüht man gern hochtrabende Worte. Man tut so, als wolle man das von Guterres erneut eingeforderte Klimaziel tatsächlich einhalten, vor allem um der starken Bewegung Fridays for Future Sand in die Augen zu streuen.

So hatte das Europaparlament, nach zahlreichen Regionen und Städten, nun am vergangenen Donnerstag ebenfalls den "Klimanotstand" ausgerufen Im Parlament werden dafür erneut wilde Ziele formuliert, wonach "die CO2-Emissionen bis 2030 um 55%" sinken sollen, "damit Europa bis spätestens 2050 klimaneutral wird".

Schaut man sich dann allerdings an, was in den Mitgliedsländern real unternommen wurde und real passiert, allen voran auch in Deutschland, dann relativiert sich das sehr schnell. Es zeigt sich dann auch, dass im Europaparlament die in Deutschland herrschenden Unionsparteien sogar mit den Leugnern des Klimawandels (AfD) gegen den "Klimanotstand" gestimmt haben, wie Martin Sonneborn berichtet.

Die deutschen Sozialdemokraten haben zwar für die Ausrufung des Notstands gestimmt, bleiben aber weiter in der der Regierung mit den Unionsparteien, die effektiv jedenfalls nicht viel gegen den Klimanotstand zu unternehmen gedenkt. Entsprechend fiel auch das sogenannte "Klimapaket" der Bundesregierung aus, dass man eher als "Paketchen" mit modernem Ablasshandel bezeichnen kann.

Beschlossen wurde eher ein Ausstieg aus der klimafreundlichen Windenergie, als ein Ausstieg aus der klimaschädlichen Kohleverstromung, wie Telepolis analysiert hat. Das ist also der Klimaschutzbeitrag eines reichen Deutschlands, das bei einem Anteil von etwa 1% der Weltbevölkerung für etwa 2% der ausgestoßenen Treibhausgase verantwortlich ist.

Ambitionierte Ziele in China und Indien

Interessant ist dagegen, dass sich offenbar andere große Emittenten, die allerdings deutlich ärmer sind, anscheinend ambitionierte Ziele setzen wollen - wie China und Indien. Die chinesische Regierung habe sich im Gespräch mit dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron kürzlich darauf eingelassen, bis 2020 das Klimaziel für 2030 zu überprüfen. Die Frage ist, ob der größte Kohleförderer weltweit deutlich schneller als bisher erwartet aus der Kohle aussteigt.

Das wäre zentral dafür, die bisher gesetzten Klimaziele einhalten zu können. Denn in China gehen immer neue Kohlekraftwerke ans Netz und bisher ist ein weiterer Ausbau von Kohlekapazitäten geplant. Über 1.000 Gigawatt sind schon installiert, die Hälfte der gesamten installierten Leistung weltweit.

Allerdings ist China auch der größte Erzeuger von Solar- und Windanlagen. Der Ausbau von erneuerbaren Energien wird längst subventioniert und Solar- und Windanlagen liefern längst Strom zum gleichen Preis wie Kohlekraftwerke. China erfreut sich auch einer schnell wachsenden Elektromobilität, betreibt Pilotprojekte zu Wasserstoffnutzung und Brennstoffzellentechnik und hat innovative Technik für Stromtransporte längst installiert.

Auch Indien baut seine Stromerzeugung über Kohle weiter aus, allerdings wird auch dort massiv die Stromversorgung mit Wind- und Solarenergie gefördert. Doch setzt man auch in Indien weiter stark auf Atomkraft, um den Energiehunger zu decken und der massiven Luftverschmutzung zu begegnen. Etliche indische Städte ersticken regelrecht im Smog.

Die Werte sprengen alle bekannten Standards der Weltgesundheitsorganisation (WHO). 14 der 20 Städte mit der schlechtesten Luft weltweit finden sich in Indien. Jedes Jahr sollen geschätzt 1,2 Millionen Menschen an Folgen der Luftverschmutzung sterben. Bis 2030 will Indien deshalb 21 neue Atomkraftwerke bauen, von denen sich derzeit 7 im Bau befinden.

Politikelite bleibt dem Konferenzbeginn fern

Wie bedeutsam man in Europa und in anderen Industriestaaten diese Konferenz nimmt, zeigt sich schon daran, dass praktisch die gesamte Politelite dem Start der Konferenz in Madrid nicht beiwohnen wird. Die Liste der anwesenden Staats- und Regierungschefs wird von Xavier Espot angeführt, der immerhin Regierungschef des Zwergstaates Andorra ist. Auf dem zweiten Platz findet sich der abgewählte Präsident von Argentinien. Mauricio Macri nutzt die Chance noch einmal für einen Europabesuch, bevor er am 9. Dezember die Regierung an Alberto Fernández abgeben abgeben muss.

An dritter Stelle steht Alexander van der Bellen, womit wenigstens der Bundespräsident Österreichs zeigt, dass ihm das Klima etwas bedeutet. Kein Regierungschef und keine Regierungschefin eines großen EU-Landes nimmt teil. Ohnehin umfasst die komplette Liste der Staats- oder Regierungschef nur 41 Namen. Nicht einmal der geschäftsführende spanische Regierungschef Pedro Sánchez ist gelistet, der sich weiter verzweifelt darum bemüht, irgendwie eine Regierungsmehrheit zu bekommen. Die Präsidentschaft der Konferenz liegt ohnehin weiter in den Händen Chilenen.

Bei der chilenischen Konferenz in Spanien könnte das Gastgeberland eigentlich als Beispiel dafür dienen, wie man es besser nicht macht. Schaut man sich den Ausstoß der Treibhausgase an, dann sieht es in dem Sonnen- und Windland mehr als traurig aus. Sie steigen und steigen, bestenfalls sorgen Wirtschaftskrisen für einen kurzzeitigen Einbruch oder statistische Neuberechnungen, wie eine Statistik des Netzbetreibers REE zeigt.

Zwischen 2015 und 2018 sind die direkten Emissionen von 33.662 Tonnen CO2-Äquivalent auf 39.272 gestiegen. Zwischenzeitlich soll der Wert sogar 2017 auf knapp 29.000 gesunken sein, womit der Ausstoß im vergangenen Jahr allerdings enorm gestiegen sein müsste.

Emission von Treibhausgasen in Spanien

Spanien gehört seit vielen Jahren zu den Klimasündern und hatte sich von den Vorgaben aus dem Kyoto-Protokoll stets besonders weit entfernt. In keinem anderen EU-Land hat der CO2-Ausstoß so zugenommen wie hier. 2017 waren es fast 18% mehr als im Referenzjahr 1990, während im europäischen Durchschnitt der Ausstoß im gleichen Zeitraum um gut 23% abgenommen hat.

Da, wie oben aufgezeigt, 2017 nach Angaben der spanischen Statistiker sogar ein besonders gutes Jahr war, in dem der CO2-Ausstoß sogar zurückgegangen sein solle, sieht es nach der starken Zunahme 2018 nun wieder finster aus.