UN: 2020 wird für Millionen Menschen "problematisch"

F-15C-Jets der saudischen Luftwaffe. Bild: Saudi88hawk/CC BY-SA 4.0

Das OCHA braucht 29 Milliarden US-Dollar für die Hilfe von Notleidenden in Kriegs- und Krisengebieten. Die Empörung in einem Diskussionsforum richtet sich gegen die Überbevölkerung in afrikanischen Ländern und Hilfsorganisationen

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Das kommende Jahr 2020 wird für Millionen Menschen problematisch, so die "grausame Wahrheit", die Mark Lowcock heute verkündete. Lowcock ist Koordinator für Soforthilfe, Chef der OCHA (Amt der Vereinten Nationen für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten). Die UN-Hilfsorganisation macht heute mit einer breit angelegten Medieninitiative auf die Hilfsbedürftigkeit von weit über 100 Millionen Menschen aufmerksam, die in Not geraten sind oder wahrscheinlich in Not geraten.

In diesem Jahr hätten mehr Menschen als zuvor prognostiziert humanitäre Hilfe benötigt, "hauptsächlich wegen Konflikten und Naturkatastrophen", so die UN-Presseerklärung zum Global Humanitarian Overview (ausführlicher Bericht hier). Es ist kurz vor Weihnachten, man appelliert an die globale Spendenbereitschaft, wie die Überschrift der Presseerklärung mit einer interessanten Sprachregelung für Spenden verdeutlicht: "Die Vereinten Nationen rufen die Weltgemeinschaft auf, 29 Milliarden US-Dollar im Jahr 2020 in die Menschheit zu investieren."

Ein Blick in die Daten für die geschätzten Hilfsanforderungen für 2020 weist beinahe auf "Heller und Pfennig" genau die benötigte Summe von 28.800.890.209 Millionen US-Dollar aus. Auch die Zahl der Menschen, die für 2020 als notleidend ("people in need") ausgewiesen werden, wird bis in die Einerstelle genau beziffert: 167 Millionen 617 Tausend 275 Menschen.

Der Jemen, der Kongo und Syrien

108.806.264 Menschen weltweit werden für das nächste Jahr als Hilfsempfänger notiert, mit denen offensichtlich fest gerechnet wird ("people to receive aid"). Bei den Zahlen der Notleidenden, mit denen wahrscheinlich gerechnet wird, fallen auf: der Jemen mit 24 Millionen, der Kongo mit 15,9 Millionen und Syrien (11 Millionen). Aber auch für Afghanistan, Äthiopien, den Südsudan und Venezuela werden mit 9,3 Millionen, 8 Millionen, 7,5 und 7 Millionen eine immense Zahl an Menschen geschätzt, die nächstes Jahr Not leiden.

Die anfangs genannte Zahl von gut 168 Millionen Hilfsbedürftigen wird von Mark Lowcock als höchste seit dem zweiten Weltkrieg bezeichnet. Die Steigerung erklärt er damit, dass die "Konflikte immer länger und intensiver werden".

Im Tagesschau-Bericht heißt es darüber hinaus, dass für die "trostlose Situation" (Lowcock) bezeichnend sei, dass in Kriegen und bewaffneten Konflikte "immer öfter alle humanitären Regeln" gebrochen würden. Eine Wahrnehmung oder eine Einschätzung, die nicht leicht zu überprüfen ist.

Die Hilfsbedürftigkeit unter Verdacht ....

Anders ist dies der Fall bei den Kommentaren unter dem Tagesschau-Bericht, die ungewöhnlich zahlreich zum Thema "168 Millionen Hilfsbedürftige weltweit" diskutieren. Dort herrscht der Eindruck oder die Wahrnehmung vor, dass die Hilfsbedürftigkeit zu einem großen Teil mit der Überbevölkerung zu tun hat.

Empörung wird auch geäußert über die ständige Geldzahlungen an Länder, die nichts daraus machen, über die Sinnlosigkeit der Zahlungen, weil die Adresse falsch ist ("Die Armutsprobleme Afrikas werden nicht in Europa gelöst") und über den "lukrativen Wirtschaftszweig, der sich da gebildet hat" (gemeint sind offenbar die Hilfsorganisationen, die, was den Respektverlust angeht, vermutlich ähnlich weit unten sind wie Politiker und Journalisten. "Die Zahl der tödlichen Angriffe auf Helfer und medizinisches Personal hat dieses Jahr stark zugenommen, heißt es im Tagesschau-Bericht).

Die Konflikte im Jemen, in Syrien und in Afghanistan, die, wie oben erwähnt, zusammen mit dem Kongo die höchsten Zahlen der Hilfsbedürftigen oder Notleidenden ausmachen, kann man aber nicht mit dem Problem der Überbevölkerung "wegerklären".

...und die Einmischung von Außen ausgeblendet

Zwar spielt der Bevölkerungszuwachs in Syrien mit hinein, da sich die wirtschaftliche Not im Land aufgeschaukelt hatte, nachdem die Regierung Assad von den Familiensubventionen durch die immer größere Zahl der Kinder überfordert war, aber niemand käme auf die Idee, den anderen Faktor, nämlich die Einmischung von außen, die Interessen der Golfstaaten, der Türkei, europäischer Länder, Russlands, Israels und der USA demgegenüber zu relativieren.

Wie groß war die Empörung, als vor einigen Jahren die These kursierte, dass das Klima in Form anhaltender Trockenheiten und damit einhergehende Verarmung ein wichtiger Faktor für die Proteste gegen Baschar al-Assads Regierung Anfang des Jahres 2011 war.

Die Kritik an diesem Aspekt im Mosaik der Erklärungen lief darauf hinaus, dass damit der wichtigste treibende Faktor des Konfliktes ausgeblendet wird. Die kriegerischen Aktionen der syrischen Proxygruppen, die mit Milliarden US-Dollar und Waffen von außen unterstützt wurde, auf die die Herrschaft Regierung in Damaskus mit brutaler Schärfe reagierte.

Ähnliches kann man auch beim Krieg in Jemen feststellen. Die westliche Interessensgemeinschaft, namentlich die USA, Großbritannien und Frankreich, sind mit Rüstung, Waffen, Munition und anderer Unterstützung dabei, die Partner des Westens im Nahen Osten, Saudi-Arabien und die Vereinten Arabischen Emirate, führen dort Krieg. Niemand kann das Leid der Jeminiten mit der Geburtsrate von 3 Kindern pro Frau ernsthaft erklären und den Hunger mit der Heuschreckenplage, die das Land gerade heimsucht. Laut UN wurde die Wirtschaft des Landes durch den Krieg um 20 Jahre zurückgeworfen.

Zwar kommen derzeit aus Oman Signale, wonach es eine "echte Gelegenheit zum Frieden" im Jemen gebe, aber die Angelegenheit bleibt schwierig, da die Vertreter Omans bei ihrer Vermittlung zwischen Saudi-Arabien und Iran nebenbei auch die Schlüsselrolle miteinbeziehen müssen, die US-Präsident Trump einnimmt.

Dem geht es darum, gegenüber Iran Härte zu zeigen, auch wenn es heißt, dass es Unterschiede in der Außendarstellung und in der Hintergrundpolitik gebe. Trump stellt gerne Rechnungen auf, wenn es um Militärbudgets und letztlich auch das Wohlsein der US-Rüstungsindustrie geht. Der beste Waffenverkaufs-Show-Room sind Kriegsschauplätze.