Pentagon reagiert auf Erdoğans Incirlik-Drohung

Luftwaffenstützpunkt Incirlik. Foto: US-Militär

Der türkische Staatspräsident hatte die Amerikaner in einem Fernsehinterview gewarnt, man könne US-Militärbasen auf türkischem Boden schließen und "den Genozid an den Indianern anerkennen"

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Das US-Verteidigungsministerium verlautbarte gestern nach der Drohung des türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdoğan, zwei amerikanischen Militärstützpunkte in seinem Land zu schließen, der "Status" der US-Streitkräfte in der Türkei sei ein "Symbol für unser jahrzehntelanges Engagement, mit unserem NATO-Verbündeten und strategischen Partner Türkei zusammenzuarbeiten und ihn zu verteidigen". Diese "Beziehung" wolle man "bewahren und die Türkei gleichzeitig dazu ermutigen, eine konstruktivere Politik zu verfolgen, was S-400, Syrien und andere Bereiche angeht, in denen es Meinungsverschiedenheiten gibt".

Erdoğan hatte dem türkischen Sender A Haber am Sonntag gesagt, wenn es wegen "Maßnahmen wie Sanktionen […] erforderlich" sei, dann werde die türkische Staatsführung die US-Luftwaffenbasis Incirlik und die amerikanische Radarstation Kürecik schließen. Damit bekräftigte er eine Aussage seines Außenministers Mevlüt Çavuşoğlu, der bereits am Mittwoch angekündigt hatte, das werde im Falle amerikanischer Sanktionen "auf die Tagesordnung kommen".

S-400

Anlass dafür, dass die türkische Staatsführung US-Sanktionen fürchtet, ist ihr Kauf des russischen Raketenabwehrsystem S-400, das im April in Betrieb genommen werden soll (vgl. S-400: Erdogan trotzt den USA und der NATO). Als Grund für ihre Unzufriedenheit damit gab die US-Administration an, dass ein mit viel IT ausgestattetes System wie S-400 Informationen über Kampfflugzeuge sammelt, von denen man nicht möchte, dass sie in die Hände des S-400-Herstellers gelangen.

Um Washington zu beruhigen, hatte Ankara angeboten, S-400 nur dort einzusetzen, wo keine F-35 fliegen. Den Amerikanern reichte das jedoch nicht. Sie argumentierten, das russische Raketenabwehrsystem könne die Verteidigungsfähigkeit des Militärbündnisses aus dem Kalten Krieg schon alleine dadurch beeinträchtigen, dass es mit der IT eines NATO-Landes verbunden wird. Das US-Kompromissangebot, von Sanktionen abzusehen, wenn sich die Türkei verpflichtet, S-400 nach der Lieferung gar nicht zu verwenden, war wiederum dem türkischen Staatspräsidenten zu schlecht.

F-35

Die einzige konkrete Strafe für den Kauf des S-400-Systems ist bislang, dass die USA die Lieferung bestellter F-35-Kampfflugzeuge zurückhalten. Dazu hatte Çavuşoğlu gemeint: "Wenn wir keine F-35 kaufen können, werden wir nach Alternativen suchen - auf dem russischen oder einem anderen Markt." Auf der Moskauer Luft- und Raumfahrtmesse MAKS soll Erdoğan solche Alternativen bereits mit dem russischen Staatspräsdidenten Wladimir Putin debattiert haben (vgl. Nach F-35-Lieferstopp-Strafe: Russen bieten Türkei Kampfflugzeuge an).

Langfristig möchte die Türkei aber ohnehin einen eigenen Kampfjet einsetzen: Turkish Aerospace stellte im Juni auf der internationalen Luftfahrtschau in Le Bourget ein Kunststoffmodell eines neuen Kampfflugzeuges vor, das TF-X heißen, 2028 serienreif sein und dem CEO des Staatsunternehmens nach "das beste Jagdflugzeug in Europa" werden soll (vgl. Deutsch-französisch-spanisches "Luftkampfsystem der Zukunft").

Erdoğan in den Schuhen Karl Mays

Eine weitere Drohung, die Erdoğan in seinem Interview mit A Haber aussprach, bezieht sich auf die Resolution des amerikanischen Repräsentantenhaus und des Senats, den Massenmord an Armeniern im Ersten Weltkrieg offiziell als Genozid einzustufen (vgl. US-Repräsentantenhaus erklärt Massenmord an Armeniern zum Genozid und USA und Libyen: Bad News für Ankara). Hier warnte der türkische Staatspräsident, dessen Volk von Karl May mit den Indianern verglichen wurde, das türkische Parlament könne als Reaktion darauf "den Genozid an den Indianern anerkennen", eine seinen Worten nach "dunkle Seite der US-Geschichte".

Ganz ohne historische Anhaltspunkte wäre so eine Einstufung nicht, da es in der amerikanischen Geschichte nicht nur Strafmaßnahmen nach Gräueltaten von Apachen und Komantschen gab, sondern auch Ereignisse wie das Sand-Creek-Massaker von 1864 (bei dem Soldaten die Geschlechtsteile getöteter Cheyenne sammelten und sie über ihre Sattelknäufe und Hüte stülpten) oder den Indian Removal Act, nach dem zahlreiche Angehörige der "fünf zivilisieren Stämme" (Cherokee, Chickasaw, Choctaw, Creek und Seminolen) beim "Trail of Tears" unter erheblichen Verlusten aus den Südstaaten in das deutlich trockenere spätere Oklahoma umgesiedelt wurden (vgl. Oklahoma City stoppt Rap-Geschichtsunterricht).

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