Hai am Limit

  • Offenbar immun gegen Quecksilber-Vergiftung: der weiße Hai. Bild: Terry Goss/CC BY 2.5

Schon mal "Schillerlocken" gegessen? Fischerei, Meeresverschmutzung, Massentourismus und Klimawandel setzen den Haien zu. Haiflossen werden auch nach Deutschland eingeflogen

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Zehn Prozent des Plastikmülls in den Weltmeeren kommt aus der Fischereiindustrie: Rund 640.000 Tonnen Netze, Bojen, Leinen, Fallen und Körbe, Verpackungen und Klebeband landen jedes Jahr in den Weltmeeren. Das sind sechs Prozent aller eingesetzten Fischernetze, neun Prozent aller Fallen und 29 Prozent aller Langleinen. Hinzu kommen 12 Millionen Tonnen Plastikmüll anderen Ursprungs. So fasst es ein Report von Greenpeace zusammen.

Plastikteile aller Art können für die Tiere zur Falle werden, indem sie sich darin verfangen, schwer verletzen und schließlich ersticken. Besonders heimtückisch ist ausrangiertes Fischereigerät, wie ihn Greenpeace-Taucher in Mount Vema im Südostatlantik fanden. Entstanden durch vulkanische Aktivitäten vor 15 bis 11 Millionen Jahren, erhebt sich der Berg aus 4.600 Meter Tiefe bis 26 Meter unter die Meeresoberfläche.

Vom Wirken des Fischereiverbots

Auf seinen Gipfeln wiegen sich dichte Kelpwälder in der Strömung. Ideale Lebensbedingungen für kalkbildende Algen, Korallen, Gelbschwanzmakrelen, Streifenbrassen, zahlreiche Krebsarten, Korallen und farbenreiche Gorgonien. In den artenreichen marinen Berghängen förderte ein Unterwasserroboter altes weggeworfenes Fischereigerät zutage.

Es stammt aus Zeiten, als Fischer hier noch auf Beutefang gehen durften. Im 20. Jahrhundert gab es auf dem Seeberg riesige Populationen von Tristan-Langusten, deren Larven mit der Meeresströmung von Tristan da Cunha nach Mount Vema gespült worden waren. Bis vor 15 Jahren jagten Fangflotten in den marinen Berghängen des Mount Vema Tristan-Langusten, bis sie zu Beginn der 1980er Jahre am Rande der Ausrottung standen.

Als Wissenschaftler des Greenpeace-Schiffes Arctic Sunrise Fischbestände untersuchten, stellten sie fest, dass der Langusten-Bestand wieder zunimmt. Ohne das Fischereiverbot wäre die Art hier für lange Zeit verloren gewesen, glaubt der Meeresbiologe Thilo Maack.

2007 war von der Südostatlantischen Fischereiorganisation (SEAFO) ein Verbot der Grundfischerei verhängt worden. Die Meere erholen sich, wenn man ihnen Zeit und Raum dafür gibt. Das langjährige Verbot sei ein Beweis dafür, glaubt der Greenpeace-Aktivist.

Hai an der Spitze der Nahrungskette

Von dem Artenreichtum im Unterwassergebirge leben auch große Beutegreifer wie Seevögel Thunfische, aber auch Delfine, Wale und Haie. Vom 20 Zentimeter langen Zwerglaternenhai (Etmopterus perryi) bis zum etwa 14 Meter langen Walhai (Rhincodon typus) gibt es weltweit rund 500 Arten. Sie unterscheiden sich in Lebensweise, Nahrung und Verhalten, aber auch in Gestalt und in Anpassung. Haie sind gut an unterschiedlichste Klimazonen angepasst. Zudem sind ihre Sinnesorgane unterschiedlich gut ausgeprägt. Der Hammerhai zum Beispiel verfügt dank seines breiten Kopfes über besonders gut geschärfte Sinne.

Viele Haiarten leben sowohl in Küstennähe als auch auf hoher See, tauchen aber meist nicht tiefer als 300 Meter. Und sie lassen sich Zeit mit ihrer Fortpflanzung: Die meisten Arten sind erst mit zehn bis zwölf Jahren oder später geschlechtsreif. Der in der Nordsee heimische und stark gefährdete Dornhai ist sogar erst mit 20 bis 25 Jahren geschlechtsreif. Viele Arten haben nur alle zwei bis drei Jahre Nachkommen, mit ein bis dreißig Jungen pro Wurf.

Die Tragezeit variiert je Hai-Art von drei Monaten bis zu zwei Jahren. Während Weiß-, Blau-, Hammer- und Tigerhai voll entwickelte Junge zur Welt bringen, legen Katzenhai-Weibchen nur wenige befruchtete Eier im Wasser ab. Die Embryonen ernähren sich vom Eidotter und werden nur durch eine Hülle geschützt.

Werden Beutegreifer wie Haie in den Meeren ausgerottet, käme es zu einer starken Vermehrung kleinerer Meerestiere, fürchten Wissenschaftler. Das natürliche Gleichgewicht käme durcheinander. Das Artenspektrum würde sich von den Kieselalgen hin zu kleineren Algen verschieben.

Klimawandel bedroht Plankton und Krill

Als Gesundheitspolizisten der Ozeane fressen Haie im Meer treibendes Aas und sorgen somit dafür, dass sich Krankheiten nicht ausbreiten. Zum Beuteschema der meisten Haiarten gehören Robben und Fische. Blauhaie zum Beispiel fressen nahezu alles, was ihnen vor das Maul schwimmt: Makrelen, Heringe, Sardinen, Thunfische, Kopffüßer genauso wie kleinere Haiarten sowie Krill und über Bord geworfene Reste der Fischerei. In ihren Mägen findet sich immer wieder allerlei Unrat, Stiefel, Rettungskissen, Bierdosen.

Der Viertgrößte unter den Haiarten, der Tigerhai, jagt als Einziger auch Meeresschildkröten. Mit seinen Sägezähnen zerknackt er nicht nur deren dicken Panzer, sondern zerkleinert auch Bootsteile in kleine Häppchen. In den Mägen von Tigerhaien fand man neben Plastikteilen, Metall, Küchenabfällen, Autoreifen, Nummernschildern, Stiefeln, Blechdosen, Bällen, Flaschen auch Überreste von Booten.

Phytoplankton wie Kieselalgen steht ganz am Anfang der Nahrungskette Es dient zahlreichen tierischen Organismen im Meer als Nahrung, so auch dem antarktischen Krill, einer etwa sechs Zentimeter große Mini-Garnele. Die winzigen Krebse landen - neben Fischen, Plankton und anderen Kleinstlebewesen - in den Mägen von Walhaien, Riesenhaien und Riesenmaulhaien, die sie mit Hilfe ihrer Kiemen aus dem Wasser filtern.

So filtert ein ausgewachsener Riesenhai etwa 2.000 Tonnen Wasser pro Stunde. Der antarktische Krill versteckt sich tagsüber in den tieferen, dunkleren Wasserschichten vor Räubern. Erst bei Dunkelheit traut er sich nach oben, um die grünlich leuchtenden Kieselalgen von den Meereisschollen abzugrasen.

Doch im sich erwärmenden Meereswasser bricht das schmelzende Eis immer schneller ab: Seit 1950 ist die Biomasse an tierischem oder pflanzlichem Plankton fast um die Hälfte geschrumpft. Verschwinden seine Nahrungsgründe, muss der Krill verhungern. Ohne Krill fehlt die Nahrung für zahlreiche Hai- und Wal-, Robben-, Fisch- und Vogelarten. Alle Meerestiere, die auf Krill angewiesen sind, würden auch von der Speisekarte des Menschen verschwinden.

Der Walhai - ein Allesfresser?

Walhaie fressen neben Plankton offenbar auch Pflanzen und Algen. Zu diesem Schluss kamen Forscher der Universität Tokio, nachdem sie in Gefangenschaft lebende Walhaie einem Gesundheits-Check unterzogen. Sie analysierten die Blut- und Gewebeproben von mehr als einem Dutzend Walhaien.

Zusätzlich nahmen sie Proben von acht Walhaien, die sich vor der Küste Okinawas in Fischernetzen verheddert hatten. Als sie Seetang in den Mägen der Tiere fanden, waren sie überrascht. Nahezu die Hälfte ihrer Nährstoffe bezogen die Tiere aus Pflanzen und Algen. Lange war man davon ausgegangen, dass sich die Tiere fast ausschließlich von tierischem Protein wie Plankton ernähren.

Das Fressen von Planzen könnte Sinn machen, räumt der Leiter des Forschungsteams Alex Wyatt ein. Nämlich dann, wenn Fressgelegenheiten so selten sind, wie die Ergebnisse der Bluttests andeuten. Entweder fanden die Tiere kein Futter oder sie fressen einfach weniger, wenn sie lange Strecken zurücklegen. Walhaie sind auch in der Lage, wochen- oder sogar monatelang zu hungern.

Quecksilber in der Nahrungskette

Haifleisch gilt besonders in Asien immer noch als sehr gesund. Dabei kann der Konsum lebensgefährlich sein. Wie Untersuchungen an verschiedenen Haiarten weltweit zeigten, ist Hai nicht nur mit PCB und Schwermetallen belastet, sondern auch mit Methylquecksilber. Bereits 2005 fanden Wissenschaftler am Institut für Analytische Chemie der Universität Mainz in einem Kilo Haifleisch bis zu 1.400 Mikrogramm Methylquecksilber.

Weiße Haie allerdings sind gegen das Quecksilber offenbar immun, wie Wissenschaftler aus Südafrika und Miami kürzlich feststellten. Das Blut von 43 untersuchten Tieren vor der Küste Südafrikas enthielt eine ungewöhnlich hohe Konzentration an Schwermetallen.

Normalerweise bildet das Immunsystem bei Infektionen und toxischen Substanzen vermehrt weiße Blutzellen aus. Für die Haie traf das nicht zu. Das Gift schien sich auf die Gesundheit der Tiere nicht negativ auszuwirken. Die Tiere scheinen einen physiologischen Schutzmechanismus besitzen, der sie vor Schwermetallen schützt, folgerten die Wissenschaftler daraus.

Dennoch sind die Forscher über den Quecksilber-Fund in den Hai-Mägen alarmiert. Denn je länger die Nahrungskette, desto höher der Gehalt an Methylquecksilber. Haie konsumieren in etwa dieselben Meerestiere wie Menschen. Doch im Gegensatz zu Haien besitzen Menschen keinerlei Schutzmechanismen.

Das Quecksilber überwindet nicht nur die Blut-Hirn-Schranke, sondern auch die Plazenta, wobei es Ungeborene schädigt. Beim Erwachsenen schädigt es sowohl das Nervensystem als auch Nieren und Fruchtbarkeit. Beim Kleinkind stört es die kognitive Entwicklung.

Um die Giftkonzentration zur Hälfte abzubauen, braucht der menschliche Organismus 60 bis 80 Tage. Schwangeren Frauen, Kindern und Jugendlichen rät die Weltgesundheitsorganisation daher ausdrücklich vom Konsum von Hai, Schwertfisch und Thunfisch ab.