Eskalation: USA ermorden mit gezielter Tötung General Soleimani

Der stellvertrende Kommandeur der Revolutionsgarden, Brigadegeneral Mohammad Reza Naqdi forderte die USA auf, aus der gesamten muslimischen Welt abzuziehen oder darauf zu warten, bis die Leichen ihrer Soldaten zurückkehren. Allgemein wird aus dem Iran Rache angekündigt. Bild: Farsnews

Als Reaktion auf die Belagerung der US-Botschaft wurden der Kommandeur der Quds-Brigaden und ein Kommandeur der Al-Haschd asch-Schabi-Milizen mit 10 weiteren Menschen getötet

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US-Außenminister Mike Pompeo veröffentlichte auf seinem Twitter-Account ein Video, das zeigen soll, wie sich eine Gruppe von Menschen vermutlich in Bagdad über die Ermordung von Qassem Soleimani, Kommandeur der iranischen Quds-Brigaden, der Eliteeinheit der Revolutionsgarde, freut. Pompeo interpretiert das so: "Iraker - Iraker - tanzen in der Straße für die Freiheit; sie sind dankbar, dass General Soleimani nicht mehr lebt." Offensichtlich sind es aber nur wenige Menschen, natürlich ist die Präsenz der Iraner im Irak nicht bei allen, vor allem nicht bei den Sunniten, erwünscht. Pompeo suggeriert, dass das US-Militär, das mit einer Reaper-Drohne (anfangs war von einem Kampfhubschrauber die Rede) die Insassen von zwei Fahrzeugen gezielt tötete, die vom Flughafen von Bagdad in die Stadt fuhren, praktisch als verlängerter Arm "der Iraker" handelte.

Zunächst war von amerikanischen Luftangriffen am vergangenen Samstag auf Stellungen der schiitischen Miliz Kata'ib Hezbollah im Irak und in Syrien die Rede, die verantwortlich für einen Raketenangriff am 27. Dezember gemacht wurde, bei dem ein amerikanischer "Contractor" getötet wurde. Die amerikanischen Angriffe, bei denen nicht nur schiitische Milizen, sondern auch irakische Soldaten und Polizisten getötet wurden, führten wiederum zu Protesten vor der amerikanischen Botschaft, die von der US-Regierung als vom Iran gesteuert bezeichnet wurden (Irak: Die nächste Fehleinschätzung der USA).

US-Präsident Donald Trump habe wieder als Reaktion darauf persönlich die Ermordung von Soleimani angeordnet, sagte das Pentagon und fügte an, die Quds-Brigade sei eine Terrororganisation. Neben Mitreisenden und Bodyguards wurde auch der stellvertretende Kommandeur der Al-Haschd asch-Schabi-Milizen, Abu Mahdi al-Muhandis, getötet. Man muss davon ausgehen, dass Soleimani, der als zweitwichtigster und -mächtigster Mann im Iran galt, schon lange im Visier des Pentagon war, da er mit seinen Revolutionsgarden und den schiitischen Milizen zwar im Irak wesentlich beteiligt war an der Niederschlagung des IS, er aber eben auch den Widerstand gegen die amerikanischen Truppen im Irak und in Syrien mitschürte. Er war als Kommandeur gefürchtet, leitete die Auslandseinsätze der Revolutionsgarden im Irak und in Syrien und war eine zentrale Figur der iranischen (Militär)Außenpolitik, die wahrscheinlich von Teheran kaum ersetzbar ist.

Nachträglich dürfte die im April 2018 von Washington erfolgte Aufnahme der Revolutionsgarden als Terrororganisation bereits eine Vorbereitung gewesen sein. Es war schon damals eine Kriegserklärung, einen Teil des Militärs eines Staats als Terrororganisation zu bezeichnen. Der Irak reagierte reziprok und bezeichnete das Centcom, das für die Militäreinsätze im Nahen Osten zuständig ist, als Terrororganisation und die amerikanische Regierung als Terrorunterstützer, so der Oberste Nationale Sicherheitsrat (Trump listet mit den iranischen Revolutionsgarden erstmals eine Streitkraft als Terrororganisation).

Die Einstufung von Soleimani als Chef einer Terrororganisation soll vermutlich dessen gezielte Tötung, also dessen Ermordung mitsamt seiner Begleitpersonen legitimieren. Dazu wird er nun vom Pentagon für zahlreiche Angriffe verantwortlich gemacht:

General Soleimani und seine Quds-Brigade waren für den Tod von Hunderten von Amerikanern und Mitglieder der Koalition und der Verletzung von weiteren Tausenden verantwortlich. Er hatte die Angriffe auf Koalitionsstützpunkte im Irak über die letzten Monate, inklsusive dem Angriff am 27. Dezember, orchestriert, die in dem Tod und in der Verletzung von amerikanischen und irakischen Personal kulminierten. General Soleimani genehmigte auch die Angriffe auf die US-Botschaft in Bagdad diese Woche.

DoD

Das alles dient dazu zu rechtfertigen, Soleimani präventiv zu töten, weil er angeblich weitere Angriffe geplant habe. Versichert wird vom Pentagon, man werde zum Schutz "unserer Leute und unserer Interessen" auf der ganzen Welt die erforderlichen Maßnahmen ergreifen, also auch anderswo mit gezielten Tötungen zuschlagen. Letztlich geht es um die Rechtfertigung eines staatlichen Terrorismus, den die USA praktizieren.

Nancy Pelosi kritisiert das Vorgehen scharf. Es sei zwar höchste Priorität, amerikanische Leben und Interessen zu schützen, aber man dürfe nicht das Leben von Soldaten, Diplomaten und anderen durch provokative und unangemessene Aktionen riskieren:

Die Luftangriffe von heute nacht provozieren eine weitere gefährliche Gewalteskalation. Amerika - und die Welt - können es sich nicht leisten, dass die Spannungen bis zu dem Punkt eskalieren, an dem es keine Rückkehr mehr gibt.

Nancy Pelosi

Vor allem rügt Pelosi, dass die Tötungsaktion ohne Billigung des Kongresses ausgeführt wurde. Es gebe keine Kriegsermächtung (Authorization for Use of Military Force - AUMF) gegen den Iran. Der Kongress müsse sofort über die Situation und die nächsten Schritte informiert werden.

Deutlicher wird Agnès Callamard, die Sonderberichterstatterin für außergerichtliche, standrechtliche oder willkürliche Hinrichtungen der Vereinten Nationen. In einem Tweet schreibt sie:

Die gezielten Tötungen von Qasem Soleiman und Abu Mahdi Al-Muhandis sind höchstwahrscheinlich ungesetzlich und verletzten die internationalen Menschenrechte: Außerhalb des Kontextes von aktiven Feindlichkeiten, ist der Einsatz von Drohnen oder anderen Mitteln zur gezielten Tötung wahrscheinlich fast niemals legal. Um nach den internationalen Menschenrechtsgesetzen gerechtfertigt zu sein, kann absichtlich tödlich oder potentiell tödliche Gewalt nur dann eingesetzt werden, wenn dies strikt notwendig ist, um sich gegen eine unmittelbare Bedrohung des Lebens zu schützen

Agnès Callamard

Der irakische Regierungschef Adil Abdul-Mahdi verurteilte die Tötungen. Sie seien eine offene Aggression, die einen fürchterlichen Krieg auslösen können. Soleimani und al-Muhandis seien die Ikonen des irakischen Siegs über den IS. Die Tötungen seien ein Angriff gegen den Irak und würden die Bedingungen für die Truppenstationierung im Irak verletzen. Im Irak setzte Muqtada al-Sadr seine Milizen in Alarmbereitschaft.

Update: Offenbar lässt sich auch der deutsche Außenminister Heiko Maas für die angeblich "defensive" und keineswegs eskalisierende Tötungsaktion instrumentalisieren. US-Außenminister Pompeo schreibt: "Sprach mit Heiko Maas über '@realDonaldTrumps' Entscheidung, eine defensive Aktion zu unternehmen, um Qassem Soleimani zu eliminieren. Deutschland ist auch besorgt über die fortgesetzten militärischen Provokationen des iranischen Regimes. Die USA bleiben der Deeskalation verpflichtet."