Was bewegte Trump zur Entscheidung, Soleimani zu ermorden?

Bild: Weißes Haus

Ein Grund sollen wieder Bilder gewesen sein, nämlich die der Belagerung der US-Botschaft in Bagdad durch pro-iranische Schiiten

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Mitunter ist ganz interessant, wie Entscheidungen, gerade wenn sie militärische Konflikte auslösen können, zustande kommen. Man wird sich erinnern, dass sich Donald Trump im April 2017 entschieden haben soll, den angeblichen Giftgasangriff in Khan Shaykhun mit dem Abschuss von 59 Tomahawk-Raketen auf einen syrischen Luftwaffenstützpunkt zu beantworten, nachdem er von den White Helmets aufgenommene Bilder von Opfern, vor allem von Kindern und Babys (even beautiful little babies), gesehen hatte (Trump als Kriegsherr: Endlich präsidiabel?).

Auf Bilder soll Trump jetzt auch bei seinem Befehl für den Mordanschlag mittels reagiert haben. Wie die New York Times berichtet, hatten Militärs dem Präsidenten Donald Trump nach dem Beschuss des US-Stützpunkts bei Kirkuk im Irak am 27. Dezember verschiedene Optionen vorgelegt, wie dies üblich ist. Darunter sei auch die eines Mordanschlags auf den al-Quds-Kommandeur Soleimani gewesen. Man schlage dem Präsidenten als Oberbefehlshaber auch immer extreme Optionen vor, um gemäßigtere durchzubringen, darunter seien Angriffe auf mit dem Iran verbundene schiitische Milizen, auf iranische Schiffe oder Raketenfabriken gewesen.

Trump hatte zunächst den Mordanschlag abgelehnt und die auch ausgeführte Bombardierung von Stützpunkten der schiitischen Miliz Kataib Hezbollah beschlossen, aber dann vergangenen Donnerstag nach den Bildern der Proteste vor der belagerten US-Botschaft angeblich die extreme Option gewählt. Eine Rolle könnte der Angriff 2012 auf die US-Botschaft in Libyen gespielt haben, bei der der US-Botschafter getötet wurde und Hillary Clinton als Außenministerin unter Kritik kam. Trump selbst hat die Belagerung der US-Botschaft ins Spiel gebracht, wo nach dem Sturz des von den USA installierten Schahs während der Islamischen Revolution Studenten die US-Botschaft 1979 besetzt und 52 US-Diplomaten bis Anfang 1981 als Geiseln gefangen gehalten haben. Gut möglich, dass Trump solche Demütigungen der amerikanischen Macht für sich um jeden Preis vermeiden wollte. Am Mittwoch soll Pompeo bereits Netanjahu über die bevorstehende Aktion informiert haben.

Die Militärs seien davon überrascht worden, dies auch deswegen, weil die geheimdienstlichen Hinweise auf geplante Anschläge gegen US-Einrichtungen ziemlich dünn gewesen seien. General Mark Milley, Vorsitzende der Joint Chiefs of Staff, also der oberste Militär, sprach zwar von "Tagen, Wochen", meinte aber dann, klar sei ein unspezifisches Planen. Andere sprachen davon, es sei ein Tag wie jeder andere, und die Besuche von Soleimani im Libanon, Syrien und Irak "business as usual". Außenminister Pompeo und Vizepräsident Pence hätten besonders für eine harte Reaktion plädiert.

Auch weiterhin bietet Washington keine Informationen über die angeblich unmittelbar drohenden Angriffspläne an, die Soleimani verfolgt haben soll. Mike Pompeo wiederholte am Dienstag, dass ein Angriff unmittelbar bevorgestanden haben soll, weswegen die Entscheidung Trumps "völlig legal" gewesen sei.

Es werde so viel über die Frage von Information und unmittelbarer Drohung gesprochen, sagte er: "Jedesmal, wenn ein Präsident eine Entscheidung dieser Größenordnung trifft, gibt es keine Vielzahl von Informationen, die ihm vorgelegt werden. Es ist die richtige Entscheidung, wir haben es richtig gemacht, das Verteidigungsministerium leistete ausgezeichnete Arbeit." In einem Interview wird deutlich, dass er zwischen einer unmittelbaren Bedrohung als Grund und einer Beendigung eines jahrelangen Terrors wechselt, wie es gerade passt. Und dabei soll der Raketenangriff auf den amerikanischen Stützpunkt, bei dem ein Amerikaner getötet wurde, von Soleimani selbst "geleitet und orchestriert" worden sein, zudem wird er mehr oder weniger für alles verantwortlich gemacht: "Hundreds of thousands of deaths in Syria, millions displaced in Syria. This was a bad guy, and it was time to take him out."

Pompeo ist wie Trump auch immer gestimmt, Propaganda auszugeben. So twitterte er: "After years of suffering under Soleimani’s brutality, Syrians are finally free to celebrate his demise thanks to @realDonaldTrump’s decisive action. Syrian streets are ringing with shouts of "Soleimani’s gone" and filled with festive sweets." Was so nach ganz Syrien klingt, beschränkt sich auf Idlib, wo sich Islamisten mit türkischer Unterstützung festgesetzt haben. Mit Assads Truppen kämpfende schiitische Milizen sind schlicht Feinde. Trump hat einen Tweet des saudischen Senders al-Arabyia retweeted.

Nach dem Beschluss habe dann das Special Operations Command (SOCOM) Möglichkeiten eruiert, wie man Soleimani töten kann. Das war wohl nicht zu schwer, weil der General ganz offen auftrat und keine Anschläge zu befürchten schien. Man habe Informationen von Informanten, abgehörten Gesprächen, Spionageflugzeugen und anderen Überwachungsmitteln gesammelt und dann entschieden, nach Soleimanis Ankunft am Flughafen zuzuschlagen.

Wenn bei ihm Mitarbeiter der irakischen Regierung gewesen wären, hätte man den Anschlag abgeblasen, sagte eine anonyme Quelle der NYT. Es sei aber eine "clean party" gewesen, da nur Mitglieder der schiitischen Miliz Kataib Hezbollah und ihr Kommandeur Abu Mahdi al-Muhandis präsent sein würden. Trump habe den Mordanschlag um 17 Uhr Ortszeit am Donnertagnachmittag gebilligt. Allerdings ist die schiitische Miliz, seit 2009 von den USA auf die Liste ausländischer Terrorgruppen gesetzt, Mitglied von Al-Haschd asch-Schaʿbī (PMU - Volksmobilmachung) und damit Teil des irakischen Militärs bzw. unter dem Kommando des Regierungschefs.

Unterstützt wird Washington vom israelischen Geheimdienst. Angeblich sei ein Telefongespräch von Soleimani abgehört worden, in dem er schiitischen Milizen befohlen haben soll, die US-Botschaft in Bagdad und andere israelische und amerikanische Ziele anzugreifen. Kurz vor Mitternacht war Soleimani in Bagdad von Damaskus kommend gelandet, kurze Zeit später sollen die beiden Fahrzeuge von einer Predator-Drohne mit Hellfire-Raketen angegriffen worden sein.

Angeblich ist der iranische Geheimdienst auf der Suche nach einem möglichen Maulwurf, der den Amerikanern praktisch in Echtzeit verraten haben könnte, in welchem Fahrzeug Soleimani saß. Da der Anschlag kurz nach dem Verlassen des Flughafens erfolgte, müssen die beiden Drohnen, die von den Amerikanern sicherheitshalber eingesetzt wurden, bereits in der Nähe gelauert haben. Vermutlich kamen die Predator-Drohnen vom amerikanischen Stützpunkt in Katar, was eine Flugzeit von etwa drei Stunden erfordert. Katar hat Verbindungen zum Iran, weswegen das Land von der saudischen Koalition zum Paria gemacht wurde (Konflikt am Golf: Saudi-Arabien will Katar mit einem Kanal zur Insel machen). Das macht die Situation im Golf zudem gespannter. Katars Außenminister ist gleich nach dem Anschlag in den Iran gereist.

Wenn Soleimani 22:30 von Damaskus abgeflogen ist, bleibt die Frage, ob die Amerikaner durch das angeblich abgehörte Gespräch, durch Informationen aus Syrien oder durch einen Spion in der näheren Umgebung Soleimanis Kenntnis von der Ankunftszeit hatten. Allerdings hat sich Soleimani, wie gesagt, nicht darum bemüht, im Geheimen unterwegs zu sein.

Unklar ist auch, was der Zweck des Besuchs von Soleimani im Irak war. Das Treffen mit schiitischen Milizen, zumindest mit Kataib Hezbollah, liegt auf der Hand. Aber der irakische Regierungschef Adil Abdul-Mahdi, der gerade auch das Pentagon mit dem Ankündigungsbrief zum Abzug der US-Truppen in Verlegenheit versetzt, hatte dem irakischen Parlament berichtet, er habe sich mit Soleimani am Morgen des Tages treffen wollen, an dem er ermordet wurde: "Er kam, um mir eine Botschaft aus dem Iran als Antwort auf eine Botschaft zu bringen, die wir von Saudi-Arabien an den Iran übermittelt haben."

Das lässt die Frage entstehen, ob die USA mit dem Mordanschlag eine Annäherung zwischen Saudi-Arabien und Iran verhindern wollten? Eine solche Annäherung wäre nicht abwegig. Saudi-Arabien hat nicht nur Beziehungen zu Moskau, sondern nähert sich auch Damaskus und scheint die Beziehungen zu Katar verbessern zu wollen. Trump versichert: "Had a very good meeting with @kbsalsaud of Saudi Arabia. We discussed Trade, Military, Oil Prices, Security, and Stability in the Middle East!" Aber nachdem sich durch den Angriff auf die Aramco-Ölanlagen gezeigt hatte, dass die USA Saudi-Arabien nicht schützen können, könnte dort ein Umdenken erfolgt sein.