Die USA und die Lizenz zum Töten

MQ-9 Reaper in Kandahar. Bild: DoD

In Afghanistan wurde der Kommandeur einer Taliban-Splittergruppe von einer US-Drohne getötet, es sollen auch viele Zivilisten getötet oder verletzt worden sein

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Die USA haben mit dem Mordanschlag auf General Qasam Soleimani, dem Kommandeur der Quds-Brigaden der Revolutionsgarde, deutlich gemacht, dass Washington in Anspruch nimmt, weltweit diejenigen zu töten, die zu Terroristen erklärt wurden oder die des Terrorismus verdächtigt werden. Dabei werden Begleiter der Person, die mit Drohnen oder verdeckt agierenden Spezialeinheiten exekutiert werden soll, der Einfachheit halber als eine Art Beifang mitgetötet. Im Fall von Soleimani waren es vier Iraner und fünf Iraker, darunter Brigadegeneral Abu Mahdi al-Muhandis, Vizekommandeur der dem irakischen Regierungschef unterstehenden Miliz al-Haschd asch-Schaʿbī und Kommandeur der Kataib Hizbollah, die in zwei Autos von angeblich mehreren Raketen vernichtet wurden. Ob es nur Mitarbeiter oder Leibwächter waren, wie US-Medien sagen, ist unklar.

US-Präsident Donald Trump hat die Devise ausgegeben, dass auf Angehörige von Terrororganisationen, die von den USA eigenmächtig gelistet werden, legitim Anschläge verübt werden können. Im Unterschied zur Tötung von al-Baghdadi waren Soleimani und al-Muhandis allerdings Mitglieder staatlicher Sicherheitskräfte. Washington sieht hier den Tatbestand des staatlichen Terrorismus, der aber auch gegen die USA gewendet werden kann und muss, wenn sie Menschen tötet, ohne dass eine unmittelbare Drohung vorliegt. Dass Soleimani angeblich in den Irak gekommen ist, um Angriffe auf die US-Einrichtungen zu starten, ist bislang nicht belegt, aber auch selbst dann kann man von einer unmittelbaren Bedrohung nicht sprechen, sondern handelt es sich bestenfalls um einen Präventivschlag.

In der Weltöffentlichkeit wird das vor allem von George W. Bush eingeführte und dann von Barack Obama ausgebaute Tötungsprogramm (US-Strategie: Lieber töten, als Gefangene machen) mittlerweile offenbar als gegeben hingenommen. Auffällig ist dann nur die Doppelmoral, wenn etwa empört Russland wegen des Nervengiftanschlags auf Skripal angeklagt wird, auch wenn die "Beweise" dafür, wer der Auftraggeber war, noch recht dünn sind und passenderweise nicht von der britischen Polizei, sondern der dubiosen Bellingcat-Gruppe stammen.

Trump hingegen bekennt sich offen dazu, den Mord an Soleimani - mit dem die Amerikaner übrigens im Irak gegen den IS kooperiert haben - in Auftrag gegeben zu haben. Die übrigen Mitgliedsländer der angeblich werteorientierten Nato finden das offenbar ganz in Ordnung - auch wenn Trump die Zügel noch lockerer gemacht hat und US-Soldaten schützt, die Kriegsverbrechen begangen haben: Die schützende Hand des Präsidenten.

Keine Rücksicht auf Kollateralschaden?

Gerade wurde wieder einmal ein Böser von den USA getötet. Am Mittwoch erlegte eine US-Drohne Mullah Nangyalay, den Kommandeur der von Mullah Rasul geführten, 2015 gegründeten Taliban-Splittergruppe "Hoher Rat des Islamischen Afghanischen Rats", im Distrikt Shindand nahe der iranischen Grenze. Neben 30 Talibankämpfern sollen allerdings bei dem Anschlag um die 60 Zivilisten getötet oder verletzt worden sein, gab Toryalai Tahiri, Vizevorsitzender des Herat-Rats, die Berichte der lokalen Bevölkerung an Tolo News weiter. Andere Berichte gehen von 30-35 getöteten Taliban und 40 getöteten Zivilisten aus. Die Opfer waren Teilnehmer einer Begräbniszeremonie von Mullah Nangyalai. Es heißt aber auch, dass die Rasul-Taliban einen Checkpoint der Regierung angreifen wollten. Hier habe es einen ersten Raketenangriff gegeben, Zivilisten seien hingegen bei einem zweiten Raketenangriff getötet worden, nachdem sie zu den Getöteten gegangen waren.

Die Nato-Mission Resolute Support berichtet auf der Website davon nichts, ein Sprecher erklärte der Nachrichtenagentur AFP nur, es habe einen "defensiven Luftschlag zur Unterstützung der afghanischen Streitkräfte" gegeben.

Es gibt unterschiedliche Darstellungen über den Drohneneinsatz. Nach dem afghanischen Verteidigungsministerium wurde er mit ihm abgesprochen, lokale Offizielle sprechen dagegen von einem Fehler, darunter Abdul Qayoum Rahimi, der Gouverneur von Herat, und General Aminullah Amarkhel, der Polizeichef von Herat. Es sei eine Untersuchung eingeleitet worden.

Der Angriff war auf einem von der Regierung kontrolliertem Gebiet erfolgt. In Tolonews fragt man sich, warum Nangialai getötet wurde, da der Führer der Taliban-Gruppe in Verbindung mit der Regierung stehen soll und überdies gegen Gruppen kämpfte, die dem Taliban-Chef Hibatullah Akhundzada unterstehen. Das wird auch in Stars and Stripes erwähnt. Die Rasul-Gruppe soll im Sommer einen Anschlagsversuch ausgeführt haben, um Hibatullah in einer Moschee in der Nähe von Quetta zu töten, was aber nicht gelang.

Seit einiger Zeit führen die Amerikaner Friedensgespräche mit den Taliban. Trump hatte sie im September nach einigen Anschlägen der Taliban eingestellt, sie wurden aber Ende Dezember wieder aufgenommen. Auf der anderen Seite wird gesagt, Nangialai sei in letzter Zeit unter iranischen Einfluss gekommen.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

Mit Ihrer Zustimmmung wird hier eine externe Buchempfehlung (Amazon Affiliates) geladen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen (Amazon Affiliates) übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.