Sci-hub = Spy-Hub?

Phishing-Verdacht gegen die Schattenbibliothek

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Wieder einmal drohen der Schattenbibliothek Sci-Hub, die kostenpflichtige Verlagspublikationen wissenschaftlicher Art unter Umgehung des Copyrights kostenlos verbreitet, juristische Widrigkeiten. Bereits 2017 gestand ein New Yorker Gericht Elsevier, neben Wiley und Springer Nature einer der drei größten Wissenschaftsverlage, 15 Millionen US-Dollar Schadensersatz für Urheberrechtsverletzungen zu, basierend auf einer durch Elsevier dem Gericht vorgelegten Liste von 100 Artikeln, die von den Schattenbibliotheken Sci-Hub und LibGen illegal zur Verfügung gestellt wurden. Dieses und andere Urteile ließen sich jedoch mangels Zugriffes auf Sci-Hub und dessen Verantwortliche außerhalb des juristischen Einflussbereiches der USA nicht durchsetzen (Sieg ohne Wert gegen Schattenbibliotheken).

Bei derartigen Klagen und Anschuldigungen ließ sich unter Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern sowie in der Open-Access-Szene eine recht starke Solidarisierung mit der Sci-Hub-Frontfrau und -Ikone Alexandra Elbakyan, begleitet von Häme gegenüber Elsevier und anderen Verlagen, konstatieren. Aus gutem Grund: Bei einer Entschädigung von 150.000 US-Dollar pro unrechtmäßig zugänglich gemachtem Artikel kommen selbst Laien ins Grübeln, vor allem, wenn man bedenkt, dass in aller Regel weder die Autoren, noch Reviewer oder Journalherausgeber von Wissenschaftsverlagen eine Aufwandsentschädigung für ihre Arbeit erhalten.

Die nun aufbrandende Diskussion ist allerdings geeignet die Sympathien für Sci-Hib zu beschädigen. Ging man bislang davon aus, dass die Schattenbibliothek von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern gespendete Login-Informationen nutzt, um Publikationen seiner Datenbank hinzuzufügen, erweckt ein Bericht der Washington Post einen anderen Eindruck.

Demzufolge beschuldigt das Justizministerium der Vereinigten Staaten Sci-Hub des Hackings zur Erlangung von US-Militärgeheimnissen in Zusammenarbeit mit dem russischen Geheimdienst und des Phishings von Login-Informationen zu kostenpflichtigen wissenschaftlichen Publikationsangeboten. Ein (allerdings nicht namentlich genannter) ehemaliger hochrangiger US-Geheimdienstbeamter gab an zu glauben, dass Elbakyan mit Russlands militärischem Geheimdienst GRU zusammenarbeitet, derselben Organisation, die E-Mails vom Democratic National Committee und Hillary Clintons Kampagnenleiter gestohlen und sie dann 2016 an WikiLeaks weitergegeben hat.

Fraglich bleibt, ob es sich hierbei lediglich um eine weitere Episode in der langen Geschichte der Verteufelung von Initiativen und Akteuren der offenen Verbreitung wissenschaftlicher Informationen durch kommerzielle Akteure handelt wie etwa bei der FUD-Kampagne der Verlagslobby gegen Open Access im Falle John Bohannons Open Access Sting oder der juristischen Verfolgung des Open-Access-Aktivisten Aaron Swartz.

Sollte sich jedoch bewahrheiten, dass der Service Sci-Hub nicht allein von der zwar illegalen, aber dennoch freiwilligen Unterstützung der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler durch Weitergabe von Login-Daten getragen wird, sondern auch von Datendiebstahl, könnte dies das Vertrauen in die Schattenbibliothek nachhaltig untergraben und ihre Akzeptanz schwächen. Dies wäre sicher ein größerer Erfolg für die Verlagslobby als die, die sie durch die oben erwähnte oder andere Klagen und Maßnahmen, z.B. erzwungene DNS-Zugangssperren auf Sci-Hub, erreichen konnte.

Bezüglich Elbakyans Verbindung zum GRU finden sich jedoch keine konkreten Belege in dem Artikel der Washington Post. Auch Elbakyan bestreitet in dem Bericht jede Verbindung zu Geheimdiensten, wird jedoch hinsichtlich des Einsatzes von Phishing wie folgt wiedergegeben: "'I do not deny that some accounts that Sci-Hub is using were obtained' in such a way." Dies lässt Raum für Spekulationen, zumal Sci-Hub bereits früher des Phishings bezichtigt wurde. Jedoch gibt die Satzkonstruktion der aus dem Artikel zitierten Passage mindestens ebenso Anlass für Mutmaßungen, da das Eingeständnisses des Phishings auch durch eine geschickte Kontextualisierung des Textfragments "I do not deny that some accounts that Sci-Hub is using were obtained" erreicht worden sein könnte. Auf eine Anfrage antwortete Elbakyan bislang nicht.