BA-Vorstand: Deutschland braucht dringend Einwanderung

Bild: Manolo Gómez/CC BY-2.0

Daniel Terzenbach warnt vor "klaffenden Lücken auf dem Arbeitsmarkt"

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Das politische Feld für die Forderung Daniel Terzenbachs ist heikel. Deutschland brauche "dringend Einwanderung aus dem Ausland", sagt Terzenbach, seit März 2019 einer von drei Vorständen der Bundesagentur für Arbeit. "Klaffende Lücken auf dem Arbeitsmarkt" müssten geschlossen werden. Und es gehe darum, die Sozialsysteme langfristig stabil zu halten.

Neue Willkommenskultur

Letztere Äußerung ist ein Hinweis darauf, dass die Überzeugungsarbeit mit einer skeptischen Bevölkerung zu rechnen hat. Die Aufgabenstellung für Terzenbach und diejenigen, die an der "Fachkräftestrategie der Bundesregierung" mitwirken, läuft im Grunde auf eine aktualisierte Form der "Willkommenskultur" hinaus.

Dass man diesen Begriff nicht mehr benutzt, aber dennoch nach außen wie innen signalisieren will, dass sich ausländische Arbeitnehmer in Deutschland willkommen fühlen, zeigt eine der Schwierigkeiten an, mit denen die Fachkräfte-Strategen zu tun haben.

Zuwanderung bleibt in der Wahrnehmung der Deutschen das "wichtigste Problem", stellte kürzlich der ARD-DeutschlandTrend fest. Hier spielen Ängste eine Rolle und, seit den hitzigen Diskussionen in der Folge der Flüchtlings- und Migrantenzuwanderung 2015 und 2016, eine Verunsicherung und Misstrauen gegenüber Informationen zum Thema "Zuwanderung".

Die Problematik spiegelt sich in den Äußerungen des BA-Vorstandsmitglieds wider. Er spricht von einer "reinen mathematischen Ableitung", die die Notwendigkeit der Fachkräftezuwanderung begründet. Man könne "dies gut finden oder nicht", aber um die "Soziale Marktwirtschaft in der Art und Weise zu erhalten, wie wir sie haben", brauche man die Fachkräfte aus dem Ausland.

Nach seinen Ausführungen (in Auszügen hier und hier) werde das Beschäftigungswachstum bereits jetzt zur Hälfte von Ausländern getragen. Im Juli vergangenen Jahres habe er bereits "fast 60 Prozent" betragen, präzisiert er. Acht Jahre zuvor habe die Quote noch rund 20 Prozent betragen.

Als weitere Beobachtung teilt Terzenbach mit, dass der Anteil, "der nicht aus der EU komme, (…) ebenfalls stark zugenommen" habe. Es gebe also Zuwachs, aber nicht auf einem Niveau, das quantitativ ausreiche, so seine Begründung zur Forderung nach mehr Zuwanderung von Fachkräften.

Fachkräftestrategie der Bundesregierung: Im "verschärften Wettbewerb"

Dafür wirbt man auf zwei Ebenen: Im Ausland, um Arbeitskräfte für Deutschland zu gewinnen - die Konkurrenz sei groß und der Wettbewerb um "Arbeitskräfte und kluge Köpfe" werde rapide schärfer, Terzenbach nennt "Japan, Südkorea oder die klassischen angelsächsischen Einwanderungsländer", die sehr stark in das Thema Fachkräfterekrutierung aus anderen Ländern investieren würden. Und im Inland wirbt man darum, der Bevölkerung die Notwendigkeit der Arbeitszuwanderung zu vermitteln.

"Wir müssen als Deutschland lernen, dass wir für uns ganz stark werben müssen", betonte er. "Wir müssen Leute willkommen heißen wollen!"

Daniel Terzenbach, Vorstand Bundesagentur für Arbeit

Der Appell des BA-Vorsitzenden ist nicht der erste dieser Art, er hat einen Vorlauf und er hat das Fachkräftezuwanderungsgesetz zum Hintergrund, das im März in Kraft treten wird und möglicherweise noch zu einigen Diskussionen führen wird.

Mitte Dezember hatte sich Bundeskanzlerin Merkel bei einem Spitzentreffen der Bundesregierung mit Länder-, Wirtschafts- und Gewerkschaftsvertretern für die "Fachkräftestrategie" eingesetzt. Auch sie machte sich dafür stark, dass Deutschland als ein "weltoffenes, als ein interessiertes Land rüberkommt". Vom Treffen wird das Ergebnis übermittelt, dass "in den kommenden Jahren "Zehntausende Fachkräfte aus Nicht-EU-Staaten gebraucht werden". Laut Auskunft der Bundesregierung sollen im vergangenen Jahr 60 000 Menschen aus Nicht-EU-Ländern aus beruflichen Gründen nach Deutschland gekommen sein.

Die Einwanderung von Fachkräften aus "Drittstaaten" wird als dritte Säule der Fachkräftestrategie der Bundesregierung bezeichnet. Die beiden anderen Säulen, die Verbesserung des Fachkräftepotentials im Inland und die Zuwanderung aus EU-Staaten, reichen zu Deckung des Fachkräftebedarfs nicht aus, wird als das Fazit berichtet. Die Regierung in Berlin gehe davon aus, dass die Zuwanderung aus EU-Staaten abnehme, weil diese ihren eigenen, zunehmenden Bedarf an Fachkräften habe und ebenfalls mit der Alterung der Bevölkerung konfrontiert seien.

Die Branchen und die Länder, in denen Fachkräfte gesucht werden

Die Regierung nannte eine längere Liste der Branchen, die Bedarf haben: Berufe aus den Bereichen Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik, dazu Bau, Hotel- und Gaststättenbereich sowie Gesundheitsberufe. "Konkret gehe es etwa um Elektrotechniker, Metallbauer, Mechatroniker, Köche, Alten- und Krankenpfleger, Informatiker sowie Softwareentwickler." Als Länder, in denen um Fachkräfte geworben werden soll, nennt man Brasilien, Indien und Vietnam. Seit Jahren suche man schon nach Arbeitskräften auf den Philippinen, in Tunesien oder auch in Bosnien-Herzegowina.

Die Zahlen, die für den Fachkräftebedarf genannt werden, gehen in die Hundertausende. So hieß es zum Beispiel vonseiten der bayerischen Regierung und der Vereinigung der bayerischen Wirtschaft im Frühjahr 2019, dass bis 2025 in Bayern 350.000 Fachkräfte fehlen. Dennoch die Fachkräftestrategie der Bundesregierung hat ihre Kritiker, die noch überzeugt werden müssen. So etwa den Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes, Gerd Landsberg, der als große Gefahr sieht, "dass die Betroffenen bei ergebnisloser Suche nicht freiwillig ausreisen werden".

Zum heiklen politischen Feld, auf dem die Überzeugungsarbeit der Fachkräftestrategie tätig ist, gehören auch die wirtschaftlichen Aussichten. Zwar ging Daniel Terzenbach Anfang Dezember "relativ gelassen" von einem weiterhin robusten Arbeitsmarkt aus, die Konjunkturdaten, wie sie aktuell vom Wirtschaftsmagazin Makroskop ausgewertet werden, deuten auf holprige Zeiten:

Der Rezessionskurs der deutschen Wirtschaft verschärft sich auch im November. Vor allem der Rückgang der Auslandsaufträge und die Abkühlung der Weltkonjunktur machen sich immer deutlicher bemerkbar.

Makroskop