Die Mächtigen von Davos sind nicht allmächtig

Von der Geldwirtschaft in die Solarhydrogenwirtschaft

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Zum Davos-Forum 2020 hatte Larry Fink, der CEO von Black Rock, ein Schreiben publiziert, das in der Finanzwelt wahrscheinlich große Beachtung gefunden hat. Titel: Eine grundlegende Umgestaltung der Finanzwelt. Zitat: "Das Bewusstsein ändert sich rasant, und ich bin überzeugt, dass wir vor einer fundamentalen Umgestaltung der Finanzwelt stehen... Das Klimarisiko ist auch ein Anlagerisiko."

Dem ist nicht zu widersprechen. Es ist auch begrüßenswert, dass sich Larry Fink gegen die Klima-Leugner stellt und ein Umdenken fordert. Ein Systemwechsel kann das, was Larry Fink verkündet, aber nicht sein. Das Geschäftsmodell der Großinvestoren funktioniert weiterhin nur, solange Geld die treibende Kraft und Geldvermehrung das Ziel der Wirtschaft ist. Wieso das so ist und was geschehen könnte, wenn dieses Denken überwunden wird, soll einmal grundsätzlich überdacht werden.

Die Illusion vom Perpetuum Mobile

Warum ist Geld der Antrieb der Wirtschaft geworden? Vom heutigen Zustand der Finanzwelt aus gesehen, gibt es zwei überzeugende Gründe:

1. Geld kann durch Finanzentscheidungen beliebig vermehrt werden, ohne materiellen Aufwand, fast unbegrenzt in der Menge.
2. Geld ist extrem leicht verfügbar und beweglich wie Daten in einem Prozessor. Es wandert mit Lichtgeschwindigkeit per Mausklick von einem zum anderen digitalen Speicherplatz.

Diese Voraussetzungen verlocken dazu, Geld ins Zentrum der wirtschaftlichen Entscheidungen zu rücken und zu glauben, dass Geld allein der Antrieb und das Ziel des wirtschaftlichen Handelns sein kann. Dieser Glaube beruht auf einer Illusion. Es ist die Illusion, dass der Mensch selbst etwas erschaffen und vermehren kann, nämlich Geld, das ihn unabhängig von den Widrigkeiten der Natur und von der Begrenzung seiner Rohstoff- und Energiequellen macht.

Geld ist, wie jeder weiß, kein Naturprodukt, sondern eine Erfindung des Menschen. Das gesamte Finanzsystem basiert auf dieser Erfindung und die Vermehrung von Geld ist nur noch ein Willensakt. Wie das durch girale Geldschöpfung geschieht, hatte ich kürzlich bei Telepolis so genau erklärt, dass es einigen Kommentatoren schon zu viel war. Trotzdem muss jeder es zur Kenntnis nehmen und wer es noch nicht weiß, lese dies: Die unsichtbaren Pyramiden von Pecunia.

Die fast unendliche Geldmenge wird ständig weiter vermehrt durch private Banken. Und die digitale Beweglichkeit von Zahlen, die Geld bedeuten, führt zu einem Glauben an die Unbegrenztheit und Allmacht dieses Systems. Und genau das ist eine Illusion.

Wenn Geld wirklich der maßgebende Betriebsstoff der Wirtschaft wäre, hätte man ein Perpetuum Mobile in der Hand, von Menschen erschaffen, mit einem Stoff, den man selber generieren kann und der einen dann voran treibt. Doch Geld ist von seiner Konstruktion her kein Stoff, der in irgendeiner Form einen realen Antrieb erzeugt.

Raus aus der Ideologie, ran an die Realität

Geld ist nur ein abstrakter, vom Menschen erdachter, in Zahlen messbarer Handelswert, auf den man sich geeinigt hat. Es vereinfacht den Austausch von Waren, Leistungen und Ideen. Den Antrieb in der Wirtschaft bewirkt aber nicht das Geld, sondern das menschliche Verlangen nach Geld, der Glaube an Geld. Es ist der Reiz, den Geld auf Menschen ausübt, weil man damit fast alles kaufen kann.

So hat sich Geld als Quelle für Wohlbefinden durch Konsum, aber auch als oberster Wert in Ökonomie und Politik, und als Lösung für alle Probleme in den Köpfen festgesetzt. Der Glaube an das Geld hat religiöse Züge angenommen, es hat den monotheistischen Gott und alle anderen Götter als Heilsbringer abgelöst.

Kaum jemand wird heute in einer öffentlichen Diskussion über Umwelt, Klima und Finanzwirtschaft sagen: Gott wird die Probleme schon lösen, denn Gott weiß alles, er kann alles und er tut alles; wir suchen also die Zuflucht im Gebet. Möglicherweise gibt es Milliarden von Menschen, die so denken und sich damit trösten, doch bei Diskussionen über die Zukunft der Energiewirtschaft bei Black Rock und in Davos spielt Gott als Argument keine Rolle mehr. Geld aber ist als allmächtige Größe omnipräsent.

Geld steht im Zentrum der Hoffnungen und Pläne mit erneuerbaren Energien. Man kann die meisten dieser Optionen mit Geld kaufen. Man kann Schadstoffe durch Zertifikate weg finanzieren. Man hofft dabei, das System durch das bestehende System zu retten. Das ist so ähnlich wie die Hoffnung, dass diejenigen, die sich in Davos treffen, also diejenigen, die Macht und Geld am besten repräsentieren, dass genau sie die Fehler des bestehenden Systems beseitigen werden.

Es ist verlockend, ständig an Geld zu denken; denn über Geld ist für die Mächtigen der Finanzwelt so einfach zu verfügen wie über die eigenen Gedanken. Das ist kein Wunder, Geld entspringt aus dem Kopf von Menschen, und zwar aus der Idee, einen symbolischen Wert zu schaffen und damit materiellen Handel zu betreiben. Das ist genial, aber nicht beliebig weit in die Realität übertragbar. Geld ist und bleibt nur eine Zahl, als Rechengröße zwischen realen Dingen und Vorgängen, sozusagen in der Nebenrechnung am Rand des Geschehens.

Wenn Geld die Hauptsache im Gedankengebäude wird, entspricht das Denken nicht mehr der Realität. Die rein finanzielle Sicht der Dinge, wie Larry Fink sie aus verständlichen Gründen vertritt, ist nicht absolut gültig. Erst wenn wir das erkannt haben und uns auf andere Werte besinnen, können wir der Finanzmacht entkommen, die selber keinen Ausweg weiß, außer, die Billionen ein wenig anders zu disponieren.

Wir brauchen ein anderes System, eins, in dem nicht Geld die zentrale Rolle spielt, in dem nicht Geld die Entscheidungen dominiert, ein System, das der Realität näher kommt, wo Geld nur die Vergleichsgröße ist, die in den erforderlichen Mengen generiert, verschoben und verrechnet wird. Das ist ein System, in dem der Besitz von Geld weniger bedeutet als der Zugang zu Luft Wasser und Erde, ein System, in dem der Besitz von Geld weniger bedeutet als eine lebendige Seele, die jedes Lebewesen in sich hat.

Das aktuelle Schlagwort für die große Veränderung existiert bereits:

Wir brauchen einen Systemwechsel!

Systemwechsel bedeutet, nicht mehr Gott und Geld sollen die zentrale Rolle spielen. Aber was sonst? Fragen wir die Naturwissenschaft. Was sagen Physik, Chemie und Biologie? Die Wissenschaften beschäftigen sich weder mit Gott noch mit Geld, sondern mit Materie, Energie, Leben und Umwelt, mit Wasser, Luft und Erde.

Wissenschaft im Zentrum der Entscheidungen

Unser zentrales Problem ist Energie. Menschen verbrauchen Unmengen an Energie, um sich zu wärmen und zu bewegen, außerdem Energie für Kommunikation, für chemische Produkte und nicht zuletzt verbrauchen sie Energie zum Geldverdienen.

Die Energie wird hauptsächlich durch Verbrennung gewonnen. Dazu werden Stoffe verwandt, die vor Millionen Jahren durch biologische und chemische Prozesse entstanden sind. Dass diese Phase der fossilen Brennstoffe irgendwann zu Ende sein wird, ist selbstverständlich. Jetzt ist das Ende absehbar, aber nicht weil die Ressourcen zu Ende gehen, sondern weil die Verbrennung als Energiequelle einen Nebeneffekt hat, der unser Klima verändert und das Leben auf dem Planeten in Frage stellt.

Kohlenstoff (C) verbrennt mit Sauerstoff (O2) zu Kohlendioxyd (CO2) und das stört die Energieabfuhr der Erde ins Weltall. Die Ressourcen ermöglichen es zwar, den Planeten noch eine Zeit lang weiter aufzuheizen, aber nicht ohne Beeinträchtigung der Biosphäre und des Lebensraums für sieben oder acht Milliarden Menschen. Vielen Menschen ist das egal, weil die Lebenserwartung des einzelnen nicht einmal 100 Jahre beträgt.

Die Biologie aber sagt, der Mensch ist eine Spezies, es kommt nicht auf den Einzelnen an. Die Spezies Mensch hat die Fähigkeit, sich als verantwortlich zu begreifen und muss versuchen, das Energieproblem zu lösen. Dabei dürfen Geld und die kurze Lebenszeit von einzelnen Menschen nicht der Maßstab sein.

Wenn das vom Geld gesteuerte System, das uns bis hier her gebracht hat, uns nicht weiter bringen kann, müssen wir nach wissenschaftlichen Lösungen suchen, die von Politikern bisher nicht ernst genommen wurden. Man hat stattdessen den Sammelbegriff "Erneuerbare Energien" erfunden. Das klingt nach Machbarkeit, nach "Wir schaffen das".

Wie unsinnig dieser Begriff ist, sieht man leicht am Beispiel der Geothermie. Wenn man Wärme aus dem Innern der Erde pumpt, kann niemand den Planeten wieder aufheizen. Schaut euch den Mars an! Die geothermische Energie ist absolut nicht erneuerbar.

Erneuerbare Energien passen aber wunderbar ins Finanzgeschäft. Da bieten sich vielfältige und interessante Möglichkeiten, sein Geld anzulegen. BlackRock ist sicher schon mit vielen Milliarden im Geschäft, ehe der CEO das publik gemacht hat. Aber das Problem der Energie ohne CO2-Ausstoß wird zerfasert, zerredet und verschoben. Durch den Handel mit Zertifikaten gibt es Ausweichmöglichkeiten für Leute mit viel Geld und die letzte Trumpfkarte der GROKO Merkel-4 heißt Datteln-4. Aber die Vier sticht nicht in diesem fundamentalen Spiel, sondern die Zwei, genauer gesagt H2, O2 und H2O.

Die einfachsten Dinge sind die besten

Physik und Chemie bieten Lösungen an, die für das politische Finanzsystem zu einfach sind. In der realen Welt basiert aber vieles auf einfachen Entscheidungen. Fragt diejenigen, die etwas von Quantenmechanik verstehen. Genau das, einfaches Entscheiden, wird von Politikerinnen und Politikern wie die Pest vermieden. Um es einmal ganz deutlich zu sagen: Demokratie basiert nicht nur auf faulen Kompromissen, sondern auch auf klaren Entscheidungen und Entscheidungen dürfen nicht nur alle vier Jahre fallen.

Die allereinfachste Lösung für das Energieproblem ist, den Verbrauch von Energie zurückzufahren. Die Philosophie des Geldes sagt dazu, am einfachsten wäre es, wenn wir das System wechseln und all die Energie einsparen, die nur zum Geldverdienen aufgewendet wird, für Reklame, Verpackung, Konsumanregung, zur Herstellung von Luxus und Wegwerfartikeln. Das zeigt uns, die Loslösung vom Geld als Sinn und Ziel des Wirtschaftens bringt schon gleich ein riesiges Einsparpotential an Ressourcen und Energie.

Die neben der Einsparung direkteste und wissenschaftlich einfachste Lösung des Energieproblems ist Solarenergie. Bekanntlich liefert uns die Sonne jeden Tag fast unbegrenzte Mengen an Energie, die von Pflanzen verwertet wird. Sonnenenergie lässt sich zum Heizen (Solarthermie) und zur Erzeugung von Elektrizität (Elektrovoltaik) einsetzen. Der Weg dazu ist einfach und direkt.

Etwas komplizierter wird es, wenn wir statt der Strahlung der Sonne den Wind als sekundären Effekt nutzen. In beiden Fällen ist das Problem die begrenzte Verfügbarkeit von Sonne und Wind und damit die Speicherung. Die einfachste Methode zur Speicherung von Sonnenwärme sind Wassertanks. Die einfachste Speicherung von Solarstrom ist Wasserstoff. In beiden Fällen spielen Wasser H2O und Wasserstoff H2 die zentrale Rolle. Das ist kein Zufall.

Wasserstoff ist das häufigste Element im Universum. Es ist der erste stabile Zustand der Materie. Wasserstoff verbrennt mit Sauerstoff ohne störende Nebenprodukte zu H2O, also Wasser, und liefert thermische Energie, auch für Verbrennungsmotoren. In Brennstoffzellen wird Wasserstoff mit O2 aus der Luft direkt in elektrischen Strom verwandelt.

Wasserstoff kann umgekehrt aus Wasser durch Elektrolyse in beliebigen Mengen hergestellt werden, ohne Nebenprodukte. Elektrischer Strom wird in weiten Regionen der Erde über Solarzellen von der Sonne geliefert, in beliebigen Mengen. Das alles hört sich nicht nur einfach an, es ist auch einfach, wenn wir dabei nicht an Geld denken.

Solarhydrogenkraftwerk in der Braunkohlegrube

Um das Problem der Verfügbarkeit von Elektrizität mit Solarstrom zu lösen, empfiehlt sich der Einsatz von Wasserstoff in einem Solarhydrogenkraftwerk. Ob eine Anlage in der Art bereits existiert oder ob sie schon vorgeschlagen wurde, entzieht sich meiner Kenntnis; die Idee ist naheliegend.

Ein Park von Solarzellen liefert Strom, wenn die Sonne scheint. Dieser elektrische Strom wird teilweise (weniger als 50%) an direkte Verbraucher geliefert. Der Überschuss geht in die Elektrolyse von Wasser, womit Wasserstoff erzeugt wird. Der Wasserstoff wird in großen Ballons gespeichert, die explosionssicher in angemessener Entfernung gelagert sind. Sehr hoher Druck ist nicht erforderlich.

Das letzte Element in so einer Anlage sind Brennstoffzellen, die aus Wasserstoff und Luft wieder Strom erzeugen, wenn die Sonnenstrahlung nicht ausreicht. Die Speicherballons müssen so dimensioniert sein, dass die Menge an Wasserstoff wenigstens die Nacht überbrückt. Je größer sie sind, desto unabhängiger ist die Anlage vom Wetter.

So ein Solarhydrogenkraftwerk kann sowohl klein als auch groß dimensioniert sein. Es bietet sich an, es da zu testen und zu installieren, wo der Braunkohletagebau tiefe Gruben und Brachen hinterlassen hat mit Becken in denen sich Wasser befindet und wo die Ballons leicht vor Sturm geschützt werden können. (Auftrieb durch Wasserstoff-Gas!)

Wenn man die Komponenten gut abstimmt, liefert so ein Solarhydrogenkraftwerk ohne CO2-Ausstoß und Umweltbelastung zuverlässig verfügbaren Strom.

Der Gedanke an Geld behindert den Fortschritt

Mit wenigen einfachen Erkenntnissen aus Chemie und Physik ist das Energieproblem eigentlich gelöst, aber die Lösung passt nicht in unser Wirtschaftssystem, in dem Geld die treibende Kraft spielt und nicht Wasser, Sonne oder Wasserstoff. Es beginnt damit, dass die Sonnenenergie kostenlos geliefert wird, niemand kann Geld damit verdienen wie mit Kohle, Öl und Gas. Man klammert sich an diese Geldquellen und greift nicht direkt zur Energiequelle. Auch das ist kein Zufall.

In der weltbeherrschenden Finanzwelt ist Geld eben noch leichter verfügbar als Sonnenenergie, Wasser und Wasserstoff, und einfacher zu generieren, man braucht nicht einmal Kollektoren auf dem Dach. Geld kann man per Kredit erschaffen und als Zahl bis ins Unendliche vermehren. Wie das geschieht, wird hier erklärt: Die unsichtbaren Pyramiden von Pecunia und Teil 2: Geldpyramiden bauen oder eine lebenswerte Gesellschaft. .

Das ist verlockend für diejenigen, die professionell mit Geld operieren. Aber Geld ist, wie schon gesagt, keine reale Größe, es kann nicht Energie erzeugen; denn Energie ist Materie: E=mc². Geld darf deshalb nicht der Maßstab auf der Suche nach einem tragfähigen Energiehaushalt und einem Systemwechsel für die Zukunft sein.

Geld ist gegenüber Wasserstoff und Sonnenenergie überhaupt kein Argument, wenn wir einmal dieses System verlassen haben, das vom Geld gesteuert wird. Es kommt dann nicht mehr darauf an, wie viel etwas kostet, sondern, wie es organisiert wird. Es entsteht eine neue Kultur.

Geld wird auch dann noch in beliebigen Mengen verfügbar sein, wenn es aus organisatorischen Gründen für das neue Wirtschaftssystem gebraucht wird, denn es ist ja bereits vorhanden, aber es ist nicht mehr entscheidend. Ob dann alles auf der Welt so schnell bewegt wird wie jetzt, ist nicht garantiert. Auch Geschwindigkeit ist in einem neuen Denksystem kein Wert an sich und Zeit ist nicht gleich Geld.

Der Systemwechsel führt vom Geldsystem zum solaren Wasserstoffsystem. Von der abstrakten Geldwirtschaft zur realen Solarhydrogenwirtschaft. Diese Wirtschaft und die Industrie dazu sind technisch ohne weiteres realisierbar, alles basiert auf längst bekannten Prozessen der Chemie und Physik. Das einzige, was uns daran hindert, die bestehende Technik anzuwenden, ist die Fixierung unseres Denkens aufs Geld als mentalem Treibstoff.

Solarhydrogenwirtschaft ist ein Schritt in die Realität.

Rob Kenius ist Dipl-Phys., hat diesen Beruf aber nie ausgeübt. Er lebt als freier Autor in Köln und betreibt die Webseite kritlit.de.