UN-Menschenrechtsrat stärkt Rechte von Klimaflüchtlingen

Eine Anerkennung des Klimawandels als Fluchtursache galt lange als notwendig. Die Vereinten Nationen wagen nun den ersten Schritt

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Der Klimawandel bringt neue politische Subjekte hervor. Dazu gehören nicht nur junge Aktivisten aus reichen Ländern, die um Mitsprache kämpfen, sondern vor allem Familien des globalen Südens, die gezwungen sind ihre Heimat zu verlassen: Ob Dürre, Ernteausfälle, Brände und steigende Meeresspiegel, der menschengemachte Klimawandel wird in den kommenden Jahrzehnten Millionen von Klimamigranten hervorbringen (vgl. Weltthema Migration: Wo stehen wir?), doch als asylkonforme Fluchtursache wurde der Klimawandel bisher nicht anerkannt.

Die UN-Menschenrechtskommission OHCHR stärkt nun den Asylanspruch von Klimamigranten. Am Montag erklärte das OHCHR, dass Länder keine Personen ausweisen dürfen, deren Leben im Heimatland aufgrund von Auswirkungen des Klimawandels in Gefahr ist. Zu vom Klimawandel verursachten Bedrohungen des Lebens gehören plötzliche Ereignisse, wie starke Stürme und Überschwemmungen, als auch langfristige Prozesse, wie Anstieg des Meeresspiegels, Versalzung des Grundwassers und Landverschlechterung, so der Ausschuss.

Der Ausschuss stellte auch klar, dass Personen, die einen Asylstatus beantragen, nicht den Nachweis erbringen müssen, dass sie unmittelbar geschädigt werden, wenn sie in ihr Land zurückkehren.

"Das Urteil besagt, dass wenn aufgrund des Klimawandels, aufgrund des Klimanotstandes, eine unmittelbare Gefahr für das Leben besteht, und wenn man in ein anderes Land flieht, dann sollte man nicht zurückgeschickt werden", sagte Filippo Grandi, Hoher Kommisar der Flüchtlingshilfe der Vereinten Nationen, auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos der Nachrichtenagentur Reuters. "Der Grund ist, dass man damit sein Leben gefährden würde - genau wie aufgrund eines Krieges oder einer Verfolgung", sagte Grandi.

"Wir müssen auf eine große Zahl an Menschen vorbereitet sein, die sich gegen ihren Willen bewegen", sagte Grandi. "Ich würde es nicht wagen, über bestimmte Zahlen zu sprechen, es ist zu spekulativ, aber wir reden hier sicherlich über Millionen." Mögliche Ursachen, die die globalen Migrationsbewegungen verstärken, seien Waldbrände wie in Australien, der Anstieg des Meeresspiegels auf tief liegenden Inseln, die Zerstörung von Ernten und Vieh in Afrika südlich der Sahara und Überschwemmungen weltweit, nicht zuletzt in Teilen der Industrieländer.

Flüchtlingsbewegungen und das umfassendere Problem der Bevölkerungsmigration seien eine globale Herausforderung, die sich nicht auf wenige Länder beschränken lässt, so Grandi.

Kiribati ist schwer bedroht vom Anstieg der Meeresspiegel

Dem Urteil des Menschenrechtsausschusses voran gegangen, war eine Klage gegen Neuseeland. Die dortigen Behörden hatten 2015 den Asylantrag einer Familie aus Kiribati abgelehnt. Die konkrete Beschwerde lehnte der Ausschuss mit der Begründung ab, dass Kiribati ausreichende Schutzmaßnahmen für seine Bevölkerung vornehme und das Recht auf Leben nicht verletzt werde.

Unter anderem hatte die Familie argumentiert, dass der Anstieg des Meeresspiegels und andere Auswirkungen des Klimawandels das Land für alle seine Bewohner unbewohnbar mache. Es käme zu gewaltsamen Landstreitigkeiten, weil das bewohnbare Land immer knapper wird. Umweltzerstörung erschwere die Subsistenzwirtschaft und die Süßwasserversorgung sei mit Salzwasser verseucht.

Kiribati gilt laut dem Weltklimarat als eines der sechs pazifischen Inselstaaten, die am stärksten vom Anstieg des Meeresspiegels bedroht sind. Aufgrund von Küstenerosion und Süßwasserverschmutzung könnte Kiribati demnach bereits 2050 unbewohnbar werden. Die knapp 120.000 Einwohner leben auf zahlreichen Inseln mit einer Gesamtlandfläche von nur gut 800 Quadratkilometern, dessen Großteil sich weniger als zwei Meter über dem Meeresspiegel befindet.

"Neue Maßstäbe für Asylanträge"

In Anbetracht der Situation der Klimaflüchtlinge weltweit scheint es unwahrscheinlich, dass das Urteil demnach unmittelbare Auswirkungen auf die Bürger anderer Länder haben wird, da selbst die katastrophale Lage Kiribatis nicht Grund genug zu sein scheint das neue Recht geltend zu machen.

"Dennoch", sagte Ausschussmitglieg Yuval Shany, "setzt dieses Urteil neue Maßstäbe, die den Erfolg künftiger Asylanträge im Zusammenhang mit den Folgen des Klimawandels erleichtern könnten."

Im Überblick der aktuellen Flüchtlingszahlen des UNHCR werden Klimaflüchtlinge noch nicht berücksichtigt. Laut einer Greenpeace-Studie von 2017 sind jährlich 21,5 Millionen Menschen aufgrund des Klimawandels auf der Flucht. Zwischen 2008 und 2015 wurden Greenpeace zufolge 110 Millionen Menschen durch Fluten vertrieben, 60,2 Millionen Menschen durch Stürme, 960.000 Menschen durch extreme Temperaturen, 704.000 Menschen durch Erdrutsche und 362.000 Menschen durch Waldbrände.

Insgesamt fliehen somit weltweit doppelt so viele Menschen vor den Effekten des Klimawandels als vor Krieg und Gewalt. Doch wie bei kriegerischen Konflikten suchen auch Klimaflüchtlinge den Weg ins Nachbarland. Einer Studie des Overseas Development Institutes zufolge bewegen sich Migrationsströme kaum aus ihren jeweiligen Regionen heraus.

Fraglich bleibt, inwiefern das Urteil rechtliche Wirkung besitzt, die UN hat keine wirkliche Macht, die sie auf Nationalstaaten ausüben kann. Einzig Schweden erkennt bisher im Ausländerrecht die die Existenz von Umwelt-Migranten "als schutzbedürftige Personen, die wegen einer Umweltkatastrophe nicht in ihr Heimatland zurückkehren können", an. Die Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) berücksichtigt Klimaflüchtlinge bisher (noch) nicht.