Urenco: Umstrittene Uran-Anreicherung mit deutscher Beteiligung

Behälter mit abgereichertem Uran werden im Freien gelagert (rechtes Feld). / Bild: Google Maps

Das Pentagon braucht in Zukunft hochangereichertes Uran. Urenco, an dem RWE und EON beteiligt sind, könnte aushelfen

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Der weltweit führende Uranhändler Urenco kündigte 2019 an, seine kommerzielle Urananreicherung in der amerikanischen Anlage in New Mexico auszuweiten und hochangereichertes Uran herzustellen. Die Organisation IPPNW warnt, dass sich dahinter militärische Zwecke verbergen könnten. Atomkraftgegner befürchten zudem, Uran aus der deutschen Anlage in Gronau könnte dadurch militärisch genutzt werden und sprechen von wachsenden Grauzonen.

Urenco versorgt nach eigenen Angaben über 50 Kraftwerke in 19 Ländern mit angereichertem Uran. Allein die Anlage in Gronau könne jedes zehnte Atomkraftwerk weltweit mit angereichertem Uran versorgen. 2018 erzielte Urenco einen Gewinn von über 500 Millionen Euro. Zu je ein Drittel gehört Urenco den Regierungen von Großbrittanien und Niederlande, sowie der Uranit UK Ltd. GmbH mit Sitz in Jülich, die je zur Hälfte der PreussenElektra GmbH, vormals E.ON Kernkraft GmbH, und der RWE Power AG gehört. Im Rahmen des Gründungsvertrages unterliegt Urenco jedoch auch der Kontrolle der Bundesregierung.

Im Rahmen der zivilen Nutzung produziert Urenco Low-Enriched-Uranium (LEU) mit einem Anreicherungsgrad von 3-5%. 2019 beschloss Urenco die Produktion von High-Assay Low-Enriched-Uranium (HALEU) mit einem Anreicherungsgrad von 19,75%. Ein Anreicherungsgrad ab 20, High Enriched Uranium (HEU), gilt als waffenfähig. Die Organisation IPPNW, die sich für die Abrüstung atomarer Waffen einsetzt, warnt vor diesem wesentlich höher angereichertem Uran.

Waffenfähig oder nicht?

In einer am 22. Januar erschienenen Pressemitteilung der IPPNW heißt es: "Bislang galt die 5%-Grenze bei der Urananreicherung als Beleg für die rein zivile Nutzungwarum soll dies jetzt nicht mehr gelten?" Dr. Angelika Claußen von der IPPNW kritisiert die Bundesregierung dafür, dass sie "einen derart dramatischen Kursschwenk billigt".

"Die von Urenco für den US-Markt angekündigte Herstellung von angereichertem Uran würde beitragen, die Risiken eines militärischen Missbrauchs der vermeintlich zivilen Atomenergie weiter anwachsen zu lassen", so Hubertus Zdebel von der Partei Die Linke. Zdebel warnt davor, dass "die Grauzonen einer zivil-militärischen Nutzung der Atomenergie größer werden". Seit dem Beschluss zum Atomausstieg fordert Zdebel die Schließung der Urananreicherungsanlage in Gronau. Doch ein entsprechende Antrag der Grünen und der Linken fand 2019 keine Mehrheit. Die Urenco blieb vom Atomausstieg ausgenommen.

Urenco begründet die Produktion von HALEU mit dem Bedarf an leistungsfähigen Uran-Brennstoffen für "fortgeschrittene Reaktortypen" sowie Forschungsreaktoren, aber auch für den von Urenco geplanten auf rund 10 Megawatt ausgelegten Atomreaktors, der auch als "Uran-Batterie" bezeichnet wird und zu den sogenannten Mini- oder Small Modular Reactors zählt.

Die Bundesregierung antwortete im November auf die Kleine Anfrage von u.a. Zdebel: "In den Uran-Anreicherungsanlagen der URENCO kann rein technisch das spaltbare Uran-235 auch auf einen Anreicherungsgrad gebracht werden, der für Atomwaffen tauglich ist. Aus diesem Grund unterliegen die Aktivitäten der URENCO dem von Großbritannien, den Niederlanden und der Bundesrepublik Deutschland geschlossenen Vertrag von Almelo und dem Atomwaffensperrvertrag und damit verbunden Kontrollen durch Euratom und der Internationalen Atomenergie-Organisation - IAEA"

Auch den Anreicherungsgrad von 19,75% sieht die Bundesregierung unkritisch. Dieser bewege sich "nicht im waffenfähigen Bereich".

USA brauchen Uran

Die IPPNW sieht zudem das Interesse Pentagons kritisch. Sie beruft sich auf einen kürzlich erschienenen Artikel des Journals Physics Today. Darin heißt es ebenfalls, der Anreicherungsgrad von 19,75% sei gerade niedrig genug, um nicht als "hochangereichert" zu gelten, jedoch weit über dem herkömmlichen Level des gebrauchten Urans für die zivile Nutzung.

Laut Physics Today sehe zwar die US-Gesetzgebung vor, dass das für militärische Zwecke genutzte Uran nur mit amerikanischer Technologie angereichert werden darf. Seit 2013 werden in den USA jedoch keine inländischen Anreicherungsanlagen mit in den USA entwickelter Technologie betrieben. Hauptquelle für angereichertes Uran ist bisher Russland. Die kommerziellen US-Reaktoren bezogen 2018 zwei Drittel des angereicherten Urans aus dem Ausland, von der russische Firma Techsnabexport (Tenex), die zu Rosatom gehört, und von Urenco. Rund die Hälfte des in Gronau angereicherten Urans geht in die USA.

Die einzige Anreicherungsanlage in den USA wird ebenfalls von Urenco betrieben. Physics Today zufolge sieht eine Vereinbarung zwischen den Eigentümerstaaten mit den USA aus dem Jahr 1995 vor, dem Unternehmen nicht zu verbieten, HALEU für Militärreaktoren oder LEU für die Tritiumproduktion bereitzustellen. Das Abkommen beschränke Urencos Uranprodukt zwar auf "friedliche, nicht explosive Zwecke", aber es beziehe sich nicht auf Tritium. Tritium sei ein wesentlicher Bestandteil aller US-Atomwaffen. Die Vereinbarung überschreite die "rote Linie" zwischen Waffen und zivilen Nuklearanlagen.

Interessant sei zudem, dass im Gegensatz zum Energieministerium (DOE) das Pentagon die Maßnahmen von Urenco begrüße, in der Anlage in New Mexico HALEU zu produzieren, und Interesse bekundet habe, das hochangereichte Uran etwa für mobile Reaktoren zu nutzen. Ein 2018 für die US-Armee in Auftrag gegebener Bericht soll festgestellt haben, dass Urenco für einen "bescheidenen bis groß angelegten Einsatz" tragbarer Reaktoren die kostengünstigste Quelle für HALEU ist. Urenco-Konkurrent Centrus Energy müsste wesentlich mehr investieren und hätte eine längere Bauzeit vor sich.

Atommüll unter freiem Himmel

Dass Urenco wiederum kostengünstig Uran anreichern kann, hängt wiederum mit Urencos Verbindung zu Tenex zusammen. Die Urenco Enrichment Company und ihre europäischen Tochterfirmen in Großbritannien, der Niederlande und Deutschland haben 2018 einen Vertrag mit der Firma Tradewill geschlossen. Demnach sollen bis 2022 12.000 Tonnen des Abfallprodukts Uranhexafluorid nach Russland exportiert werden. Tradewill ist eine Vertriebstochter der russischen Firma Tenex, die in der nuklearen Ver- und Entsorgung tätig ist.

Um der Entsorgung des Uranabfalls Herr zu werden baute Urenco für mehr als eine Milliarde Euro im britischen Capenhurst eine Dekonversionsanlage, die Uranhexafluorid, das bei der Urananreicherung in großen Mengen als Abfallstoff anfällt, in das stabilere Uranoxid U308 umwandeln sollte. Ursprünglich sollte sie 2015 in Betrieb gehen, doch das ist trotz der Einweihnung im Juni 2019 noch nicht geschehen. Auch die britische Urenco-Anlage transportiert ihren Müll nach Russland.

"Bei dieser Neuauflage der Russland-Exporte geht es offenkundig darum, dass erhebliche Mengen Atommüll in Russland billig entsorgt werden", so Zdebel. Bereits in den 90er Jahren wurden rund 30.000 Tonnen Uranhexafluorid in abgereicherter Form von der Gronauer Urananreicherungsanlage nach Russland verbracht. Offiziell wurden die Atommülltransporte von Gronau nach Russland Ende 2009 eingestellt. Nun wird Uran-Hexafluorid nicht als Atommüll, sondern als Wertstoff deklariert, um es exportieren zu können.