Rechte Polizisten: Ziemlich viele Einzelfälle

Symbolbild: Markus Spiske/unsplash

Die Verharmlosung von Rassismus und Rechtsradikalismus unter Polizisten beschädigt das Ansehen der Polizei. Ein Kommentar

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Die Polizei, dein Freund und Helfer, so lautet ein Sprichwort, das mehr als einen Kern Wahrheit enthält - zumindest im Auge der deutschen Bevölkerung. Laut Statistischem Bundesamt vertrauen rund 85 Prozent der Bürger der Polizei, die damit allen anderen Berufsgruppen den Rang abläuft.

Und dieser Wert ist ziemlich stabil. In den letzten Jahren schwankte er nur leicht. Dasselbe gilt für diejenigen, die der Polizei nicht vertrauen: Rund zehn bis zwölf Prozent. Eine Minderheit also.

Doch in letzter Zeit häufen sich Vorfälle, die durchaus geeignet sind, dieses Vertrauen fundamental zu erschüttern. Immer wieder gibt es Skandale um rechtsradikale Polizisten. Was es noch schlimmer macht: Konsequenzen gibt es nur selten, aus dem Dienst entfernt wird kaum ein Beamter. Dabei sollen Polizisten für den Rechtsstaat und die freiheitlich demokratische Grundordnung einstehen, nicht sie bekämpfen.

Friedrich Merz erkennt eine Schieflage

Im Sommer 2019 mahnte CDU-Politiker Friedrich Merz davor, dass Teile von Polizei und Bundeswehr an die AfD verloren gehen könnten. Im Gespräch mit der Rheinischen Post pflichtete ihm damals der Vize-Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei, Bundespolizist Jörg Radek, bei: "Da ist bei vielen Beamten etwas in Schieflage geraten, was sich in Sympathien für das rechtsnationale Parteienspektrum ausdrückt." Für die AfD sitzen heute mehrere Polizisten im Bundestag.

Allerdings erhielt Merz auch rasch Gegenwind. Mehrere Kritiker, darunter auch sein CSU-Kollege Horst Seehofer, warnten vor einem Generalverdacht. Tatsächlich ist es schwierig zu beurteilen, wie hoch der Anteil jener Beamten ist, die zu rechtsradikalem Gedankengut neigen. Denn es gibt dazu keine Umfragen oder Untersuchungen. Ein Versäumnis.

Feststeht, dass es zuletzt einige aufsehenerregende Fälle gab, anhand derer deutlich wird, dass die Polizei ein rechtsradikales Problem hat - auch wenn dessen Ausmaß bislang nicht bekannt ist.

Bekannt gewordene Fälle

Im Vorfeld der Proteste gegen den Kohletagebau in der Lausitz posierten Ende November 2019 neun Beamte vor einem Graffito der rechtsextremen Gruppe Defend Cottbus. Als sie aufgefordert wurden, den Schriftzug zu übermalen, ließen sie das Symbol der Extremisten, DC, an der Mauer stehen und behaupteten, ihnen sei die Farbe ausgegangen, was sich später als wenig glaubwürdig erwies.

Die Beamten wurden von dem Einsatz abgezogen, ein Disziplinarverfahren wurde eingeleitet. Ein Ermittlungsverfahren hingegen nicht. Das heißt: Dass es ernstzunehmende Konsequenzen für die betreffenden Beamten geben wird, ist höchst unwahrscheinlich. Sie dürfen wohl weiter die Uniform tragen und ihren Dienst verrichten - obwohl sie offen eine Nähe zu Extremisten gezeigt haben.

Ein noch krasserer Fall aus dem Jahr 2018 beschäftigt die Frankfurter Polizei bis heute. Ein mit "NSU 2.0" unterzeichnetes Fax mit Drohungen, das die Anwältin Seda Başay-Yıldız, Nebenklägerin im NSU-Prozess, erhielt, ließ sich zu einer dortigen Polizeiwache zurückverfolgen. Mehrere Beamte wurden suspendiert, ein Ermittlungsverfahren dauert bis heute an. Es müsse hart durchgegriffen werden, sagte die Anwältin im Gespräch mit der Frankfurter Rundschau:

Ich meine damit nicht nur Strafverfahren, sondern auch Disziplinarmaßnahmen. Jemand, der rechtsextrem eingestellt ist, darf kein Polizeibeamter sein. Es geht ja nicht nur um mich, es geht um das Vertrauen aller Bürger in die Polizei.

Anwältin Seda Başay-Yıldız

Das Drohungen gegen Menschen mit Migrationshintergrund, gegen Menschen, die sich für Geflüchtete engagieren und gegen Menschen, die die AfD kritisieren, zuletzt massiv zugenommen haben, ist schlimm genug. Dass solche Drohungen mutmaßlich auch von Polizisten kommen, sollte ein Alarmsignal dafür sein, dass in deutschen Behörden etwas massiv schiefläuft.

Dabei kann es durchaus auch Polizisten selbst treffen. Nicht nur Bürgermeister oder Feuerwehrchefs, die sich gegen Rechtsextremismus engagieren, werden bedroht - jüngst erhielt auch der Oldenburger Polizeichef Johann Küme Morddrohungen. Nachdem er sich kritisch zur AfD geäußert hatte.

Dass aus der AfD selbst keine entschiedene Verurteilung solcher Taten zu vernehmen ist, spricht Bände über die Haltung der Partei. Wer Menschen bedroht, hat sich aus der Zivilisation verabschiedet. Wer solche Drohungen duldet oder gar gutheißt - ebenfalls.

Anfang Januar beantwortete das Innenministerium eine SPD-Anfrage in Bayern. Wie die Süddeutsche Zeitung berichtete ging es um zehn Fälle von Hitlergrüßen, rassistischen und antisemitischen Äußerungen - von Polizisten. Vergleichbare Fälle wurden in Hessen bekannt.

Und in Sachsen sahen SPD-Politiker schon 2016 eine große Nähe von Polizisten zu AfD und Pegida. 2015 wurde eine Willkommensaktion von Flüchtlingshelfern von Rechtsextremen angegriffen - und die Polizei machte nicht die Extremisten, sondern die Veranstalter für die Gewalt verantwortlich. Eine absurde Schuldumkehr.

Der Polizeischüler Simon Neumeyer brach gar seine Ausbildung in Sachsen ab, weil er den herrschenden Rassismus nicht mehr ertrug. Er berichtete in den Sozialen Medien von seinen Erfahrungen. Rassistische Sprüche seinen dort "salonfähig" gewesen, und zwar nicht nur seitens der anderen Schüler, sondern auch seitens der Ausbilder, sagte er im Gespräch mit Bento: "Mitschüler sangen Lieder der Nazi-Band Stahlgewitter auf der Stube oder berichteten von Besuchen auf NPD-Veranstaltungen, ohne dass die anderen widersprochen haben."

Als er selbst etwas gesagt habe, sei er ausgegrenzt worden. Das war 2017. Die meisten seiner damaligen Mitschüler dürften heute in Polizeiuniform unterwegs sein.

"Hohes Dunkelfeld"

Angesichts derartiger Berichte darf man durchaus begründete Zweifel anmelden, wenn Innenminister, Polizeigewerkschaftler und andere Berufsvertreter immer wieder gebetsmühlenartig von Einzelfällen sprechen und beteuern, rechtsradikales Gedankengut würde bei der Polizei nicht toleriert. Zwar sind jene Fälle, die bekannt werden, wirklich relativ wenige im Verhältnis zur Gesamtzahl der aktiven Polizeibeamten.

Aber es ist auch höchst wahrscheinlich, dass es sich dabei bloß um die Spitze des Eisbergs handelt. Wenn Corpsgeist herrscht, rechte Beamte einander decken und zugleich Kritiker ausgrenzen oder gar rausmobben, ist es kein Wunder, wenn nur ein Bruchteil der tatsächlichen Vorkommnisse an die Öffentlichkeit gelangt.

Auch der Politikwissenschaftler und Rechtsextremismusexperte Christopher Kopke geht von einem "hohen Dunkelfeld" aus, weist aber auch darauf hin, dass es durchaus Beamte gibt, die rassistische und rechtsextreme Kollegen melden und solche Einstellungen nicht dulden.