Älteste Demokratie der Welt oder Bananenrepublik?

Bernie Sanders in Iowa. Bild: C-Span-Video

Die Pannen und Manipulationsvorwürfe bei der US-Vorwahl in Iowa deuten auf einen schmutzigen Kampf um die Präsidentschaftskandidatur der Demokraten

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Am Montag, dem 3. Februar, sollte der Vorwahlkampf der Demokraten in die heiße Phase treten. Doch stand der Sieger der mit Spannung erwarteten Vorwahl im US-Bundesstaat Iowa auch am Morgen des folgenden Tages noch nicht fest. Aufgrund von Pannen und Verzögerungen bei der Erfassung der Daten aus den Wahllokalen verschob die Führung der Demokratischen Partei Iowas die Bekanntgabe der Wahlergebnisse auf unbestimmte Zeit. Unbestätigten Meldungen zufolge sollen die Ergebnisse eventuell am Dienstagabend vorliegen.

Derweil bliebt unklar, was konkret zu der Verzögerung geführt hat. Die Weiterleitung der Ergebnisse vor Ort über Smartphones funktionierte nicht oder wies Fehler auf, während das Notsystem, das eine Übermittlung über Telefon vorsah, schlicht zusammenbrach.

Berichte von Aktivisten und Parteimitgliedern vor Ort, die Probleme mit einer Smartphone-Anwendung meldeten, mit der die Ergebnisse in die Parteizentrale übermittelt werden sollte, wurden von der Leitung der Demokratischen Partei in Iowa dementiert. Demnach sei der Grund der Verzögerung in "Inkonsistenzen" der eingegangenen Daten zu finden, die nun durch "manuelle Verifikation" beseitigt würden.

Die Parteimitglieder vor Ort und die Parteiführung in der Zentrale machen somit unterschiedliche Ursachen für das Chaos in Iowa verantwortlich. Eine Manipulation der Daten schloss die Kommunikationsdirektorin der Demokratischen Partei, Mandy McClure, hierbei aus: "Es ist einfach eine Sache mit der Erfassung. Die App ist nicht abgestürzt und es gab keinen Hack und kein Eindringen." Man brauche nur Zeit, um Berichte zu erfassen. Zuvor hieß es aus der Parteizentrale, man führe "Qualitätskontrollen" durch, um sicherzustellen, dass die Zahlen akkurat sind.

Erste Rückschlüsse

Dennoch scheinen erste Rückschlüsse auf den Wahlausgang möglich: Das Wahlkampfteam des sozialistischen Kandidaten Bernie Sanders, der laut Umfragen als Favorit in Iowa galt, veröffentlichte eine interne Zählung, wonach Sanders die Vorwahl in Iowa gewonnen habe. Eine ähnliche Erklärung hat auch der zum rechten Parteiflügel zählende Kandidat Pete Buttigieg abgegeben.

Erste, von der New York Times veröffentlichte Ergebnisse der Vorwahl, die nach dem Zusammenbruch der Datenübermittlung vom Netz genommen worden sind, sahen Sanders vorne.

Der Kandidat des Parteiestablishments, Joe Biden, soll den informellen Zählungen zufolge hingegen abgeschlagen auf dem vierten Platz gelandet sein. Laut der New York Times - die den Skandal von Iowa als "heilloses Fiasko" überschrieb - sprach das Wahlkampfteam Bidens von "erheblichen Fehlern" bei der Erfassung der Daten, die alle genaustens untersucht werden müssen, bevor die Ergebnisse veröffentlicht würden.

Tatsächlich hat die Verzögerung bei der Bekanntgabe der Wahlergebnisse handfeste wahltaktische Folgen. Dem Sieger der Vorwahl von Iowa sei somit der gebührende "Schwung und die Anerkennung" verweigert worden, während die Verlierer den Schaden der Niederlage minimieren können, bemerkte die Zeitung.

Konkret bedeutet die Verzögerung, dass der wahrscheinliche große Verlierer von Iwoa, Joe Biden, den Fallout seiner Niederlage begrenzen kann. Falls der in neoliberalen Parteikreisen verhasste Sanders gewonnen haben sollte, kann er die Dynamik des Sieges in die Wahlkämpfe der kommenden Tage, wie etwa in New Hampshire, nicht mitnehmen.

Die Verzögerungen schaden dem Sieger

Die verspätete Veröffentlichung der Wahlergebnisse vermindert deren politischen Nutzen für den Sieger, da Iowa bald überlagert wird von Ereignissen wie der "State of the Union"-Rede Trumps am Dienstag und der Abstimmung über das Amtsenthebungsverfahren gegen Trump am Mittwoch.

Am Donnerstag gehen schon die Vorwahlen in New Hampshire in die heiße Phase. Bald ist der Sieg von Iowa einfach vergessen. Die Verzögerungen schaden somit dem Sieger von Iowa, indem sie ihm den Schwung nehmen, der auch in den kommenden Wahlkämpfen nachwirken würde.

Der Skandal von Iowa hat aber auch die Organisation des Vorwahlkampfes der Demokraten in den Fokus der Kritik gerückt. Die Macher der Smartphone-Anwendung, die von Aktivisten für den Zusammenbruch der Datenübermittlung verantwortlich gemacht wurde, sind in den politischen Prozess der Demokratischen Partei involviert. Sie sind Akteure im Wahlkampf - und keine dritte, unabhängige Partei.

Pete Buttigieg, der überraschend stark in Iowa abgeschnitten haben soll, spendete der Firma, die die fehlerhafte Web-Anwendung produzierte, zehntausende US-Dollar. Die Los Angeles Times meldete wiederum, dass Veteranen der Clinton-Kampagne, die zu den größten parteiinternen Widersachern des sozialistischen Kandidaten Sanders zählen, eben das Technologieunternehmen führen, das die fehlerhafte Wahlsoftware entwickelte.

Fazit

Eine vom neoliberalen Clinton-Flügel der Partei gegründete Firma hat eine Webapp zur Erfassung von Wahlergebnissen der Vorwahlen fabriziert, die ausgerechnet dann - laut etlichen Berichten vor Ort - fehlerhaft zu arbeiten scheint, als der in diesen Parteikreisen verhasste linke Kandidat als Favorit ins Rennen geht. Zudem werden nun alle diesbezüglichen Fragen seitens des demokratischen Parteimainstreams als Verschwörungspropaganda abgekanzelt, die an Trump-Wähler erinnern solle.

Übrigens: Die für die Übermittlung der Stimmen verantwortlichen Parteimitglieder in den Wahllokalen erhielten die Anwendung erst wenige Stunden vor ihrem Einsatz, sie hatten somit keine Zeit, sich mit ihr vertraut zu machen oder sie überhaupt eingehend zu testen.

Der Skandal von Iowa nimmt nicht nur dem Sieger den Wind aus den Segeln, er demotiviert auch viele junge Aktivisten und Wähler, die sich derzeit im politischen Prozess engagieren - und die ebenfalls zu den wichtigsten Unterstützerkreisen von Bernie Sanders zählen.

Erinnerungen werden somit wach an die Skandale bei den Vorwahlen 2016, als die neoliberale Fraktion um Hillary Clinton mit unlauteren Mitteln Sanders aus dem Feld schlug.

Iowa scheint somit auch Ausdruck der ansteigenden Panik der Funktionseliten der Vereinigten Staaten zu sein, die zu immer drastischeren Methoden zu greifen bereit sind, um einen sozialistischen Präsidenten in den Vereinigten Staaten zu verhindern - selbst wenn dabei die älteste Demokratie der Welt zu einer oligarchischen Bananenrepublik verkommen sollte.

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