Folter und Repression gegen Linke in Russland

Symbolbild: Evgeny Nelmin

Demnächst werden die Urteile gegen eine Gruppe von russischen Linken gefällt, die zum großen Teil in Haft gefoltert wurden. Leider findet der Fall bisher wenig Aufmerksamkeit in Deutschland

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In Berlin ist die Zahl der Ausstellungen und Galerien groß. Doch die dreitägige Exposition "Meiner Ausstellung getreu protokolliert", die am vergangenen Montag endete, hat eine besondere Brisanz. Es war eine Solidaritätsausstellung mit einer Gruppe russischer Linker, die seit 2 Jahren als Terroristen stigmatisiert werden und offener Folter ausgesetzt waren.

Die Ausstellung war vorher in Petersburg zu sehen. Berlin war die einzige Station im Ausland. Zur Eröffnung waren auch Freunde und Angehörige der Angeklagten anwesend, die über einen Fall von Repression gegen Linke in Russland berichteten, der leider bisher wenig Aufmerksamkeit bekommen hat.

Zehn Aktivisten aus Sankt Petersburg und Pensa sind seit mehr als zwei Jahren in Haft, weil sie beschuldigt werden, an den Tätigkeiten einer angeblichen terroristischen Organisation namens "Set" (dt. "Netzwerk") teilgenommen zu haben. Sie wurden mit Elektroschocks gefoltert, zusammengeschlagen und moralischem und physischem Druck ausgesetzt, um sie so zu einem Schuldbekenntnis zu zwingen.

Die meisten Angeklagten bestreiten ihre Schuld und fordern, die Anwendung von Folter zu untersuchen. Die Exponate der Ausstellung drehten sich um diese Folter, die nicht nur in diesem Fall angewendet wird. Doch besonders eindringlich ist es, wie der Gefangene Viktor Filinkow darüber spricht, wie er bei der Folter zusammengebrochen war und weiter misshandelt wurde.

Er sitzt mit einem Mitgefangenen in einem Käfig im Gerichtssaal und hat 10 Minuten Zeit mit unabhängigen Journalisten zu sprechen. Er berichtet darüber, wie er mit Elektroschocks misshandelt wurde, so dass ihn sein gesamter Körper schmerzte und er die Schläge, die er zusätzlich bekommen hat, gar nicht mehr fühlte.

Auch die anderen Beschuldigten wurden ähnlich misshandelt, einige unterschrieben dann angebliche Geständnisse, dass sie sich im Sinne der Anklage terroristischer Aktivitäten schuldig gemacht haben. Sie haben diese Geständnisse später widerrufen und mitgeteilt, dass sie unter Folter erpresst wurden.

Um wen es sich bei den Angeklagten handelte, beschrieb die Taz-Journalistin Barbara Kerneck, die als fast einzige über die kleine Ausstellung in Berlin berichtet hat.

Linke Studierende werden zur terroristischen Vereinigung

Ihre Biografien entsprechen nicht gerade dem typischen Terroristenbild. Einer ist Veganer, drei sind aktive Tierschützer, mehrere von ihnen setzten sich für Obdachlose ein, und zwei organisierten einen nichtkommerziellen Markt zum Tausch von Gebrauchsgegenständen. Alle nahmen an Protesten gegen Rassismus in der Gesellschaft teil.

Barbara Kerneck, Taz

In der Ausstellung konnte man noch erfahren, dass fast alle Angeklagte Studierende waren. Sie wurden zur terroristischen Organisation erklärt, weil sie sich politisch außerhalb des Rahmens engagierten, den das Putin-Regime erlaubt. Auf einem Video kann man sehen, wie die jungen Angeklagten noch einige Worte an die Öffentlichkeit richten konnten, bevor demnächst das Urteil gefällt wird. Einige sind in der Haft mittlerweile schwer erkrankt.

Daher verwundert nicht, dass einige resigniert sind und beschreiben, wie ihr Leben durch die Verhaftung und die Folter zerstört wurde. Andere erklären weiter kämpferisch, dass sie angeklagt werden, weil sie als Antifaschisten gegen ein System gekämpft haben, dass in der offiziellen Staatsideologie Russland noch immer der zentrale Feind ist: der Nazismus.

Nur haben die jungen Menschen Antifaschismus eben nicht als Staatsideologie, sondern als Aufruf zum Handeln gegen rechte Tendenzen in der Gesellschaft verstanden. Trotz der nachgewiesenen Folter, denen die Beschuldigten ausgesetzt waren, rechnen ihre Freunde mit langjährigen Haftstrafen und der Verbringung in eine Strafkolonie.

Wenig Solidarität in Deutschland

Da ist es umso erstaunlicher, dass die Solidarität mit den Betroffenen in Deutschland bisher sehr begrenzt ist. Auch die Zahl der Artikel zu diesem Fall sind klein. Dabei geht es gerade nicht darum, die Folter in Russland vom Standpunkt des sogenannten freien Westens aus zu kritisieren, wo man über solche Machenschaften angeblich erhaben ist.

Doch die Berichte über die Folter in Russland haben sehr viele Ähnlichkeiten mit den Methoden, denen baskische Gefangene durch den spanischen Staat ausgesetzt waren. Auch bei ihnen waren die Tage unmittelbar nach ihrer Verhaftung am Schlimmsten, als sie der Folter von besonders brutalen Polizeieinheiten ausgesetzt waren.

So beschrieb auch Viktor Filinkow, dass er es als Erlösung empfand, in ein Gefängnis eingeliefert zu werden, weil dann die Folter aufhörte. Die Staatsrepresssion ist im Fall Russlands genauso zu verurteilen wie im Fall Spaniens oder der Türkei. Manche Freunde Russlands, die sich mit Recht gegen eine antirussische Kampagne auf Staatsebene wenden, scheinen eine Scheu zu haben, die Politik des autoritären Putin-Regimes genau so zu kritisieren wie Menschenrechtsverletzungen in allen anderen Ländern, sei es Deutschland, Spanien oder die USA.

Daher wäre es sehr zu begrüßen, wenn anlässlich der drohenden harten Urteile gegen die russischen Antifaschisten auch vor den Botschaften und Konsulaten Russlands protestiert würde. Schließlich haben die Betroffenen auch erklärt, wie sehr die Solidarität von außen geholfen hat, im Gefängnis zu überleben.