Droht bei einer Verschmelzung des Gehirns mit KI der Verlust des Bewusstseins?

Die Philosophin und Kognitionswissenschaftlerin Susan Schneider führt ungelöste Probleme für die Implantation von Chips im Gehirn zur kognitiven Optimierung an

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Der Milliardär Elon Musk hat Flausen im Kopf. Er kann sie sich leisten. Die letzte Idee war die Gründung seines neurotechnologischen Start-Ups Neuralink zur Entwicklung einer Gehirn-Computer-Schnittstelle. Vor kurzem hieß es, man habe ein Neuroimplantat mit über 3000 Elektroden entwickelt, die mit einer Nadel eines neurochirurgischen Roboters in die Gehirne von Ratten eingeführt wurden. Angedacht ist in Zukunft eine Implantation mit Laser. Geplant ist, Strom- und Datenübertragung drahtlos zu bewerkstelligen, um letztlich "biologische Intelligenz mit Maschinenintelligenz zu verschmelzen". Das ist für ihn deswegen wichtig, weil ansonsten Künstliche Intelligenz die Macht übernehmen könnte.

Ob eine solche Schnittstelle mit der propagierten Verschmelzung jemals zu realisieren sein wird, ist offen, aber wohl eher unwahrscheinlich. Neurochips mit bestimmten Funktionen, auch zum kognitiven Enhancement sind schon eher denkbar. Die Philosophin und Kognitionswissenschaftlerin Susan Schneider, Direktorin des Instituts AI, Mind and Society ("AIMS") an der University of Connecticut, findet die Idee der Verschmelzung prinzipiell bedenklich. In einem Beitrag für die Financial Times und die New York Times warnt sie im apokalyptischen Ton, dass der Versuch, das menschliche Gehirn mit KI zu verbinden, in einem (geistigen) Selbstmord enden könnte.

Schneider sagt, Brainchips könnten aus zwei philosophischen Gründen nicht funktionieren. Bewusstsein bzw. bewusste Erfahrung ist persönlich. Uneins sei man, ob es Bewusstsein nur auf biologischer Grundlage gebe oder ob sich auf anderen Substanzen wie Silizium- oder Graphit-Mikrochips auch bewusste Erfahrungen entwickeln können.

Geht man davon aus, dass Mikrochips keine Grundlage für Bewusstsein sein können, dann würde man durch Implantation von Neurochips in das Gehirn das Bewusstein mindern oder das Leben als bewusstes Sein beenden. Dann, so Schneider, würde einerseits das Bewusstsein die Verstärkung der Intelligenz begrenzen, während andererseits Künstliche Intelligenzen immer schlauer werden, aber kein Bewusstsein entwickeln könnten. Zwar könne man vielleicht Teile des Gehirns, die nichts mit dem Bewusstsein zu tun haben, mit Chips verbessern, aber das könnte wiederum durch das Arbeitsgedächtnis und die Aufmerksamkeitssysteme ausgebremst werden. Die gehören entscheidend zum Bewusstsein, können aber nur geringe Informationsmengen verarbeiten, und das auch noch langsam. So könnten zwar große Mengen an Daten mit großer Geschwindigkeit in den mit den Chips verbundenen Gehirnteilen verarbeitet werden, aber es gebe einen Flaschenhals mit geringer Bandbreite, durch den die Daten nur weiter durchtröpfeln. Damit wäre also nicht viel gewonnen.

Im Szenario hingegen, in dem Mikrochips Grundlage von Bewusstsein sein könnten, sieht Scheider ein anderes Problem, das mit dem Selbst zu tun hat, ebenso wie das Bewusstsein Thema philosophischer Kontroversen. Die Frage wäre, ob eine Person weiter existiert, wenn eine Verschmelzung mit einer KI stattgefunden hat, oder ob das Selbst durch ein anderes ersetzt würde.

Beide Szenarien setzen eine Beantwortung dessen voraus, was die wesenhaften Eigenschaften einer Person sind: "Selbst wenn man superintelligent werden will, wäre es vergleichbar mit einem Selbstmord, wenn man bewusst eine wesentliche Eigenschaft oder mehrere dafür aufgeben würde, also wenn man absichtlich verursachen würde, dass man selbst nicht mehr existiert. Bevor man also versucht, den eigenen Geist neu zu gestalten, sollte man besser wissen, welche wesentlichen Eigenschaften man hat."

Wenn eine Person superintelligent werden will, dann will sie zwar anders, also besser, werden, aber, so muss man vermuten, dennoch nach der "Verbesserung" weiterhin die Person bleiben, die man war, als man sich diese wünschte oder sich für ein Neuroimplantat entschieden hat. Wenn man nicht genau weiß, was persönliches Bewusstsein und das Selbst ausmacht, also ob der Einbau von Neurochips nur das Gehirn erweitert wie das beim Körper mit einer künstlichen Prothese oder einem Ersatzorgan wäre oder ob die Verschmelzung des Gehirns mit einem Chip und des Geistes mit einer KI das Ich grundsätzlich verändern, man ver-rückt oder von sich entfremdet würde, kann man das Abenteuer nur vermeiden oder eingehen, um zu sehen, was passiert. Auch das nur, wenn das persönliche Bewusstsein die Verschmelzung überlebt und Vorher und Nachher noch vergleichen kann. Oder es müsste sich jemand auf eigenes Risiko opfern, um zu demonstrieren, was passieren könnte, wenn man sich einer solchen Prozedur des Enhancement unterzieht.

Schneider führt an, dass diejenigen, die eine Verschmelzung von Geist und Maschine für möglich halten, davon ausgehen, dass der Geist nicht an das Gehirn gebunden ist, sondern dort nur wie ein Software-Programm funktioniert, das auch auf einem anderen Träger laufen kann. Daher können neue Dateien hochgeladen oder auch das Programm in einer Cloud abgespeichert werden. Programme enthalten nach Schneider Befehle für einen Computer, jede Code-Zeile sei eine mathematische Gleichung. Programme und Gleichungen seien aber abstrakte Entitäten, die nicht in Raum und Zeit situiert sind: "Aber der Geist und das Selbst sind räumliche Lebewesen und kausale Akteure. Unser Geist hat Gedanken, die uns zum Handeln in der konkreten Welt veranlassen. Und für uns vergehen Augenblicke - wir sind zeitliche Lebewesen."

Die Argumentation überzeugt nicht, denn philosophisch ist umstritten, ob das individuelle Bewusstsein bzw. der Geist die physiologischen Vorgänge oder neuronalen Aktivitäten im Gehirn sind, also mit naturwissenschaftlichen Mitteln erfasst und erklärt werden können (Monismus). Die Gegenthese beim Gehirn-Geist- oder Körper-Seele-Problem ist die dualistische Perspektive, die davon ausgeht, dass psychische Prozesse (Geist, Bewusstsein etc.) zwar eng an das Gehirn gebunden sind, aber nicht oder nicht völlig identisch mit messbaren Vorgängen in diesen sind. Neuronale Aktivitäten sind auf der unteren Ebene auch "abstrakt" wie Gleichungen, und warum Programme, die in materiellen Computern laufen und dessen Verhalten in der Regel elektronisch steuern, nicht in Raum und Zeit eingebettet sein sollen, ist schleierhaft.

Gleichwohl hat Schneider natürlich Recht, wenn sie sagt, dass man angesichts der grundsätzlichen Unsicherheit über individuelles Bewusstsein und personale Identität vorsichtig mit der Idee einer Verschmelzung des Gehirns mit KI umgehen soll: "Technisches Können ist nicht genug. Um Erfolg zu haben, müssen wir die philosophischen Probleme, die unter den Algorithmen liegen, verstehen." Allerdings haben sich die Philosophen schon mehr als 2000 Jahre mit dem Leib-Seele-Problem beschäftigt, ohne zu einer einvernehmlichen Lösung zu kommen. Daher können Philosophen vielleicht den Blick auf manche gerne übersehenen Probleme schärfen, aber Schneider hat wohl eher ein Plädoyer für die angebliche Notwendigkeit des Berufsstandes des Philosophen geschrieben. Und dabei taucht auch wieder das Leib-Seele-Problem auf, wenn sie schreibt, dass Technik eben doch nicht ausreicht, sondern Philosophie notwendig sei, die dann sich grundsätzlich von Technik unterscheiden muss.