EU-Ombudsmann untersucht Subventionen für Öl- und Gasindustrie

Symbolbild: LNG-Tanker von Shell. Bild: kees torn/CC BY-SA-2.0

Trotz vielfältiger Proteste stimmte die Mehrheit der EU-Abgeordneten einer Förderliste für die Öl- und Gaskonzerne zu. Doch nun drohen offizielle Untersuchungen

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Am vergangenen Mittwoch stimmten die Abgeordneten im Europäischen Parlament zu, auch zukünftig weiter Infrastrukturen der Öl- und Gasindustrie zu subventionieren ("Als gäbe es die Klimakrise nicht"). Bis zum letzten Augenblick hatten Klimaaktivisten versucht, die inzwischen 4. Liste der so genannten "Projekte von gemeinsamem Interesse" (PCI) zu stoppen (Brüssel will weiter Öl- und Gaskonzerne subventionieren).

In Berlin protestierten Aktivisten von Food an Water Europe und Extinction Rebellion direkt vor der Vertretung der EU-Kommission am Brandenburger Tor. Unzählige Menschen hatte in den vergangenen Wochen Abgeordnete angeschrieben, um sie auf die Brisanz der PCI-Liste aufmerksam zu machen.

Martin Sonneborn teilte anschließend den deutschen Wählerinnen und Wählern mit, wie ihre Abgeordneten abgestimmt hatten. Während die Fraktionen der Linken, der SPD, der Grünen sowie natürlich der PARTEI das Subventionsprogramm ablehnten, stimmten CDU, CSU und die FDP gemeinsam mit der AfD dafür, aus Steuermitteln weiterhin Öl- und Gaskonzerne zu finanzieren.

Mit der umstrittenen Liste fördert die EU-Kommission beispielsweise 55 fossile Gasprojekte. Viele davon sind darauf angelegt, zukünftig mehr verflüssigtes Erdgas (LNG) etwa aus den USA nach Europa einzuführen. "Das ist ein schlechter Tag für das Klima", bilanzierte enttäuscht die Europaabgeordnete Cornelia Ernst (Die Linke).

Genau dieselbe Europäische Kommission, die "vollmundig" den so genannten Europäischen Green Deal verkündet hat, finanziere nun Gasprojekte, die "fast genauso dreckig wie Braunkohle" sind, so die energiepolitische Sprecherin ihrer Fraktion. Sie kündigte an, darauf hinzuarbeiten, dass die Kommission das zugrundeliegende Gesetz, die TEN-E-Verordnung, überarbeitet.

Offizielle Untersuchung gegen die PCI-Liste

Kurz nach der gescheiterten Abstimmung meldet sich nun jedoch der EU-Ombudsmann und gab bekannt, dass er eine offizielle Untersuchung gegen die PCI-Liste eröffnet. Der Vorwurf lautet, dass die Kommission, anders als offiziell festgelegt, überhaupt nicht untersuchen ließ, wie sich diese zu finanzierenden Infrastrukturen auf das Klima auswirken. Die Ermittlung des Ombudsmannes ist ein direktes Ergebnis einer offiziellen Beschwerde.

Bereits Ende Oktober letzten Jahres hatte Andy Gheorghiu den EU-Bürgerbeauftragten informiert, dass die Kommission die zwingend vorgeschriebene Nachhaltigkeitsprüfung überhaupt nicht hatte durchführen lassen, bevor sie Öl- und Gasprojekte auf die PCI-Liste hatte setzen lassen. "Soweit ich herausfinden konnte, wurde kein einziges Projekt auf der Liste vorher überprüft", so der Berater von Food and Water Europe. Doch der Umgang der EU mit dieser Liste werde nun genauer unter die Lupe genommen.

Die 4. PCI-Liste steht nicht nur für eine schlechte Politik, sondern sie ist nicht einmal konform mit geltendem EU-Recht und dem Pariser Abkommen.

Andy Gheorghiu, Food and Water Europe

Dies sei den Vertretern der Kommission durchaus bewusst gewesen, berichtet Gheorghiu. So habe der stellvertretende Direktor Klaus-Dieter Borchardt auf der Sitzung des "Ausschusses für Industrie, Forschung und Energie" (ITRE) am 17. Oktober 2019 offen zugegeben, dass das Fehlen der vorgeschriebenen Klima- und Umweltbewertung seit über sechs Jahren ignoriert wird. "Das stellt natürlich die Rechtmäßigkeit aller bisherigen PCI-Listen in Frage."

Subventionen, die Öl- und Gaskonzernen Risiken abnehmen

Insgesamt hat die Kommission über dieses Instrument bereit mehr als 1,6 Milliarden Euro an Öl- und Gaskonzerne weitergereicht. In vielen Fällen, etwa bei dem Importterminals für LNG in Polen, Kroatien und Griechenland, zweifeln Kritiker ohnehin an der Wirtschaftlichkeit. Ohne öffentliche Subventionen aus EU-Töpfen hätten die Unternehmen teilweise gar nicht begonnen, neue Infrastrukturen zu bauen.

Verglichen mit konventionell gefördertem Erdgas, das mit Pipelines transportiert wird, ist der Transport von verflüssigtem Erdgas über den Atlantik nicht nur extrem klimaschädlich, sondern auch unverhältnismäßig teuer. Der europäische Steuerzahler nehme den Öl- und Gaskonzernen ihre Risiken ab und schaffe damit langfristige Infrastrukturen, die in den kommenden Jahrzehnten die Energiewende behindern, so Kritiker wie Food and Water Europe.