Kampf um einen Platz an der Sonne

Armin Laschet und Annalena Baerbock auf der Sicherheitskonferenz. Bild: securityconference.org/

Die Münchner Sicherheitskonferenz ist in erster Linie deshalb interessant, weil sie zeigt, wie sich die deutschen Eliten im 21.Jahrhundert einen Platz an der Sonne erkämpfen wollen und auf welche Schwierigkeiten sie stoßen - Ein Kommentar

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Am Ende ist die Münchner Sicherheitskonferenz in der deutschen Innenpolitik angekommen. Der CDU-Politiker Armin Laschet , einer der Kandidaten in der aktuellen Debatte um die CDU-Führung, ging auf Distanz zu Merkel und beschwor die Zeiten Anfang der 1990er Jahre, als Kohl die Deutsch-EU prägte und sich bei der Frage der Wiedervereinigung klar gegen Frankreich und Großbritannien durchsetzte, die von einem Machtzuwachs Deutschland längst nicht begeistert waren.

Laschets Ausführungen sind ein doppeltes Signal. Selbst er, der gegenüber seinen Mitkonkurrenten Merz und Spahn als Vertreter der modernen Union gilt, muss nun die Kohl-Ära beschwören und sich von Merkel abgrenzen. Das ist ein Indiz dafür, wie stark das Scheitern von Kramp-Karrenbauer auch eine Niederlage von Merkel und ihres Politikverständnisses ist. Damit kann man wohl heute in der Union keine Wahlen gewinnen. Doch Laschets Äußerungen sind auch eine Ansage an die Teilnehmer der Sicherheitskonferenz, dass die deutschen Eliten bereit sind, um ihren Einfluss in der Welt zu kämpfen.

Steinmeier als der ideelle deutsche Gesamtimperialist

Der Einfluss wird schließlich seit Jahren von sehr verschiedener Weise herausgefordert. Bundespräsident Steinmeier, der die Konferenz eröffnete und dort als der ideelle deutsche Gesamtimperialist auftrat, benannte als Gegner neben China und Russland auch ganz selbstverständlich die USA, die angeblich den Weg des Multilateralismus verlassen habe und nur noch egoistisch "eigene Interessen" vertrete.

Das sind allerdings nur zwei Wege, wie sich kapitalistische Machtblöcke um die Aufteilung der Welt zanken. Die Multilateralisten streben ein sogenanntes Bündnis des Westens gegen China und Russland an. Dagegen setzt die USA nicht erst unter Trump auf die eigenen Kräfte. Das bedeutet auch, bestimmte Regionen der Welt kapitalistischen Konkurrenten zu überlassen. Deswegen erscheint Trump im Vergleich mit besonders interventionsfreudigen US-Demokraten dann sogar in manchen Punkten weniger kriegerisch als zum Beispiel Clinton und Co. Auch dabei geht es nur um unterschiedliche Formen kapitalistischer Mächte, sich die Welt aufzuteilen.

Die deutschen Eliten hofieren nun die oppositionellen Demokraten, obgleich sie genau wissen, dass auch sie Konkurrenten um die Beute sind. Hieraus erklärt sich auch die irrationale Sehnsucht nach Politikergestalten wie Joe Biden, die in der deutschen Presse hohe Zustimmungswerte haben, die sich allerdings bisher nicht in Vorwahlergebnissen in den USA niederschlagen. Deswegen wird auch ständig Biden als von Trump unschuldig verdächtigter Saubermann dargestellt. Dabei wird dann kaum erwähnt, dass nicht Trump, sondern ein ehemaliger ukrainischer Generalstaatswalt Biden sogar kürzlich des Mordversuchs bezichtigt.

Kampf um die Vorherrschaft auch innerhalb der EU

Doch auch innerhalb der EU muss Deutschland ständig um seine Vorherrschaft kämpfen. Die nostalgische Beschwörung der Kohl-Jahre durch Laschet richtet sich gegen sie. Bei der Außerkraftsetzung der griechischen Demokratie durch die EU-Troika nach dem Wahlsieg von Syriza 2015 konnten sich die deutschen Eliten noch auf die Unterstützung der führenden EU-Staaten Frankreich und Großbritannien verlassen. Die europäischen Peripheriestaaten hatten nicht die Kraft, sich dagegen aufzulehnen.

Fünf Jahre später ist Großbritannien aus der EU ausgeschieden und Frankreich tanzt schon längst nicht mehr nach der Pfeife der Deutsch-EU. Daher gab es auf der diesjährigen Sicherheitskonferenz den Schlagabtausch mit Macron, der die deutsche Regierung auch direkt angriff. Macron hat bisher erfolgreich eine EU-Erweiterung mit Staaten aus dem Gebiet des ehemaligen Jugoslawien blockiert. Die galten schon bei den Kriegszielplänen des deutschen Kapitalis im Ersten Weltkrieg als Hinterhof Deutschlands. Deswegen hat Macrons Veto gegen eine Ausdehnung dieses Hinterhofs in Deutschland auch viel Kritik ausgelöst.

Das Ganze wird natürlich mit wohlklingenden Phrasen von Freiheit und Demokratie bemäntelt. Im Konflikt um Libyen kommt dann noch die Friedensrhetorik hinzu. Auch das ist eine Baustelle, auf der die unterschiedlichen Konfliktlinien zwischen Deutschland und Frankreich offen zutage treten. Deutschland tritt wie schon bei der sogenannten Kongokonferenz unter Bismarck als ehrlicher Makler in Afrika auf, der dort die französischen Interessen angreift. So hält sich noch immer die Falschbehauptung, Deutschland habe keine Kolonien besessen. Das ist genauso unwahr, wie dass Deutschland beim Sturz des Gaddafi-Regimes keine Rolle gespielt hat.

Richtig ist allerdings, dass sich die deutschen Eliten zurückhaltend verhalten haben, während die französischen Eliten vorangegangen sind. Die Konkurrenz Frankreich - Deutschland wird beim sogenannten Neuaufbau Libyens, was nur der andere Name für den Zugriff des europäischen Imperialismus mit seinen unterschiedlichen Interessen auf das Land ist, eine zentrale Rolle spielen.

Es ist der ganz gewöhnliche Imperialismus in moderner Form

Vor 100 Jahren hatte zumindest der linke Flügel der Arbeiterbewegung eine klare Einschätzung, dass es bei den schon damals auch periodisch stattfindenden Friedenskonferenzen der verschiedenen kapitalistischen Großmächte nur um Atempausen im kapitalistischen Kampf um die Neuaufteilung der Welt handelt. Niemand hätte die Friedensreden, mit denen diese Konferenzen eingeleitet werden für bare Münze genommen.

Das ist heute anders. Heute wird in der Öffentlichkeit wirklich so getan, als gehe es tatsächlich um ernsthafte Bemühungen, Kriege abzuschaffen. Dabei handelt es sich um die Elitenkämpfe zwischen den unterschiedlichen kapitalistischen Zentren, die im Rahmen der Münchner Sicherheitskonferenz immer offen ausgetragen werden, um etwas, was mit dem altmodischen Begriff Imperialismus noch immer umschrieben werden kann.

Allerdings muss hinzugefügt werden, dass es sich um einen Imperialismus des 21. Jahrhunderts handelt. Er hat sich in den letzten hundert Jahren genau so verändert wie der Kapitalismus. Es ist sicher richtig, wenn sich die in Deutschland schwache Protestbewegung darauf auch neue Antworten einfallen lässt. In diesem Jahr gab es neben der eher traditionellen Proteste gegen Siko am Samstag schon am Freitag eine Demonstration eines Bündnisses, das die gesamte Weltordnung kritisiert. Sprecherinnen dieser Demonstration wiesen darauf hin, dass es zu kurz greifen würde, noch immer nur die Rolle der USA zu kritisieren und dabei die EU und Deutschland zu vergessen. Die beiden Demonstrationen haben sich trotz aller Unterschiede in der Analyse nicht bekämpft, sondern es gab Bezüge aufeinander.

Es wird sich zeigen, wie die Diskussionen in der Zukunft weiterlaufen. Denn eins ist klar, nicht nur Laschets Beschwörung der Kohlära, als Deutschland in der EU die Linien vorgegeben hat, braucht eine Gegenbewegung, die dem deutschen Imperialismus entgegentritt. Davon kann heute keine Rede sein.