Jenseits von Afrika

Abmahnung für die Bundeskanzlerin im Busch

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Eine Frau in Afrika kommentierte neulich die Wahl des damals frisch gekürten Thüringer Landesvaters Thomas Kemmerich. Diese sei ein einzigartiger Vorgang, der mit Grundüberzeugungen der CDU und auch von ihr gebrochen habe, dass keine Mehrheiten mit Hilfe der Stimmen der AfD gewonnen werden sollten. Dies sei unverzeihlich und müsse rückgängig gemacht werden. Doch dieser politischen Abmahnung folgte eine juristische.

Die promovierte Physikerin erhielt nämlich eine Abmahnung der AfD, die Unterlassung und Schadensersatz verlangte. Die AfD sah ihr Recht auf Gleichbehandlung einer politischen Partei aus Artikel 21 GG verletzt, das Amtsträger zu Neutralität verpflichte. Ausführende Kanzlei war die Ihres CDU-Parteifreundes Prof. Dr. Ralf Höcker, dessen Briefkopf inzwischen auch der zum Kölner Medienanwalt aufgestiegene Parteifreund Dr. Hans Georg Maaßen ziert. Zur Abgabe einer Unterlassungserklärung setzte die Kanzlei eine Frist zum Mittwoch, den 26.02.20, 8.00 Uhr - die fleißigen Kölner Anwälte sind offenbar selbst am Aschermittwoch Frühaufsteher.

In Ihrem Schreiben beklagten die AfD-Anwälte, die Kritikerin habe sich nicht privat geäußert, da sie derzeit als Bundeskanzlerin der Bundesrepublik Deutschland arbeite und sich in dieser offiziellen Funktion zu einem innenpolitischen Thema bei einem Staatsbesuch geäußert habe. Als Amtsperson habe sie jedoch in dieser Eigenschaft eine Pflicht zu parteipolitischer Neutralität.

Die Juristen verwiesen auf verwaltungsrechtliche Entscheidungen, darunter die des Bundesverfassungsgerichts, das einen Verstoß gegen das Gebot der Chancengleich feststellte, als sich Bildungs- und Wissenschaftsministerin Prof. Dr. Johanna Wanka auf der Homepage ihres Ministeriums dafür aussprach, der AfD die Rote Karte zu zeigen. Diese Kompetenzüberschreitung verletze das Recht der betroffenen Partei auf Chancengleichheit aus Art. 21 Abs. 1 Satz 1 GG.

Amtsautorität wird dann in Anspruch genommen, wenn der Amtsinhaber sich durch amtliche Verlautbarungen in Form offizieller Publikationen, Pressemitteilungen sowie auf der offiziellen Internetseite seines Geschäftsbereichs erklärt oder wenn Staatssymbole und Hoheitszeichen eingesetzt werden. Bei der Rede des Abmahnopfers war allerdings eine Deutschlandfahne zu sehen, und der Termin war auch sonst eher nicht privat. Daher wäre nach diesen Maßstäben für parteitaktische Äußerungen maximale Zurückhaltung geboten gewesen. Und der Befehl einer Kanzlerin, eine nach den Regeln der Verfassung demokratisch zustande gekommene Wahl in einem Bundesland rückgängig zu machen, war dann auch etwas ungewöhnlich.

Doch die Kölschen Anwälte werden am Aschermittwochmorgen vermutlich vergeblich am Faxgerät auf die Unterlassungserklärung warten, denn eine solche wird eine Bundeskanzlerin schon aus Prinzip kaum jemals abgeben. Spannend wird, ob die AfD für eine mögliche Eilverfügung ernsthaft eine Dringlichkeit und Wiederholungsgefahr begründen kann, denn die vorliegende Konstellation war mehr als ungewöhnlich. Nutzen würde es ohnehin wenig, denn ein Spitzenpolitiker, der etwa vor einer anstehenden Wahl wie der in Hamburg existenzbedrohenden Schaden kurzfristigst einhegen muss, wird eine Kompetenzüberschreitung als das kleinere Übel bewerten. Bis es in ein paar Jahren ein rechtskräftiges Urteil geben kann, wird die Kanzlerin ihre Amtszeit ohnehin beendet haben.

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