MH17: JIT will einen Zeugen für den Abschuss der Buk-Rakete haben

Bild: Bonanza Media

Nach dem holländischem Geheimdienst war kein einsatzfähiges Buk-System in der Nähe, wenn die geleakten Dokumente authentisch sind, hätte das JIT zumindest sehr einseitig die Anklage konstruiert

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Hat das Gemeinsame Ermittlungsteam (JIT), das die Schuldigen für den Abschuss der malaysischen Passagiermaschine über der Ostukraine identifizieren und Klage gegen sie erheben soll, einen entscheidenden Schritt gemacht? In russischen und ukrainischen Medien wurde schnell aufgegriffen, was der scheidende Chefermittler Fred Westerbeke in einem Interview mit dem US-Sender CBS sagte. Auf die Frage, ob es Zeugen für den Abschuss der Rakete auf die MH17 gebe, antwortete Westerbeke: "Ja". Aber wollte nicht sagen, ob es nur einen oder mehrere Zeugen gibt: "Ich würde sagen, wir haben einen Zeugen."

Update 13:30: Nach Medienberichten gibt es insgesamt 13 Zeugen der Anklage, deren Identität aber geheimgehalten wird, um sie zu schützen, weil sie "beträchlichen Risiken" ausgesetzt seien.

Ein Mensch, der erklärt, er habe den Abschuss der Buk-Rakete, die nach dem JIT von der 53. Luftabwehrbrigade aus Kursk stammen soll, gesehen, dürfte freilich nicht sonderlich überzeugend sein. Alle Menschen in der näheren Umgebung müssten den Krach beim Start gehört haben. Es gibt allerdings einige Zeugen, die davon sprechen, sie hätten zur Zeit des Abschusses ukrainische Kampfflugzeuge in der Luft gesehen. Das berichtete auch ein Zeuge einem niederländischen Ermittler, das Protokoll der Vernehmung wurde kürzlich geleakt. Er äußerte auch Skepsis gegenüber einem Foto, auf dem angeblich die Rauchspur der aufsteigenden Rakete auf einem wolkenlosen Himmel zu sehen ist, während es am 17. Juli bedeckt war.

Diese Informationen wurden vom JIT allerdings nicht verwendet, das im Grunde nur die Hypothese zu verifizieren suchte, dass der Abschuss durch eine Buk auf dem von den Separatisten kontrollierten Gebiet erfolgt sei. In dem CBS-Film wird auch wieder auf die abgehörten Telefongespräche verwiesen, die vom wenig verlässlichen ukrainischen Geheimdienst stammen. Nach einem ausführlichen, bislang meines Wissens nicht widerlegten Bericht über die Analyse eines forensischen Instituts in Malaysia sollen die Aufnahmen manipuliert worden sein.

Die Separatisten hatten ein Buk-System, aber das war nicht einsatzfähig

In Auftrag gegeben hatte dies Bonanza Media von Max van der Werff und Yana Yerlashova, die auf eigene Faust und durch Spenden finanziert eine investigative Erkundung begonnen und erste Dokumente geleakt haben, die es in sich haben, sollten sie authentisch sein, wogegen aber nichts zu sprechen scheint (Geleakte Dokumente nähren Zweifel am JIT. Kürzlich veröffentlichten sie englische Fassung eines ein Bericht von Generalmajor Onno Eichelsheim, Direktor des niederländischen Militärgeheimdiensts MIVD, vom 21. September 2016 an die Staatsanwaltschaft. Danach gab es zum Zeitpunkt des Abschusses keine ukrainischen und russischen Buk-Systeme in der Region, die wegen ihrer Reichweite in der Lage gewesen wären, die Maschine zu treffen. Eichelsheim bezieht sich auch auf Informationen von Partnern (Video).

Der Bericht auf Niederländisch wurde jetzt geleakt. Der Geheimdienst MIVD wollte sich zur Authentizität nicht äußern und verwies auf das JIT, das sich aber auch nicht äußern will und auf den anstehenden Prozess verweist, der am 9. März beginnen wird.

Am Dienstag legten Max van der Werff und Yana Yerlashova ein weiteres Dokument des niederländischen Militärgeheimdienstes vom selben Tag vor. Hier ist die Rede wieder mit Verweis auf Partnerorganisationen davon, dass es ein Buk-System nördlich von Donezk in der Nähe des Absturzortes vom 11. bis 22 Juli gab (Kiltseva Doroha, Donezk Oblast). Aber es sei ein Radar- und Abschusssystem gewesen, das so zerstört war, insbesondere das Elektronikteil, dass es nicht einsatzfähig war.

Als Beleg verweist Eichelsheim auf Fotos des zerstörten Systems im Internet. Vor der ersten Pressekonferenz des JIT am 28. September 2016 gab es also vom niederländischen Geheimdienst mit Partnerorganisationen erstellte Berichte, dass es keinen Beweis gibt, dass MH17 von einem Buk-System abgeschossen worden sein kann. Offenbar gab es auch keine Informationen, ob ein Buk-System über die Grenze gebracht worden ist. Das JIT berichtete dennoch ohne Verweis auf die Befunde, dass MH17 von einer russischen Buk-Rakete, abgefeuert vom Separatistengebiet, abgeschossen wurde (Die Separatisten waren es).

Das vom niederländischen Militärgeheimdienst ausgemacht Buk-System in der Nähe von Donezk.

Australische Polizei mit Zweifeln an von Bellingcat präsentierten Bildern

Das JIT hat sich neben den vom SBU beschafften mitgeschnittenen Telefongesprächen wesentlich auf Informationen von Bellingcat, die ohne groß auf die Authentizität von Bildern zu achten und sie forensisch zu prüfen, bildliche Beweise für den Transport des Buk-Systems aus Russland und zurück präsentierten. Warum das JIT nicht nur eine forensische Laiengruppe, die alles andere als unabhängig ist, als wesentliche Quelle von Ermittlungen akzeptiert, ist eine Frage, eine wichtigere ist die, warum keine forensische Prüfung des Bildmaterials vorgelegt wurde.

Das ist vor allem deswegen erstaunlich, weil die australische Polizei in einem Bericht an das JIT vom Juli 2015 einige der von Bellingcat als Beweisstücke für den Transport des Buk-Systems präsentierten Bilder als manipuliert bezeichneten, zumal die Originalbilder fehlen. Bei den vier untersuchten Bildern seien die Metadaten verändert worden, mit hoher Wahrscheinlichkeit würden sie nicht aus der Zeit des MH17-Abschusses stammen. So fehlen die Geokoordinaten.

In der CBS-Sendung kommt auch Eliot Higgins, der Gründer von Bellingcat, zu Wort. Er sagt, Bellingcat habe "mit Gewissheit" nachgewiesen, dass die Buk-Rakete aus Kursk stamme. Aus den Bildern, die mitunter Spezialisten der australischen Polizei als manipuliert betrachten, gehe nach Higgins hervor, dass bei dem angeblich zurückfahrenden Buk-Transporter eine Rakete fehlte. Andy Kraag vom JIT meint, das sei damals entscheidend gewesen. Man habe viel von Bellingcat gelernt, aber das sei nur eine Schicht, "weil wir Beweise aufbauen müssen, die vor Gericht stand halten. Wir haben auch Zeugen, forensische Beweise etc." Man wird im Prozess sehen, was das JIT an gerichtsfesten Beweisen zu bieten hat und wie es erklären kann, dass manche nicht mit der Klagerichtung übereinstimmende Ermittlungen nicht berücksichtigt wurden.