Katz-und-Maus-Spiel um Nord Stream 2?

Grafik: TP

Ein russisches Verlegeschiff tastet sich aus dem Japanischen Meer via Singapur und Sri Lanka nach Suez

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Am 20. Dezember unterschrieb US-Präsident Donald Trump einen vom US-Kongress zusammengestellten neuen National Defense Authorization Act (NDAA), der ein Teilgesetz namens "Protecting Europe's Energy Act" enthält. Dieses Teilgesetz droht Unternehmen, die sich an der Verlegung russischer Unterwassergasleitungen beteiligen, Sanktionen an. Die mit der Verlegung der Rohre für die Nord-Stream-2-Gaspipeline beauftragte schweizerisch-niederländische Firma Allseas stellte deshalb ihre Arbeit am Bau der Erdgaspipeline ein (vgl. Nord Stream 2 gestoppt).

Im Februar meinte Rainer Seele, der Vorstandsvorsitzende der am Pipelineprojekt beteiligten OMV, gegenüber dem Wirtschaftsnachrichtenportal Bloomberg, dass der russische Gazprom-Konzern nun nach einem Verlegeschiff für die ausstehenden zwei Stränge mit jeweils 160 Kilometern suche. Und er, so Seele, wette auch darauf, dass er eines finde.

Dänen verlangen dynamisches Positionierungssystem

Ein Schiff, das dafür infrage käme, wäre die in der Ostsee ankernde Fortuna, die dem russischen Leitungsbaunternehmen MPTC gehört. Technisch wäre das erst zehn Jahre alte Gerät durchaus in der Lage, den Rest der Leitungen zu verlegen - aber die dänischen Behörden, die den Bau von Nord-Stream-2 auch auf andere Weise lange verzögerten, wollen es dafür nicht zulassen, weil es nur über ein 12-Punkte-Positionierungssystem zur automatischen Positionsänderung bei Seegang verfügt.

Das dynamische Positionierungssystem, das sie verlangen, steht auf der eine Milliarde Euro teuren Akademik Cherskiy zur Verfügung. Sie verlegt Rohre allerdings deutlich langsamer als die Fortuna: Pro Tag schafft sie nur etwa einen Kilometer. Zudem ankerte sie bis vor kurzem sehr weit von der Ostsee entfernt: In Nachodka, in der Nähe von Wladiwostok (vgl. "Kraft Sibiriens" liefert russisches Gas nach China). Am 9. Februar legte das Schiff dort ab und nahm dem Navigationsportal VesselFinder nach Kurs auf Singapur. Dort legte es jedoch nicht an, sondern fuhr Richtung Sri Lanka weiter. Nun hat es Kurs auf den ägyptischen Hafen Suez genommen, in dem es am 25. März ankommen könnte.

Versicherungsverbot?

In Suez gibt es nicht nur einen Hafen, sondern auch einen Kanal, der das Rote Meer mit dem Mittelmeer verbindet. Das wiederum ist über die Meerenge von Gibraltar mit dem Atlantischen Ozean verbunden, über den sich via Nordsee in die Ostsee gelangen lässt. Offiziell will dieses mehr oder weniger nahe liegende Ziel aber niemand bestätigen. Weder bei Gazprom noch bei der Nord Stream 2 AG.

Das könnte damit zusammenhängen, dass man im US-Kongress den Informationen des Handelsblatts nach bereits über weitergehende Sanktionen nachdenkt. Auch Andrej Kobolew, der Chef des ukrainischen Energiekonzerns Naftogaz, deutete solche neuen Sanktionen an, als er meinte, man rede derzeit mit den Amerikanern darüber, "wie man sicherstellen kann, dass dieses Projekt endgültig begraben wird" (vgl. Potenzielle Profiteure der Nord-Stream-2-Verzögerung).

Neue Sanktionen könnten der Meinung von Igor Juschkow von der russischen Stiftung für Nationale Energiesicherheit zufolge auch ein Versicherungsverbot beinhalten. Und ohne Versicherung dürfte die Akademik Cherskiy die fremden Gewässer bis zur Ostsee nicht durchqueren. Insofern ergäbe es Sinn, dass der längerfristige Zielort des Schiffs möglichst lange nicht offiziell bestätigt wird. Merkwürdig ist jedoch, dass gerade russische Medien wie SputnikNews ziemlich offen über die Ostsee als eigentliches Ziel spekulieren. Das lässt andere Spekulationen zu, ob man es vielleicht mit einem komplexeren Täuschungsmanöver zu tun hat.

Brüsseler Anlandeverbot in Bulgarien führte dazu, dass Erdoğan ein weiteres Druckmittel hat

Eine Pipeline, zu der die Akademik Cherskiy eher nicht unterwegs sein dürfte, ist die Turkish-Stream-Pipeline im Schwarze Meer. Sie wurde nämlich - anders als Nord-Stream-2 - Anfang des Jahres termingerecht in Betrieb genommen. Dabei kam ihr zugute, dass die aktuellen US-Sanktionen erst ab einer Verlegetiefe von 30 Metern greifen. Nun soll Turkish Stream an Land weitergebaut werden und russisches Erdgas über Nordmazedonien und Serbien bis nach Mitteleuropa liefern.

Weil die Pipeline in der Türkei anlandet, hat mit ihr nicht nur die russische, sondern auch die türkische Staatsführung ein Druckmittel, das sie gegen EU-Länder einsetzen kann. Hätte die EU nicht untersagt, dass die Leitung wie geplant in Bulgarien das Schwarze Meer verlässt (vgl. Ende von South Stream), würde dem türkischen Staatspräsidenten Erdoğan dieses Druckmittel heute fehlen.

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