Irak: Die Verwundbarkeit der "besten Armee der Welt"

Vergeltungsangriffe des US-Militärs nach dem ersten Angriff auf Camp Taji. Bild: Centconm

Zermürbungskrieg: Keine funktionierende Abwehr gegen Raketen, die auf US-Stützpunkte zielen. Im erneut angegriffenen Camp Taji sind auch Bundeswehrsoldaten stationiert

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Anderswo geht der Krieg weiter. Auch deutsche Soldaten befinden sich in unmittelbarer Nähe. Wie man heute in Berichten über einen erneuten Raketenbeschuss des Militärstützpunkts Taji (auch: Tadschi) erfährt, wird der Stützpunkt unweit von Bagdad nicht nur von US-amerikanischen und britischen Militärs genutzt, sondern auch von der Bundeswehr. 50 deutsche Soldaten sollen dort stationiert sein.

Den Bundeswehrsoldaten geschah nichts. Sie wurden laut dpa nicht getroffen, wie die Tagesschau berichtet. Von zwei Verletzten durch den Angriff auf Camp Taji ist die Rede. Genauere Angaben dazu gibt es noch nicht.

Man erfährt freilich auch nicht, wie beunruhigt oder schockiert die Bundeswehrsoldaten auf den Beschuss reagierten. Gründe zur Nervosität gäbe es genügend. Vieles deutet daraufhin, dass der Angriff Teil eines Zermürbungskriegs ist, der zum Ziel hat, die US-Truppen über kurz oder lang zum Abzug aus dem Irak zu drängen.

Bisher sieht es so aus, dass das US-Militär mit seinen Aktionen die kriegerischen Auseinandersetzungen noch weiter befördert, als sie einzudämmen. Sie verstricken sich in die Spirale aus Angriffen und Gegenangriffen. Und: Die US-Truppen haben bislang keine Abwehr gegen die Raketen.

Raketenangriffe weiterhin signifikante Drohung für US-Truppen

Die Raketenangriffe werden weiterhin "eine signifikante Drohung für US-Truppen" darstellen, da es kein wirkungsvolles Abwehrsystem gegen sie in den Militärstützpunkten gibt, die vom US-Militär - und ihren Verbündeten - genutzt werden. Das ist die Lage, wie sie ein Bericht im US-Magazin The Drive beschreibt.

Er ist deswegen bemerkenswert, weil er Anhörungen zur Sache vor dem US-Kongress zur Grundlage hat. Dort wurden Verantwortliche der US-Armee, wie es amerikanisch heißt, "gegrillt", also unbequemen Fragen ausgesetzt.

Anlass war der Raketenangriff auf den Stützpunkt Taji in der vergangenen Woche, der zu drei Toten geführt hat, zwei US-Amerikanern und einer britischen Sanitäterin (siehe: Angriff auf US-Militärbasis im Irak). Das Abwehrproblem zeigte sich schon Anfang Januar, als iranische Raketen auf die von US-Truppen genutzte Militärbasis al-Asad einschlugen und bei 110 US-Soldaten ein Schädel-Hirn-Trauma verursachte.

Das kurze Fazit der Anhörung und des Berichts: Anfang Januar war keine Gegenwehr zu sehen, dem Patriot-System, das gegenwärtig im Irak zum Schutz gegen Raketenangriffe installiert werden soll, wird nicht allzu viel zugetraut, und das Iron-Dome-System, von dem man sich mehr Erfolge verspricht, wurde zwar eingekauft, bis es im Irak eingesetzt werden kann, wird es noch unbestimmt lang dauern.

Der Frust wächst

Gegenwärtig sei das Iron Dome-System nicht einsatzbereit, außerdem gebe es "keine Garantie", dass es "bei einem künftigen Angriff erfolgreich alle Bedrohungen abwehren" könne. Der Frust wächst, berichtet The Drive aus dem Kongress.

Schaut man sich die Fotos an, die die Ladefläche des Lastwagens zeigen, von dem die Katjuscha-Raketen allen Indizien nach am 12. März auf den Militärstützpunkts Taji abgeschossen wurden, versteht man den Frust.

Wie kann es sein, dass eine derartig hochgerüstete Armee wie die der USA mit dem weitaus höchsten Verteidigungsbudget der Welt, die militärtechnisch in einer ganzen anderen Welt angesiedelt ist, in der Realität von solchen einfachen Systemen schmerzhafte Schläge abbekommen?

Es zeigt sich ein Update des asymmetrischen Kriegs, den die USA schon im ersten Jahrzehnt des Jahrhunderts erlebt haben. Diesmal setzen ihr keine improvisierten Sprengsätze an den Straßen zu, sondern Raketen, die nicht dem Standard entsprechen, mit dem man auf Waffenmessen imponieren könnte.

Die Gegenseite zeigt sich selbstbewusst. Angegriffen wurde tagsüber, nicht in der Dunkelheit, die "Abschussrampe" ließ man einfach stehen, davon gibt es offenbar genug.

Gegenschlag mit dem "Holzhammer"

Das US-Militär reagierte darauf am Freitag mit dem "Holzhammer". Mehrere Ziele der Miliz Khatib Hizbollah, die vergangene Woche schon in Syrien angegriffen worden war, wurden zerstört und die Wucht der Angriffe von Centcom auf mehreren Kanälen dokumentiert und veröffentlicht. Das soll beeindrucken.

Allerdings hatte die Holzhammer-Reaktion zur Folge, dass auch Mitglieder der irakischen Armee getötet wurden und dies obwohl die Verantwortlichkeit der Miliz Khatib Hizbollah für die Angriffe auf Taji nur für die USA klar erwiesen ist (ohne dass sie dafür Beweise vorlegt).

Im Irak, wo die Lage angespannt ist, ist man nicht erfreut über das Verhalten der USA. Das Risiko ist groß, dass sich dort ein neues Schlamassel entwickelt. Kriegerische Auseinandersetzungen, die schwer zu kontrollieren sind und viele mithineinziehen, bis die USA ihre Truppen abziehen.

Dass Iran hier mitspielt, ist ein offenes Geheimnis, auch wenn die Führung in Teheran sich offiziell bedeckt hält. Der Angriff auf den Militärstützpunkts Taji in der vergangenen Woche fand zum Geburtstag von General Soleimani statt.