Krieg statt Corona spielen

Während Pandemie-Simulationen aus dem App Store entfernt werden, floriert im Home Office und in Quarantänen das Kriegsspielen. Online

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Nennen wir es eine "monothematische Medienlandschaft". Corona, COVID-19 und Pandemie sind die einzigen Wörter, die es garantiert derzeit in eine Headline schaffen. So gut wie kein anderes Thema steht ganz oben auf den Websites, in Tageszeitungen. Die Welt besteht derzeit nur noch aus Social Distancing und Quarantänen, aus Verdoppelungsraten und Infektionsgefahren. So ist das nun einmal in diesem März 2020. So wird es noch eine Weile bleiben.

Ach ja, dass Prinz Harry wirklich Ärger mit Prinz William hat, schafft es auch in eine Headline. Aber das interessiert uns jetzt so viel, als ob im Buckingham Palace ein hamstergekaufter Sack Reis umfällt, oder? Hat es ja auch nie wirklich.

Die digitale Welt reagiert mit Content-Quarantäne. Und das macht nun ja auch Sinn. So blockt zum Beispiel Pinterest Corona Searches, damit User nicht auf einer "Wie nagel ich ein Bild an die Wand"-Plattform medizinische Ratschläge suchen. Das kann man nachvollziehen, ich geh ja auch nicht auf youporn.com und suche mir dort einen Proktologen. Zudem haben die App Stores auch die Zügel angezogen und nehmen alle Games und jegliches Entertainment herunter, das sich rund um die Pandemie dreht. Aber bitteschön, man könnte das ja schnell als sehr geschmacklos verstehen, eine Virendurchseuchung als Spielelevel zu sehen. Ich muss nicht "Coronanite" oder "Corona of Duty" gamen.

Wo wir gerade beim Thema sind. Call of Duty, die kleine, unsympathische Weltkriegssimulation von nebenan, hat es nun tatsächlich geschafft, in diesen Tagen (also, insgesamt an vier Tagen in Folge) 15 Millionen Spieler als Soldaten über die Bildschirme hüpfen zu lassen. Im Battle Royal Mode. Nur mal so als kleinen Vergleich dagegengesetzt: Im gesamten Ersten Weltkrieg starben zirka 19.7 Millionen Soldaten und Zivilisten. Da bin ich mir sicher, dass die Zahl leicht in 5 Tagen gemacht wurde.

Je mehr Social Distancing zum neuen Livestyle werden muss und man zu Hause vor der Kiste herumsitzt, desto eher werden solche in der Konsequenz eindeutigsten Simulationen von radikalem Social Distancing der Hit. Krieg zu spielen als Ablenkung von weltweiten Pandemien, hat nun doch einen faden Beigeschmack. Aber da wird wohl so schnell nichts aus den App Stores verschwinden. Das eine hat ja mit dem anderen nichts zu tun. Schon alleine deshalb, weil man nach einem Tod in einer Seuche nicht einfach wieder aufstehen kann. So wie bei einer Battle Royal.

Vermutlich wird der eine oder andere sagen: Hey, das ist es doch genau, was wir jetzt brauchen. Eine Simulation von etwas viel Schlimmerem, in der wir uns durchkämpfen und selbst bei einem Knockout wieder lachend aufstehen können.

Ich bin mir da selbst nicht so sicher.