The Money Question

WHO-Zentrale in Genf. Bild: Thorkild Tylleskar/CC BY-SA-3.0

In der Coronakrise nährt die Weltmacht USA die Ideologie der Unangreifbarkeit. Hinter den Kulissen agieren Bill Gates und Warren Buffett als wohltätige Stifter. Und infiltrieren die globale Gesundheitsagenda mit privatem Kapital

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Die um sich greifende Coronavirus-Epidemie rüttelt gerade an wichtigen Säulen der globalen Wirtschaft. Für Deutschland prophezeit man allein durch die Verluste infolge der Ausfälle großer Messen Einbußen in Höhe von bis zu drei Milliarden Euro. Der weltweite Dominoeffekt mit Auswirkungen auf das gesamte öffentliche Leben, auf Weltwirtschaft und Industrielieferketten ist unterdes kaum absehbar. In Reaktion auf die Nachrichten rund um Corvid-19 sind die Aktienmärkte bereits auf Schlingerkurs; an einem Tag allein wurden Aktienwerte in Höhe von circa zwei Billionen US-Dollar gemeldet.

Die WHO - wie unabhängig?

Auf einer Pressekonferenz in der Zentrale der Weltgesundheitsorganisation in Genf (WHO) hat deren äthiopischer Generaldirektor Tedros Adhanom Ghebreyesus vergangenen Mittwochnachmittag die Corona-Ausbreitung als Pandemie eingestuft, "wegen seiner schnellen weltweiten Ausbreitung in den letzten zwei Wochen". Die WHO ist so etwas wie ein Branchenführer in der weltweiten Gesundheitsfürsorge. Und es mehrt sich der Einfluss sogenannter langfristiger Partnerschaften, was die Frage nach der Unabhängigkeit der Organisation sowie nach Macht und Transparenz aufwirft und danach, wer die globale Gesundheitsagenda letztlich beeinflusst. Und zu wessen Wohl.

Die WHO ist in ihrer Reaktions- und Handlungsfähigkeit nicht nur angewiesen auf verlässliche und zeitnahe Informationen ihrer 194 Mitgliedsstaaten. Wie bekannt, machte Peking erst am 31. Dezember 2019 Meldung an die WHO, nachdem die chinesische Regierung zunächst die eigenen Ärzte und Gesundheitsexperten mundtot gemacht hatte, die rechtzeitig vor dem Virus gewarnt und die Vertuschungsmanöver der Obrigkeit kritisiert hatten. Ein Beispiel nur für viele Formen von Abhängigkeit, denen sich die WHO ausgesetzt sieht, die sie jedoch auch selbst verschuldet hat.

Ein besonderes Kaliber ist der Einfluss der Pharmalobby, anders gesagt: die Abhängigkeit der WHO von privaten Finanzgebern, darunter maßgeblich von Pharmakonzernen. Einige Zahlen helfen dabei, das Problem zu verstehen: So wird etwa der jährliche Haushalt der WHO heute nur zu rund 20 Prozent über Pflichtbeiträge der Mitgliedsstaaten finanziert. Den Löwenanteil (80 Prozent) spülen Spenden und Stiftungen in die Kassen.

Die mit Abstand größten Summen stammen von der Gates-Stiftung. Die wird von Microsoft-Gründer Bill Gates und seiner Frau Melinda unterhalten. Das Geld stammt überwiegend aus Anlagevermögen; so hält die Gates-Stiftung unter anderem Aktien von Pepsi-Cola, Unilever, Kraft (Kraft-Heinz), von Fast-Food-Produzenten, den Herstellern alkoholischer Getränke und von Pharmakonzernen. Ein Großteil dieser Firmen ist nicht unbedingt dafür bekannt, sich um die Gesundheit ihrer Kundschaft zu sorgen, denkt man etwa an die aggressiven Werbekampagnen einiger Firmen, mit denen sie ihr Junkfood samt Zucker, Fett und Salz unter die Leute bringen.

Strategien der Abschottung

Die Gates Foundation beruht auf der Überzeugung, dass mit Hilfe von Wissenschaft und Technologie Verbesserungen im Gesundheitswesen (ebenso in den Bereichen Bildung und Entwicklung) in Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen möglich sind. Seit ihrer Gründung im Jahr 2000 hat die Stiftung mehr als 50 Milliarden Dollar ausgegeben. Die Finanzierung der Stiftung half bei der Gründung von öffentlich-privaten Partnerschaften wie Gavi (Global Alliance for Vaccines and Immunization = Globale Allianz für Impfstoffe und Immunisierung); Gavi wird zu 75 Prozent (jährlich mit 750 Millionen US-Dollar) von der Gates-Stiftung finanziert. Ein Effekt war, die Impfraten auf der ganzen Welt zu erhöhen. Ein milliardenschwerer Markt.

Im Zeitraum zwischen 1990 und 2018 stiegen auch die öffentlichen Ausgaben für die Gesundheit, nach Angaben des Institute for Health Metrics and Evaluation um mehr als das Fünffache von 7,7 Milliarden Dollar auf 38,9 Milliarden Dollar. Angesichts der Verquickung aus kapitalistischer und bürokratischer Machtkonzentration macht es doppelt nachdenklich, wenn man dieser Tage liest, dass US-Präsident Donald Trump versucht haben soll, die Entwicklung eines Impfstoffs aus Deutschland zu "übernehmen"(sollte man sagen, zu kaufen?); anders lässt es sich treffend wohl kaum umschreiben. Natürlich fehlen letzte Beweise, aber das Muster der Vorgehensweise spräche für sich.

Uniformierung der Gesinnung

Der Verkauf einer Firma mit einem überlebenswichtigen Medikament sei eine Frage der nationalen Sicherheit, heißt es allenthalben aus Deutschland. Ineins mit solchen Tönen ist zu beobachten, wie die ideologische Bearbeitung der Bevölkerung überhaupt neuen Schwung aufnimmt. Die Trump-Administration etwa nutzt gezielt auch die aktuelle Lage, nicht allein um Grenzen zu schließen und das "Land der unbegrenzten Möglichkeiten" abzuschotten, sondern auch, um dem Volk mit neuen Argumenten einzubleuen, die einzige Gefahr drohe von außen. Ein neuer Akt in der bekannten Propaganda, die für die politisch gewollte Uniformierung der Gesinnung sorgt.

Die Strategie der Abschottung verbindet sich auch in der aktuellen Gesundheitskrise mit der US-Ideologie der Unangreifbarkeit, gepaart mit wirtschaftlicher und wissenschaftlicher Überlegenheit. In der nicht mehr zu leugnenden Coronakrise heißt das auch für den Big Brother: Ein neuer Impfstoff muss her. Die Heilserwartungen an die Wissenschaft verbrämen aber nur mühsam die hegemonialen Wirtschaftsinteressen, deren eigentliche Propaganda in der Einschwörung und Anpassung der Bevölkerung besteht.

Corona dient jetzt auch als Mittel ideologischer und politischer Konsolidierung: Zuflucht findet man im Gehorsam und im unterwürfigen Glauben an die Kraft und Kompetenz der Schutzmacht. Die zelebriert mit neuen Argumenten die eigene Überlegenheit (zugleich die Verachtung) gegenüber den "Barbaren" (gooks) und den "Schlitzaugen" (chinks), auf die man mit dem Finger zeigen kann, in Richtung Fernost ebenso wie rüber nach Europa.

Milliardenschwere Trusts, selbsternannte Philanthropen

Auf der globalen Ebene bleibt derweil die Frage unbeantwortet, in welche Interessenkonflikte die WHO sich eigentlich gebracht hat. Die Gewinner des globalen Kapitalismus scheinen darüber zu befinden, wie sie die Probleme der Verlierer angeblich lösen. Milliardenschwere Trusts und selbsternannte Philanthropen à la Bill und Melinda Gates oder Warren Buffett bestimmen die sozialen und humanitären Sektoren, die zugleich von der Idee geprägt sind, dass Geschäftsleute und Geschäftsmethoden besonders geeignet sein sollen, das Leben der Menschheit zu verbessern.

Die WHO wurde schon immer durch zwei Arten von Beiträgen finanziert: "assessed" und "voluntary." Obwohl die WHO eine öffentliche Einrichtung ist, sind die Einzelheiten ihrer Aufträge und die Beteiligung etwa von Gates nicht in den Budgets oder Finanzberichten enthalten, die Informationen auf der Website der WHO unvollständig.

Die Gates Foundation ist unter der Hand zu einem der mächtigsten Akteure im globalen Gesundheitswesen aufgestiegen. Man liebt die große Pose und einvernehmliche shake hands, so wie es die Pressefotos demonstrieren. Etwa vor vier Jahren, als Nigerias Präsident Muhammadu Buhari, ehemaliger General der nigerianischen Streitkräfte, Bill Gates die Hand schüttelt. Man hatte in Abuja gerade (am 20. Januar 2016) ein Abkommen zur Ausrottung von Polio unterzeichnet. Der reichste Mann Afrikas, Aliko Dangote - was für ein Zufall - war im Hintergrund erkennbar.

The Money Question

Mit an Bord der streitbaren Riesen ist der globale Management Consulting Player McKinsey, mit beträchtlichem Einsatz an Zeit und Ressourcen, um schrittweise seinen Einfluss auf die globale Gesundheit auszubauen. McKinsey ist führend darin, "langfristige Partnerschaften" mit Branchenführern wie der Gates Foundation, Gavi, der WHO und der gesundheitsorientierten Clinton Foundation aufzubauen. An erster Stelle steht die Frage des Geldes: Wie viel fließt an die Berater im Bereich der globalen Gesundheit, und wer bezahlt ihre Rechnungen? Die Antworten sprechen direkt auf die Bedenken bezüglich Transparenz und Macht an. Ohne Blick hinter die Kulissen lässt sich nicht verstehen, wer die globale Gesundheitsagenda beeinflusst und um wie viel Geld es letzten Endes dabei geht.

Großes Interesse an Transparenz besteht seitens der Akteure nicht. "Die Denkweise von Unternehmen ist die Art und Weise geworden, wie globale Gesundheitsorganisationen denken", konstatiert Madhu Pai, der das globale Gesundheitsprogramm der englischsprachigen McGill-Universität in Montreal (Kanada) leitet und die globale Entwicklung kritisch beobachtet.

Madhu Pai ist einer von denjenigen, die das fatale Kompositum aus kapitalistischer und Verwaltungs-Bürokratie beim Namen nennen. Er steht mit seiner Kritik nicht allein. Ein Gesinnungsgenosse ist der Ernährungswissenschaftler Barry M. Popkin von der University of North Carolina (Gillings School of Global Public Health): Die WHO und andere globale Gesundheitsbehörden sollten "jede Führungsgesellschaft meiden, die Verbindungen zum Lebensmittel-, Gesundheits- oder Tabaksektor hat".

Corona hat uns anscheinend fest im Griff. Das Rennen um einen weltweit vermarktbaren Impfstoff läuft derweil (und abermals) auf Hochtouren. Wir Normalbürger werden tagtäglich mit neuen Schreckensmeldungen in Schach gehalten. Ungeachtet aller Unkenrufe und Prognosen gilt: Die Plätze in der VIP-Lounge sind schon verteilt. Das darf man getrost auch physio-politisch so sehen, in dem weiteren Sinne, dass die hegemonialen Wirtschafts- und Finanzinteressen vor den Eintrittspforten unserer Körperzellen ganz sicher nicht haltmachen. Die Corona-Pandemie liefert ein weiteres Beispiel dafür.