Corona-Krise: Chinesen schockiert

Europa ist offensichtlich fest entschlossen, nicht von Asien zu lernen. Dort ist man entsetzt über hiesige Zustände

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Hierzulande ist man ja in konservativen und (neo)liberalen Kreisen am liebsten mit sich selbst beschäftigt. Wir machen mal eben die Grenzen zu und schon ist alles besser. Oder sieht zumindest besser aus, weil das fürs Wahlvolk Regierungshandeln simuliert.

Wen interessiert schon, dass die Grenzschließung wenig Sinn macht, wo das Virus ohnehin längst auf dem ganzen Kontinent verbreitet ist. Dass es an den Grenzen zu jeder Menge zusätzlichen Problemen führt, wird schweigend ignoriert.

Deshalb hat Deutschland – von Europa redet ja keiner mehr, Bundeskanzlerin Merkel hat es nicht ein einziges Mal in ihrer langen Ansprache am Mittwoch erwähnt – es auch nicht nötig, von anderen Ländern zu lernen. Schon gar nicht von asiatischen.

Schade, kann man da nur sagen. Denn die Daten zeigen, dass die unterschiedlichsten Länder mit sehr verschiedenen politischen Systemen offensichtlich alle etwas richtig gemacht haben. China, Südkorea, Japan, Taiwan, Vietnam, Singapur. Überall konnte die Corona-Pandemie stark ausgebremst, mancherorts gar vorerst zum Stillstand gebracht werden.

Hierzulande ist hingegen genauso wenig wie bei den diversen europäischen Nachbarn ein Ende des exponentiellen Anstiegs und ein Abflachen der Kurve in Sicht. Nach den Daten der Funke Mediengruppe kamen in Deutschland gestern knapp 3000 neue Fälle hinzu, vorgestern waren es gut 2000 am Tag davor knapp 1500. Selbst in Italien scheint sich die tägliche Zunahme noch weiter zu vergrößern.

Ist das vielleicht der Grund, weshalb die Bundeskanzlerin in ihrer Ansprache mit keinem einzigen Wort andere Länder erwähnt und jeden Hinweis darauf vermied, dass die Menschheit vor einer globalen Herausforderung steht, die kein Land auf sich allein gestellt bewältigen kann? Damit niemand auf die Idee kommt, den Vergleich mit den ostasiatische Staaten anzustellen?

Das ist sicherlich nur ein kleiner Teil der Erklärung für Merkels auffällige Regression auf die deutschen Verhältnisse. Aber man muss befürchten, dass die anderen Motive nicht sympathischer sind.

Fassungslos reagieren derweil chinesische Internetnutzer auf das Treiben in Europa, wie die in Hongkong erscheinende South China Morning Post berichtet. Während in Ostasien schon seit Monaten alle Konzerte abgesagt seien und auch in den USA inzwischen wichtige Musikveranstaltungen ausfallen, hatte die Gruppe Stereophonics am letzten Freitag in Manchester und am Samstag und Sonntag in Cardiff Tausende in die Konzertsäle gelockt.

"I have no words, I wish them well"
"The UK is going to catch up to Italy in no time"
"Don’t ask for China’s help when things start to get bad. You got yourself into this mess."
"These progressive countries can’t believe a crisis can happen to them."
Kommentare chinesischer Internetnutzer zur britischen Nonchalance laut South China Morning Post

Die Band habe sich mit einem Verweis auf die Ratschläge des Premierministers Boris Johnson gerechtfertigt, so die Hongkonger Zeitung.

Dieser änderte, wie berichtet, am Montag, nach dem letzten Konzert, seine Strategie gegen den Virus abrupt. Nach dem seiner Regierung endlich aufgegangen war, dass bis zu 250.000 Menschen auf ihrer Insel sterben könnten, wird jetzt immerhin das Home office und die Minimierung sozialer Kontakte empfohlen.

Aber eines dürfte auf jeden Fall sicher sein: Die Zeiten, in denen man im Rest der Welt Europa noch für irgendwas als Vorbild nimmt, dürften mit der Corona-Krise und dem großen Scheitern der europäischen Regierungen endgültig vorbei sein.

Das ist vielleicht für den Fortschritt der Menschheit gar nicht mal das Schlechteste, nur fragt sich, ob die diversen Verteidiger des christlichen Abendlandes damit leben können, wenn der Rest der Welt ihnen einfach die kalte Schulter, wenn nicht gar einen Vogel zeigt.