Coronavirus: Sind die kontakfreudigen 20-Jährigen die am stärksten infizierte Altersgruppe?

Sars-Cov-2.Virus. Bild: NIAID/CC BY-2.0

Neue Daten weisen darauf hin. Die jungen Menschen sind weniger ernsthaft gefährdet, aber sie könnten für die Ausbreitung erheblich verantwortlich sein - und ansteckend können Menschen vielleicht bis zu 20 Tage sein

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Bislang konnten sich jüngere Menschen einigermaßen sicher vor Covid-19 fühlen. Es waren die älteren und alten Menschen, die schwer erkrankten und auch starben. Das hatten zumindest Daten aus China nahegelegt. Auch die Bundesregierung teilte mit (Stand 16. März), dass einige Risikogruppen besonders gefährdet seien, nämlich Raucher, Menschen mit bestimmten Vorerkrankungen (Herz, Lunge, Leber, Diabetes etc.) und dann eben "ältere Personen (mit stetig steigendem Risiko für schweren Verlauf ab etwa 50 bis 60 Jahren)". Am stärksten gefährdet waren danach die Über-80-Jährigen.

Das könnte jüngere Menschen dazu verleitet haben, sich keine allzugroßen Gedanken zu machen. Sie können zwar Spreader sein, würden aber höchstwahrscheinlich nur milde oder keine Symptome als Infizierte haben. Trotz Mahnungen, einen Mindestabstand zu wahren und die sozialen Kontakte zu reduzieren, reagierten auch in Deutschland manche jüngere Menschen darauf nicht, besetzten bei schönem Wetter Cafes und Restaurants oder versammelten sich im Freien bis hin zu Corona-Partys - im Gestus, ist mir doch egal, mir wird schon nichts passieren. Zu erwarten ist, dass die bislang zögernde Bundesregierung die nächsten Tage deswegen doch eine Ausgangssperre wie in Italien, Frankreich und Spanien verhängt, um das Socialising einzudämmen, das Covid-19 weiter verbreitet.

Kontaktfreudig und sorglos

Zwar sollen junge Menschen zwischen 20 und 29 Jahren mit fast 30 Prozent der Hauptträger des Virus sein, zumindest ergab sich das in Südkorea so, wo anders als in Deutschland oder Italien nicht nur Menschen mit Symptomen auf Sars-CoV-2 getestet wurden. Die zweithäufigste Gruppen waren die 50-59-Jährigen. Danach geht Infektionsrate stark zurück, bei den Über-80-Jährigen auf 3 Prozent. Der Epidemiologe Eric Ding verglich dies mit den Testergebnissen in Italien, wo bei den Älteren am meisten die Viren nachweisbar waren. Dings Folgerung: "If the socially active age 20-29 truly carry 30% of all cases— that means trouble!" Gleichzeitig wird hier deutlich, wie wichtig es ist, wie getestet wird.

Aber möglicherweise sind junge Menschen schon alleine wegen ihrer Kontaktfreudigkeit die größte Altersgruppe als Träger - und dann auch als Verbreiter - von Sars-CoV-2, sie könnten auch weniger vor einer schweren Erkrankung geschützt sein, als bislang allgemein bekannt war. Daraufhin weisen Daten aus den USA, Italien und Frankreich, wo im Unterschied zur ersten Welle in China auch 20-40-Jährige schwer erkranken und angewiesen sind auf Intensivpflege.

Millennials in den USA weisen eine "unverhältnismäßig hohe Zahl von Infektionen" auf

Die HIV-Forscherin Deborah Birx, die als "rechter Arm" des Vizepräsidenten Mike Pence die Bekämpfung des Coronavirus koordiniert, sagte am Mittwoch in einer Pressekonferenz zusammen mit Donald Trump, dass die Generation der Millennials (geb. zwischen 1981 und 1996), wie Zahlen aus Italien und Frankreich nahelegten, eine "unverhältnismäßig hohe Zahl von Infektionen" aufweise. Sie könnten einer höheren Ansteckung ausgesetzt sein, weil sie die Gefährdung nicht ernst nähmen.

Selbst Trump, der die Pandemie lange herunterspielte, sagte, er hoffe, dass die jungen Menschen zuhören: "Wir wollen nicht, dass sie sich versammeln, aber ich sehe, dass sie sich versammeln, auch auf Stränden und in Restaurants." Jetzt geht die Sorge um, dass die jungen Menschen aus den Städten nach Hause zurückkehren und die Pandemie verbreiten, weil die Universitäten dicht machen und viele Jobs wegbrechen.

Riskant ist es für jüngere Menschen nach einem CDC-Bericht vom 18. März auch in den USA. Unter den ersten 2500 Fällen war mit 705 Fällen fast ein Drittel im Alter zwischen 19 und 50 Jahren. 15-20 Prozent mussten ins Krankenhaus eingeliefert werden, 4 Prozent benötigten Intensivpflege, allerdings starben nur wenige, weniger als 1 Prozent. Am gefährlichsten bleibt es für die Über-85-Jährigen, von denen 10-27 Prozent sterben, unter den 65-84-Jährigen sind es 3-11 Prozent. Es gab noch keinen Todesfall unter 19 Jahren. Aber unter den 4226 Covid-19-Fällen (Stand 16. März) war das Alter von 2449 Erkrankten bekannt. Von diesen waren 6 Prozent 85 und älter, 25 Prozent 65-84 Jahre, 18 Prozent 55-64 sowie 45-54 und 29 Prozent 20-44 Jahre. Von letzteren wurden 20 Prozent ins Krankenhaus eingeliefert und 12 Prozent mussten auf der Intensivpflegestation behandelt werden.

In Frankreich sollen 50 Prozent der Infizierten unter 60 Jahre alt sein

In Italien, wo, wie gesagt, im Unterschied zu Südkorea nur die Menschen mit Symptomen getestet werden, sind nicht 30 Prozent, sondern statistisch nur 3,7 Prozent der 20-29-Jährigen bestätigt infiziert (Stand 13. März). Man kann aber vermuten, dass der Prozentsatz ähnlich hoch wie in Südkorea wäre, wenn anders getestet würde. Schwer erkranken und sterben auch in Italien vor allem die Alten -überwiegend Männer - über 70 Jahre, die eine oder mehrere Vorerkrankungen haben, die Jüngeren haben in der Regel nur schwache oder keine Symptome. Rechnet man allerdings in Italien nach dem dort praktizierten Testverfahren den Anteil der 20-59-Jährigen zusammen, beträgt dieser auch schon 38 Prozent, bei den 40-49-Jährigen ist der Anteil bereits ähnlich wie in Südkorea.

In Frankreich, wo sich die Zahl der Covid-19-Fälle alle vier Tage verdoppelt, sind 50 Prozent der Neu-Infizierten nach dem Gesundheits-Generaldirektor Jérôme Salomon unter 60 Jahre alt. Täglich werden nun angeblich 4000 Personen getestet, die Zahl der Fälle ist auf fast 11.000 gestiegen. Von den 372 Todesfällen sind 6 Prozent jünger als 60 Jahre. Die Hälfte der in Intensivpflege-Abteilungen Behandelten sei unter 65 Jahre alt.

Salomon vertritt scharfe Maßnahmen der sozialen Distanzierung. Gefährlich seien eben nicht nur die Menschen, die erkennbar erkrankt sind: "Die Franzosen müssen etwas verstehen, was wir ihnen nicht ausreichen erklärt haben: Wir können alle das Virus verbreiten, ohne dies zu wissen. Unsere Nächsten, unsere Kinder, unsere Freunde, unsere Kollegen können Träger sein." Auch wenn sie nichts oder nur geringe Symptome bemerken, die sie nicht weiter beachten.

Beunruhigend ist nicht nur, dass die jungen Menschen häufig unbemerkt Covid-19-Wirte sind, sondern dass womöglich die Zeit, in der die Viren verbreitet werden, länger als die bislang geschätzten 14 Tage sein könnte. In einer Studie, in The Lancet am 11. März veröffentlicht, wurden 191 Patienten in Wuhan untersucht, von denen 137 wieder aus dem Krankenhaus entlassen wurden und 54 bis 31. Januar gestorben waren. Durchschnittlich verbreiteten die Patienten Virenpartikel im Verlauf von 20 Tagen, auch ohne Symptome gezeigt zu haben. Das würde bedeuten, dass eine längere Quarantäne-Zeit als 14 Tage notwendig wäre.

Nach einer anderen Studie, die 94 Patienten aus Guangzhou untersuchte, würden über 40 Prozent der Patienten bereits ansteckend sein, bevor Symptome bemerkbar sind. Das würde Isolation und die Kontaktsuche weniger effizient machen, während präventives social distancing wichtiger und erfolgreicher wäre.