Masken: Sind die Chinesen übervorsichtig?

Chinesische Regierung zur Maskenpflicht

Während Schutzmasken in Fernost Standard für Pandemien sind, meint man bei uns, auf entsprechende Bevorratung verzichten zu können

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Ungewohnt sehen sie aus, diese bläulich-grünen Atemmasken, dieses Markenzeichen asiatischer Touristen, die oft das halbe Gesicht verhüllen. Ein ungewohnter Kontrast. Trotz der großen Virus-Krise sind bei uns diese Masken dagegen kein Teil des Straßenbildes und im Übrigen derzeit weder erhältlich, noch werden sie von Wissenschaft und Politik empfohlen. Das wirft Fragen auf (Von Atemschutzmasken und Kulturen). Denn während China und etliche andere ostasiatische Staaten bereits wieder zur Normalität zurückzukehren, grassiert in Europa das Corona-Virus munter weiter. Was ist in China anders, vielleicht besser?

Ich vermute, einen großen Unterschied machen genau diese Masken. Aktuelle Bilder aus China zeigen, wie in die Fabriken zurückkehrende Arbeiter dicht gedrängt in Züge steigen oder an Fließbändern stehen, alle mit diesen bläulich-grünen Masken.

Die chinesische Führung dürfte sich die Maskenpflicht genau überlegt haben, denn sie hatte mehrfach mit Sars-Viren Erfahrungen sammeln können. Die Wirksamkeit ist also dort praxiserprobt. Die Nutzung in China weckt bei mir größeres Vertrauen als die offizielle deutsche Empfehlung, wie sie beispielsweise im Fachblatt des Apothekenhandels steht: "Das staatliche Robert-Koch-Institut empfiehlt Gesunden nicht, sich vorbeugend mit Atemschutzmasken ausrüsten."

Die Vermutung liegt nahe, dass das Robert-Koch-Institut mit der Ablehnung von Schutzmasten eine riesige Schlamperei kaschieren will. Von chinesischen Freunden weiß ich, dass während der großen Krise in Wuhan Masken für alle Bürger vorgeschrieben und auch verfügbar waren.

Und auch die Süddeutsche Zeitung schreibt in einer Reportage über die Abwehrmaßnahmen und die nun zurückkehrende Normalität in Hongkong: "So ist Hongkong erstaunlich lebendig geblieben. Fast alle Menschen tragen Schutzmasken... und die meisten Hongkonger gehen wieder zur Arbeit. Bars und Restaurants haben ganz normal geöffnet genauso wie in Singapur...."

Der große Versorgungsengpass

Bei uns allerdings ist es bisher nahezu ausgeschlossen, überhaupt Masken zu erhalten weder in Papier, noch in höherer Qualität. Unüberhörbar ist die Klage des medizinischen Personals und auch von Taxifahrern, Busfahrern und Kassiererinnen über die fehlende Verfügbarkeit. Während also Schutzmasken in Fernost Standard für Pandemien sind, meint man bei uns, auf entsprechende Bevorratung verzichten zu können mit mutmaßlich verheerenden Folgen.

Natürlich sind diese Masken kein perfekter Schutz. Dennoch fällt es schwer, an die völlige Wirkungslosigkeit im öffentlichen Leben zu glauben. Denn ein erheblicher Teil des Gesichts wird abgedeckt und schützt so auch Gesunde zumindest vor unabsichtlichen Berührungen im Gesicht. Und die Maske warnt ständig vor der Gefahr. Im Übrigen gilt der Umkehrschluss: Wenn die Masken nur für Infizierte empfohlen werden und man nicht weiß, wer infiziert ist, dann hilft am besten Maskenpflicht für alle, um Ansteckungen zu vermeiden.

Sicher, die Chinesen führten diese Masken ein, als sie mit enormen Luftverschmutzungen Probleme hatten. Die sind nun vorbei, rauchende Fabriken aus den Städten verbannt. Aber dann kam Sars und so wurden die Masken zur Tradition, vermutlich auch von verbesserter Qualität. Denn für Viren auch nur einigermaßen geeignete Masken müssen auf jeden Fall hochwertiger sein als einfache Papiermasken. Die Filterwirkung hängt vom verwendeten Gewebe ab. Auch das wird übrigens nur noch in Fernost produziert und ist im Moment dem Vernehmen nach hier nicht verfügbar, weil durch große chinesische Aufträge blockiert.

Selbst drei Monate nach Ausbruch der Krise ist für uns also keine Besserung in Sicht. Übrigens gilt das nicht nur für uns private Bürger, sondern auch für den professionellen Gesundheitsbereich, der deutschlandweit über die katastrophale Versorgung mit medizinischer Ausrüstung und insbesondere den bei Corona-Verdacht zwingend vorgeschriebenen FFP3- Masken, der höchsten Qualitätsklasse zum Virenschutz, klagt.

Deutsche Pandemievorsorge nur heiße Luft?

Damit stellt sich die Grundsatzfrage nach der Qualität unserer Pandemievorsorge und des die Bundesregierung beratenden Robert-Koch-Instituts. Denn die Beratung für das deutsche Gesundheitswesen geht von Amts wegen von dort aus. Und bei deren Weitsicht setze ich ein großes Fragezeichen. Wir brauchen keine Talkshow-geilen Selbstdarsteller, wir brauchen für solche Fragen kühle Praktiker mit weitblickender Urteilsfähigkeit und mit Mut.

An dem hat es gefehlt, als es um rasche Entscheidungen ging. Am 22. Januar begann das weltführende Epidemiologie-Institut der Johns Hopkins Universität eine internationale Zählung und warnte vor den weltweiten Gefahren. Am gleichen Tag teilte das Robert-Koch-Institut dagegen mit, man gehe nicht davon aus, dass sich dieser Virus außerhalb Chinas verbreiten wird.

Statt in Risiken zu denken, machte man in Optimismus. Und so fanden Wochen später noch Karnevalstreiben und Starkbierfreuden mit kräftiger Virenverbreitung statt.

Damals, Mitte Januar, kursierte übrigens ein warnendes Video aus Wuhan unter dem Absender "Odysseus" mit erschreckenden Bildern. Es warnte ebenfalls vor der internationalen Ausbreitung. Aber vom RKI wurde es als Fake News und Panikmache eingeordnet und so auch von der braven deutschen Presse kommentiert. Das Video ist gelöscht. Aber damalige Stellungnahmen wie die am 28. Januar von der Online-Plattform Correctiv lassen den Schluss zu, dass das Video korrekt war.

Verwaltungsversagen

Da wir nun alle in Isolation sitzen, ist es ein schwacher Trost, dass für diese Pandemie miserabel vorgesorgt und zudem viel zu spät und mit zu wenig Entschlusskraft gehandelt wurde. Die Sorge um die Wirtschaft und unser Stolz auf ein gut ausgestattetes Kliniksystem vertrieben anfangs alle Bedenken - nun mit der Konsequenz einer Totalisolation und einer erhöhten Zahl von Infizierten und auch Versterbenden.

All das stellt sich letztlich als eine erneute Verwaltungsschwäche unserer Bundesregierung dar, die wir ja schon vom Berliner Flughafen, der Bundeswehr, der Asylbearbeitung und auch der Verwaltungs-Digitalisierung kennen. Beruhigende Reden zu halten und Geld an die nun notleidenden Geschäfte zu verteilen, genügt nicht als Regierungsleistung.

Wollen wir hoffen, dass die Abläufe und Fehler eines Tages in einem parlamentarischen Untersuchungsausschuss diskutiert werden. Die nützen zwar wenig und sind naturgemäß immer zu spät, aber völlig ohne Nachspiel sollten die Mangelversorgung und die zeitlichen Versäumnisse nicht bleiben.

Dr. Peter H. Grassmann studierte Physik in München, promovierte dort bei Werner Heisenberg und ging ans MIT. Bei Siemens baute er die heute milliardenschwere Sparte der Bildgebenden Systeme auf. Als Vorsitzender von Carl Zeiss (bis 2001) sanierte er das Stiftungsunternehmen in Jena zusammen mit Lothar Späth. Er ist Kritiker einer radikalen Marktwirtschaft und fordert mehr Fairness und Nachhaltigkeit. Grassmann erhielt zahlreiche Auszeichnungen und engagiert sich bei der Münchner Umwelt-Akademie, bei "Mehr Demokratie e.V.", der Carl-Friedrich-von-Weizsäcker-Gesellschaft und dem Senat der Wirtschaft.

Von Peter Grassmann ist im Westend Verlag das Buch erschienen: "Zähmt die Wirtschaft! Ohne bürgerliche Einmischung werden wir die Gier nicht stoppen".