Berichterstattung: UN-Generalsekretär vs. Dietmar Hopp

Aufruf zu einem globalen Waffenstillstand angesichts der Coronavirus-Pandemie. Bild: UN Photo/Eskinder Debebe

Guterres' Forderung nach einem globalen Waffenstillstand erhält keine Resonanz, dagegen eine Fake News über CureVac

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Allerorten werden drastische Maßnahmen im Kampf gegen die Corona-Pandemie eingefordert und erklärt. Ein großer Teil der Bevölkerungen weltweit ist offenbar bereit, massive Einschränkungen ihrer Freiheit hinzunehmen. Insgesamt hat man das Gefühl, dass die spektakulärsten Forderungen erheben, am meisten Aufmerksamkeit ernten und auch Zustimmung erhalten.

Aber es gibt auch Ausnahmen. Am 23. März 2020 trat der UN-Generalsekretär António Guterres mit einer kurzen Rede vor die (virtuelle) Weltöffentlichkeit und forderte einen globalen Waffenstillstand. Er forderte von allen Konfliktparteien weltweit, die "Gewehre zum Schweigen zu bringen, wie Artillerie zu stoppen und Luftangriffe zu beenden", damit sich die Welt dem gemeinsamen Feind, der Krankheit, entgegenstellen könne. Dieser Appell aber verhallte in der aufgeregten deutschen Berichterstattung nahezu ungehört. Weder auf Tagesschau.de noch bei DLF24.de findet sich eine entsprechende Meldung, bei Spiegel.de ist immerhin das Video seiner Ansprache verlinkt. Auch die Online-Ausgaben der großen Zeitungen schweigen sich dazu aus.

Man stelle sich das vor: Angesichts einer globalen Krise ruft der UN-Generalsekretär in einer pointierten Rede zum Weltfrieden auf - und keinen interessiert es. Hätte António Guterres irgendwas gegen China, Russland oder Assad gesagt, wäre die Medienresonanz sicher besser gewesen.

Die Rede von António Guterres wäre durchaus eine Hauptnachricht wert gewesen. Man hätte sich damit auch auf sichererem Terrain befunden als bei jener Meldung, die der Deutschlandfunk am 15.3.2020 stundenlang als Aufmacher seiner (halb-)stündlichen Nachrichten brachte. US-Präsident Donald Trump habe mit riesigen finanziellen Offerten versucht, einen Impfstoff, der gegenwärtig von der Firma CureVac in Tübingen entwickelt wird, "exklusiv für sein Land zu sichern". Tagesschau.de berichtete quasi wortgleich, denn beide bezogen sich als Quelle auf einen Bericht der Welt am Sonntag mit derselben Formulierung, der als Quelle wiederum "deutsche Regierungskreise" nannte.

Ob und wie sich ein Land einen Impfstoff "exklusiv" sichern kann, erfuhr dabei ebenso wenig Reflexion, wie die Tatsache, dass CureVac längst Standorte in den USA unterhält und außerdem in einer frühen Phase seiner steilen Startup-Karriere Fördermittel der Pentagon-Forschungsagentur DARPA erhalten hatte. Das Unternehmen habe darauf verlautbart, "man strebe keinen Deal mit den USA an" und erhielt darauf Lob von Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier: "Das ist eine großartige Entscheidung und eine großartige Position... Deutschland steht nicht zum Verkauf" (tagesschau.de).

Am Folgetag bot die EU-Kommission dem Unternehmen einen 80 Millionen Kredit an und Mehrheitseigner Dietmar Hopp prognostizierte - getragen von einer Welle nationaler Solidarität - die Entwicklung eines Impfstoffs bis zum Herbst 2020. Die Aktien seines Biotech-Unternehmens Heidelberg Pharma, das mit CureVac nur sehr indirekt verbunden ist, stiegen in den Folgetagen um über 250% an und Curevac ist seitdem sicherlich das bekannteste Unternehmen, das in Deutschland an einem Corona-Impfstoff forscht.

Allerdings stellten sich die angeblichen Bemühungen Trumps, dem Impfstoff exklusiv für die USA zu sichern, als Fake News heraus. Bei Tagesschau äußert sich das so, dass es in einem Bericht vom 24.3. unter dem Titel "Nur zwei Medikamente machen Hoffnung" das Wort "angeblich" in jenen Link einfügt, der die Fake-News vom 15.3. unüberarbeitet wiedergibt: "Die deutsche Firma CureVac, die vor Kurzem Berühmtheit erlangte hatte, weil US-Präsident Donald Trump sich angeblich ihren Impfstoff sichern wollte, will im 'Frühsommer' mit Studien an Menschen beginnen."

Einen ARD-Faktenfinder zur CureVac-Meldung sucht man ebenfalls vergeblich. Dem wäre womöglich aufgefallen, dass sich CureVac bereits bei vergangenen Pandemien - meist deutlich subtiler - als Kandidat für die baldige Entwicklung eines Impfstoffes ins Spiel brachte, bis heute aber kein marktfähiges Produkt hervorgebracht hat. Der Wert des Startups wurde bereits vor der Corona-Krise dennoch auf 1,4 Mrd. Euro geschätzt, womit das Unternehmen als eines der wenigen "Einhörner" in Deutschland gilt. Risikokapitalgeber sind neben Dietmar Hopp die Bill & Melinda Gates Stiftung, die - anders als es der Stiftungsbegriff hierzulande suggeriert - durchaus kommerzielle Interessen verfolgt.

Christoph Marischka ist Konfliktforscher, Mitglied im Vorstand der Informationsstelle Militarisierung, Autor der Buches "Cyber Valley - Unfall des Wissens", in dem er sich kritisch mit den Produktionsbedingungen und Folgen der Digitalisierung beschäftigt.