Iran: US-Falken fordern "Kollaps des Regimes"

Bild: Gerd Altmann

Während Rohani vor einer "zweiten Welle" der Ausbreitung der Corona-Infektionen warnt, setzen die Hardliner in Washington auf Härte

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Die Coronavirus-Epidemie befeuert politische Wünsche von Falken, wenn es um Iran geht. Im Zentralorgan der amerikanischen neokonservativen Hardliner, dem Magazin The National Interest, wird wieder einmal eine Strategie der entschlossenen Härte gefordert, um einen "Kollaps des Regimes" herbeizuführen.

Zwar erwähnt der Autor Michael Makovsky das Virus Sars-CoV-2 oder die Krankheit covid-19 kein einziges Mal, aber die Schwäche Irans ist der Angelpunkt seiner Argumentation. Verhandlungen mit Iran wären genau "das Gegenteil dessen, was wir tun sollten", schreibt er. Weil damit das "Regime" gestärkt würde und ihm eine Überlebenschance eingeräumt würde, sollten die Sanktionen nicht aufgehoben oder geschwächt werden.

Der Bericht trägt das Datum 25. März und nur ein kompletter Ignorant wüsste nichts davon, dass die iranische Führung mit der Ausbreitung des Virus auf mehreren Ebenen schwer zu kämpfen hat. Es trifft wie die US-Sanktionen auf ein Land mit großen wirtschaftlichen Schwierigkeiten, mit einer beunruhigten Bevölkerung in den Städten, wie Proteste zeigen, und einer Glaubwürdigkeitskrise der Führung.

Die Anti-Iran-Falken

Die Ausblendung des covid-19-Problems im erwähnten US-Strategie-Artikel, ist wohl eine bewusste Aussparung Makovskys, um seiner Strategie der Härte gegen das evil regime eine Angriffsfläche zu ersparen. Dass man eine Epidemie für politische Zwecke ausnutzen sollte, bleibt als Forderung besser in geschlossenen Kreisen, das geht sonst an die Reputation.

Michael Makovsky ist Chef des Think Tanks Washington Institute for Near East Policy, dessen politische Denkrichtung sich "realistisch" nennt. Der Think Tank hat gute Verbindungen zum US-Außenminister Pompeo, zu Golfstaaten und zu rechts ausgerichteten, Republikaner-freundlichen politischen Kreisen in Israel. Er ist einflussreich.

Den Anti-Iran-Falken in der US-Regierung, deren Protagonist Bolton mittlerweile im Hintergrund agiert, steht allerdings ein Szenario gegenüber, das nicht von einem Chaos ausgeht, das man politisch so leicht ausnützen könnte. Weil auch in Iran die Hardliner gestärkt werden. Die Möglichkeit, dass die Corona-Krise die Position des Militärs, besonders der Revolutionsgarden, befestigt, dürfte auch in US-Regierungskreisen besprochen werden. Wäre ein verstärktes "Militärregime" in ihrem Sinne?

Sanktionen: Politisches Virus

In der amerikanischen Öffentlichkeit werden derzeit die Rufe nach einer Erleichterung der Sanktionen angesichts der Corona-Krise laut. Dass die US-Regierung kürzlich sogar noch neue Sanktionen gegen Iran verhängt hat, ist international auf Empörung gestoßen. Mittlerweile gibt es eine ganze Reihe von Gegenaktionen und Gegenstimmen dazu. Im US-Kongress, in Großbritannien, in Frankreich. Iran will die Erleichterung der Sanktionen vor den UN-Sicherheitsrat bringen.

In iranischen Staatsmedien wird, wie auch in anderen Publikationen, ausgiebig darüber berichtet, dass es nun eine breite internationale Gegenbewegung zu den Sanktionen gibt. Auch das ist nicht frei von einer "politischen Instrumentalisierung der Corona-Krise", wie sich bei Twitter-Postings des Außenministers Zarif zeigt.

Unübersehbar ist dies bei den Äußerungen des obersten geistlichen Führers, Khamenei, der die USA für das Virus selbst verantwortlich macht. Dass auf politische Feinde oder Gegner als Auslöser für die Epidemie gezeigt wird, gehört allerdings auch zum politischen Instrumentarium Trumps. Der US-Präsident bezeichnet Sars-CoV-2 insistierend als "chinesischen Virus". Hier hat der iranische Großayatollah kein Alleinstellungsmerkmal.

Wirtschaftskrieg und Öl

Von einer Entspannungspolitik zwischen den USA und Iran kann keine Rede sein. Solidarität wegen covid-19? Fehlanzeige. Das US-Außenministerium besteht auf den Sanktionen auch gegenüber den europäischen Landern, die sich für Erleichterungen aussprechen. Es wird versucht, rhetorisch zu widerlegen, was offensichtlich ist: Dass die Sanktionen die Bevölkerung treffen. Dass genau in dem Moment, wo die Verbreitung des Virus die Versorgung der Bevölkerung erschwert, noch ein Zacken draufgelegt wird.

Dies steht im Kontext eines Wirtschaftskrieges gegen Iran. Das Ausfuhrverbot von iranischem Öl bedeutet auch, dass die iranischen Ölexporte vom Markt sind und die Preispolitik einen Player weniger hat. Die USA verhandeln derzeit mit Saudi-Arabien, um deren Ölpolitik, die zu schlechten Preisen für die US-Ölindustrie führt, zu "korrigieren". Dass iranisches Öl bei diesen Manövern und Verhandlungen vom Tisch ist, ist gewiss kein Nachteil in den Augen der USA oder Saudi-Arabiens.

Auf dieser Wirtschaftskriegs-Rechnung taucht ebenso wenig wie im politischen Kalkül, wonach die Führung in Teheran mit allen Mitteln zu schwächen ist, die große Unbekannte auf - was nämlich geschieht, wenn sich die Corona-Epidemie von Iran aus über die Region ausbreitet.

"Infektionsherd" Iran

Iran ist ein "Infektionsherd". Nachdem sich die Lage dem Anschein nach verbessert oder stabilisiert hatte, warnte gestern der iranische Präsident Rouhani wie auch der Regierungssprecher vor einer "zweiten Welle", da die Zahl der Toten im Zusammenhang mit der Viruserkrankung wieder gestiegen war.

Als offizielle Zahlen werden 27.017 Personen mit bestätigter Infektion genannt und bisher 2.077 Tote in Zusammenhang mit covid-19. Das war gestern in offiziellen Meldungen zu lesen wie auch bei der Übersicht von Johns Hopkins. Das Problem ist die Dunkelziffer und die weitere Verbreitung des Virus.

Zwar hat Präsident Rouhani nun strengere Maßnahmen verfügt, Parks werden geschlossen, die Bewegungsfreiheit eingeschränkt, es gibt Reisebschränkungen - aber es ist kein lock down. Die mit der Führung verbundenen Medien sind wie immer stets darauf bedacht, Iran als Land darzustellen, das auf der gleichen Höhe ist wie der "Westen". So stellt man den Erfolg der iranischen Produktion von Testkits heraus. Diese könnten auf den globalen Markt kommen, berichtet Press TV - aber was ist mit den Tests in Iran?

Das Land ist groß, mit vielen abgelegenen oder abgeschiedenen Orten und vielerlei unterschiedlichen Ethnien, Gruppen und Traditionen, die beim Umgang mit dem Corona-Virus eine Rolle spielen. Die Abgeschiedenheit kann ein Vorteil sein, weil das Virus solche Gebiete noch nicht erreicht hat, es kann aber auch die Hölle sein, weil es so gut wie keine notwendige medizinische Versorgung gibt, wenn corvid-19 dort ausbrechen würde.

Dazu kommen Verbreitungswege über traditionelle Schmuggelrouten, die seit langer Zeit Grenzkontrollen zu entgehen wissen, und das Virus in Nachbarländer tragen. In Syrien kursieren Gerüchte, wonach iranische Milizen infiziert sind und das Corona-Virus verbreiten könnten. Bislang wurde das nicht bestätigt.

Aber dass sich Sars-CoV-2 von Iran aus in der Region verbreiten könnte, kann von niemandem mit Gewissheit ausgeschlossen werden. Insofern ist Hilfe bei der Bekämpfung der Ausbreitung des Virus in Iran in aller Interesse.

Noch weiter Chaos zu verbreiten, wie es sich weltabgewandte Falken in Washington vorstellen, ist dagegen eine zynische Politik, die gewiss nicht zur Verbreitung von demokratischen Verhältnissen führt. Die amerikanischen Kriegsexperten haben schon mehrmals nachdrücklich bewiesen, dass sie von Iran nur Schemen kennen wollen und wenig Ahnung vom Leben dort haben.