Wann endet Fracking?

Können Fracking-Firmen das Preis-Dumping auf dem Rohölmarkt überleben? / Bild: Simon Fraser University CC BY 2.0

Der Ölpreiskrieg zwischen Russland und Saudi-Arabien könnte das Ende der US-Fracking-Industrie einläuten

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Die amerikanische Ölindustrie bereitet sich nicht nur wegen der Corona-Pandemie auf schwere Zeiten vor. Ab dem ersten April werden die seit drei Jahren geltenden Förderlimits der OPEC aufgehoben. Dann dürfen sämtliche Länder soviel produzieren, wie sie wollen. Der aktuelle Preis für ein Barrel Rohöl von 25 US-Dollar könnte unter 10 US-Dollar fallen. Das gilt allerdings als unwahrscheinlich. Für die Frackingindustrie ist selbst der aktuelle Preis viel zu niedrig, um am Leben bleiben zu können.

Die Republikaner hatten in den letzten Wochen die Initiative zum Kauf des günstigen Öls für die strategischen Erdölreserven des Landes vorangetrieben. Damit sollte auch die heimische Industrie unterstützt werden: 77 Millionen Barrel Rohöl für etwa drei Milliarden US-Dollar. Die Demokraten versuchten dagegen, Milliarden an Finanzmitteln zur Förderung erneuerbarer Energien aufzubringen. Am Ende blockierten sie sich gegenseitig. Die amerikanische Ölindustrie geht beim Konjunkturpaket erstmal leer aus.

Sie fürchtet nun die kommenden Monate, in denen die bereits jetzt spürbaren Folgen des geplatzten Deals zwischen Russland und den OPEC-Staaten anrollen werden. Bei dem Treffen Anfang März drängten angesichts der Auswirkungen der Coronavirus-Pandemie auf die Weltwirtschaft die OPEC-Staaten darauf, ein Abkommen zu beschließen, das auf den Einbruch der Ölnachfrage insbesondere in Asien reagieren sollte. Die OPEC hatte versucht, bei ihren zehn Kooperationspartnern unter Führung von Russland, der Opec-Plus-Gruppe, zusätzliche Produktionskürzungen bis Ende des Jahres durchzusetzen.

Doch Russland, das offiziell bislang nur wenige Corona-Infektionen zählt, sah die Epidemie als vorübergehendes Phänomen an und war lediglich bereit, bestehende Kürzungen nur auf das zweite Quartal des Jahres auszudehnen. Zudem schlug Saudi-Arabien, nach den USA der größte Ölproduzent, vor, die Produktion um etwa 1,5 Millionen Barrel pro Tag zu senken, wobei Russland mit rund 500.000 Barrel pro Tag den größten Einschnitt hätte vornehmen müssen. Darauf ließ sich Russland nicht ein, der Deal platzte. Das sorgte für einen Absturz des Ölpreises, der Preis pro Barrel fiel auf gut 30 US-Dollar - der größte Ein-Tages-Rückgang seit 30 Jahren.

Denn auf die Weigerung Russlands reagierte Saudi Arabien mit einer prompten Erhöhung der täglichen Fördermenge auf 12,3 Millionen Barrel bis April. Laut Bloomberg hat Saudi-Arabien die Preise für Kunden in Europa, Asien und Amerika schon stark gesenkt und will seine Ölförderung im April deutlich ausweiten - möglicherweise, um neue Verhandlungen mit Russland zu erzwingen. Beide kämpfen letztlich um Anteile auf dem europäischen Markt.

Vom 1. April an gelten dann gar keine Förderbeschränkungen mehr. Analysten sehen einen Krieg um das billigste Öl aufziehen: Es wird erwartet, dass der Ölpreiskrieg die weltweite Ölproduktion um mehr als 2,5 Mio. Barrel Öl pro Tag erhöhen wird, was die tägliche globale Nachfrage um weitere 6 Mio. Barrel Öl übersteigen könnte. Zum Vergleich: Allein Deutschland verbraucht etwa 2,3 Mio. Barrel Erdöl pro Tag.

"Der größte Ölüberschuss, den die Welt jemals in einem Quartal verzeichnet hat, wird ab April auf den Weltmarkt hereinbrechen und ein Ungleichgewicht von rund 10 Millionen Fass pro Tag schaffen", so die Analyse des norwegischen Beratungsunternehmens Rystad Energy.

Spottpreis vs. "Sweet Spot"

Dass Russland sich nicht auf ein Abkommen einlässt, das es benachteiligt, überrascht nicht. Es hat einen As im Ärmel, denn Russland ist für einen Ölpreiskrieg besser gewappnet als etwa Saudi-Arabien oder die USA. Zwar verdient Russland an einem hohen Ölpreis entsprechend viel, doch ein niedriger Barrelpreis stürzt das Land nicht in die Krise. Das liegt am "Sweet Spot", der in keinem anderen Land so niedrig liegt wie in Russland.

Schon bei einem Ölpreis von etwa 42 Dollar je Barrel gilt Russlands Staatshaushalt als ausgeglichen, während Saudi-Arabien oder die USA fast das Doppelte benötigen. Als 2014 Saudi-Arabien die Fördermengen erhöhte und außerdem westliche Sanktionen eine Wirtschaftskrise auslösten, hatte Russland 2018 eine Budgetregel eingeführt, das die Einnahmen aus dem Erdölexport regelt: Einnahmen bis zu einer Grenze von 42 Dollar je Barrel dürfen für den Haushalt genutzt werden. Alle darüber liegenden Einkünfte werden an den Nationale Vermögensfonds (National Wealth Fund) überwiesen. 2019 stieg dieses für Krisenzeiten zur Seite gelegte Vermögen auf 126 Milliarden US-Dollar an, was etwa 7 Prozent des russischen BIP entspricht.

Angeblich soll Russland auch Ölpreise zwischen 25 und 30 US-Dollar pro Barrel aushalten können, sechs bis zehn Jahre lang. Mitte März erklärte Russlands Energieminister Alexander Novak sogar, dass die russische Ölgesellschaften bei "jedem Preisniveau" wettbewerbsfähig bleiben können.

Das sieht in Saudi-Arabien anders aus. Das Land hat zwar eine der niedrigsten Ölförderkosten der Welt, aber der Haushalt erfordert laut dem Internationalem Währungsfonds einen Ölpreis zwischen 80 und 85 US-Dollar pro Barrel, um ausgeglichen zu sein. Seit 2014 verzeichnet das Land jährlich ein Haushaltsdefizit. Für dieses Jahr soll ein Defizit von 50 Milliarden US-Dollar Dollar prognostiziert worden sein, bei Staatsausgaben von etwa 272 Milliarden US-Dollar. Durch den Fall der Ölpreise dürfte das Haushaltsloch deutlich größer werden. Überhaupt kann laut der Ratingagentur Standard & Poor's keiner der arabischen Golfstaaten seine Haushalte mit Öl ausgleichen, wenn der Preis bei 40 US-Dollar pro Barrel liegt.