Gesundheitsschutz statt Atombomber

Für ein Ende der nuklearen Teilhabe und einen Austritt aus der NATO-Struktur - Ein Gastkommentar

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Die Bundesregierung kann noch immer nicht sagen, wann sie die Bevölkerung in Deutschland ausreichend mit Mund-Nasen-Schutzmasken zur weiteren Eindämmung der Corona-Epidemie versorgen kann. Bei der versprochenen Prämie für Pflegekräfte versucht sie, die Verantwortung in schäbiger Art und Weise auf die Krankenkassen abzuschieben. Jeder dritte Betrieb hat mittlerweile Kurzarbeit beantragt. Millionen Beschäftigte in Deutschland erhalten damit in der Regel nur noch 60 Prozent ihres Nettolohns, 67 Prozent, wenn sie Kinder haben. Die Koalition hat sich jetzt darauf geeinigt, die Bezüge auf 80 bzw. 87 Prozent zu erhöhen. Doch warum erst nach sieben Monaten? Warum wird hier geknausert? Die Sorgen, wie sie trotz der massiven Einbußen ihre Kosten für Miete, Strom, Wasser, Telefon und Einkauf bestreiten sollen, bleiben bis dahin.

Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer hat derweil zur hellen Freude der Rüstungskonzerne in Deutschland und Europa sowie in den USA die Spendierhosen an. Obwohl die Folgekosten der Corona-Krise bei weitem noch nicht abzusehen sind, will die CDU-Vorsitzende neue Kampfflugzeuge für die Bundeswehr anschaffen - neben 93 Maschinen vom Typ "Eurofighter" auch 30 US-Atombomber vom Typ F-18 "Super Hornet" und 15 F18-"Grawler" für die elektronische Kriegführung, das heißt die Ausschaltung der gegnerischen Luftabwehr. Die Kosten für die deutschen Steuerzahler, die zu dieser komplett falschen Prioritätensetzung nicht gefragt werden, liegen im zweistelligen Milliardenbereich.

Es mutet wie schierer Wahnsinn an und doch ist es die furchtbare Folge aus der Fortsetzung der nuklearen Teilhabe im Rahmen der militärischen Strukturen der NATO. Allein die 30 F-18 Atombomber kosten schätzungsweise 7,5 Milliarden Euro. Wer nicht mit den Details dieses Herzstücks der NATO-Strategie befasst ist, wird sich fragen, wozu Deutschland Atombomber brauchen sollte, hat es doch mit der Ratifizierung des Atomwaffensperrvertrags auf Atomwaffen verzichtet. Die Bundesregierung will, dass Deutschland, unter Bruch von Grundgesetz und Völkerrecht, heimliche Atommacht bleibt. Nukleare Teilhabe bedeutet ja nichts anders, als dass die US-Atomwaffen, die in Deutschland in Büchel lagern, im Kriegsfall nach Freigabe des US-Präsidenten von der Bundeswehr eingesetzt werden könnten. Und hier schließt sich der Kreis.

Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer ist gegenüber ihrem US-Amtskollegen Mark Esper unvorsichtigerweise vorgeprescht und hat den Kauf der 45 US-Kampfflugzeuge in Aussicht gestellt. In der Sitzung des Verteidigungsausschusses konnte sie die Vorwürfe, dabei das Parlament missachtet zu haben, nicht ausräumen.

Der medial inszenierte Streit innerhalb der Koalition ist allerdings lediglich ein Sturm im Wasserglas. Auch die SPD wird am Ende einem Mix der Beschaffung von Kampfjets von US-Rüstungskonzernen und Eurofighter aus den Waffenschmieden der EU-Mitgliedstaaten zustimmen. Es ist sehr einfach: Wer will, dass Deutschland weiter heimliche Atommacht bleibt, der ist auf die USA angewiesen. Da nimmt sich die Bestellung von 45 F-18 Kampfflugzeugen, davon 30 als Atombomber, in den USA als Preis noch relativ bescheiden aus.

Union und SPD stehen mit diesem atomwaffenfähigen Beschaffungsprojekt klar für Kampfbomber statt Krankenhäuser ein. Alle Rhetorik der Bundesregierung, sich für den Abzug der Atomwaffen aus Deutschland und gegen diese furchtbaren Massenvernichtungswaffen einsetzen zu wollen, müssen vor dem Hintergrund der Anschaffung der Atombomber als arglistiger Täuschungsversuch der Öffentlichkeit gelesen werden. Die Wahrheit ist, dass man die US-Atombomben in Deutschland belassen will, da nur so die eigenen atomaren Ambitionen erfüllbar sind. Und deshalb unterzeichnet die Bundesregierung auch nicht den Atomwaffenverbotsvertrag, damit sie mit der nuklearen Teilhabe der NATO weiterverfahren kann wie bisher.

Gegen diesen Amoklauf von Union und SPD braucht es entschiedenen gesellschaftlichen Widerstand. Gerade jetzt brauchen wir das Geld für einen effektiven Gesundheitsschutz, für bessere Krankenhäuser und gut bezahltes Pflegepersonal. Was wir nicht mehr brauchen, ist eine heimliche Atommacht Deutschland mit der Option, US-Atomwaffen einsetzen zu können. Der Austritt Deutschlands aus den militärischen Strukturen der NATO ist die Konsequenz einer Beendigung der nuklearen Teilhabe. Wir brauchen diesen Austritt gerade jetzt. Es geht um die klare Alternativen auch im nächsten Bundestagswahlkampf - Gesundheitsschutz statt Atombomber.

Sevim Dagdelen ist abrüstungspolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE und Mitglied im Auswärtigen Ausschuss des Deutschen Bundestages.