Japans Corona Zickzack-Kurs

Tokio. Bild: Pixabay.com

Landesspezifische Merkmale wie hohe Hygienestandards und eine gute Volksgesundheit könnten Japan vor Zuständen wie in den USA oder Großbritannien bewahren. Dennoch entblößt die Corona-Krise die Schwächen der Japan Inc.

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Lange Zeit galt Japan hinsichtlich der Ausbreitung der Coronavirus-Infektionen international als Vorbild. Trotz lockerer Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie stieg die Anzahl der Erkrankten nur langsam und das, obwohl der erste Fall einer SARS-CoV-2-Infektion bereits sehr früh publik wurde.

Bedingt durch die geografische Nähe, den bis vor Kurzem boomenden Tourismus und die engen wirtschaftlichen Kontakte zu China, reiste bereits am 6. Januar 2020 ein chinesischer Staatsbürger aus Wuhan mit COVID-19-Symptomen nach Japan ein. Auch bei den weiteren bestätigten Coronavirus-Fällen im Januar handelte es sich überwiegend um Wuhan-Rückkehrer.

Am 5. Februar wurde das Passagierkreuzschiff Diamond Princess mit rund 3600 Passagieren und Crewmitgliedern im Hafen von Yokohama unter Quarantäne gestellt, nachdem mehrere Passagiere COVID-19-Symptome aufwiesen. Gegen Ende der Quarantäne stieg die Zahl der positiv Getesteten auf insgesamt 542, dreizehn Menschen starben. Der Infektiologe Kentarō Iwata von der Kōbe Universität durfte das Schiff am 18. Februar betreten und bezeichnete danach die unzureichenden Quarantäne-Maßnahmen in einem weit verbreiteten YouTube-Video als "völliges Chaos". Am darauffolgenden Tag zog er seine Aussagen zurück, löschte das Video und entschuldigte sich.

In Italien wurde der erste Fall zwei Wochen nach Japan, am 23.01., diagnostiziert. Bald darauf wurden mehrere Städte mit insgesamt über 50.000 Menschen abgeriegelt, in weiterer Folge die Provinz Lombardei, danach ganz Italien unter Quarantäne gestellt. Zu spät, wie man heute weiß. Weitere Staaten Europas und die USA folgten. Offenbar entschied der Unterschied von nur wenigen Tagen über den Erfolg oder Misserfolg der Kontrolle über die Infektionsketten.

Zur selben Zeit gingen die Menschen in Japan ihrem gewohnten Alltag relativ ungestört nach. Die überfüllten Pendlerzüge warfen jeden Morgen unverändert Millionen Sakko- und Krawattenträger in den Business-Bezirken der Großstädte aus, die Einkaufsstraßen von Tokio und Osaka waren voll, die Salarymen gingen allabendlich ihren obligatorischen alkoholgetränkten Afterwork-Zusammenkünften nach, auch die Pachinko-Spielhallen und Nachtclubs waren gut besucht.

Die Regierung unter dem rechtskonservativen Premierminister Shinzo Abe entschied lediglich, größere Sport -und Kulturveranstaltungen zu untersagen und verordnete Schülern der Grund-, Mittel- und Oberschulen zu Hause zu bleiben. Aber selbst diese Maßnahme war halbherzig. Weil die Eltern weiterhin ihren Berufspflichten nachgehen mussten, wurde ein Großteil dieser Kinder nach wie vor in Schulen betreut. Man sprach Empfehlungen aus, etwa für Homeoffice, jedoch scheiterte dies wegen der konservativen Arbeitskultur, sowohl der japanischen Arbeitnehmer, wie auch der Firmen, aber auch aufgrund kulturspezifischer Angewohnheiten, wie etwa der scheinbar unüberwindbaren Tradition, Dokumente in Papierform zu handeln bzw. des persönlichen Abstempelns jeglicher Unterlagen mit dem Hanko-Namensstempel. Aus diesen Gründen sind in rund 40 Prozent aller Unternehmen, die Homeoffice einführten, die Angestellten tagtäglich in der Firma erschienen.

Das Zögern der Regierung

Es lag vor allem an der zögerlichen Haltung der Regierung, die zur allgemeinen Verunsicherung beitrug. Angesichts der für den Sommer anberaumten Olympischen Spiele in Tokio, die für Shinzo Abe zur Krönung seiner Amtszeit werden sollten, wollte man gegenüber der Welt und dem eigenen Volk weiterhin den Eindruck der Normalität vermitteln. Zwar hat man über Personen aus den zum damaligen Zeitpunkt betroffenen Epidemie-Gebieten ein Einreiseverbot verhängt und Rückkehrer aus China, Südkorea und dem Schengen-Raum mussten in eine zweiwöchige Quarantäne, doch ansonsten erweckte die Regierung einen für Japan ungewohnten Eindruck von Unaufgeregtheit.

Die offiziell publizierten Infektionszahlen waren im Vergleich zu anderen Ländern auffallend niedrig. Während Mitte März in Japan gerade mal 900 Menschen positiv getestet und ein paar Dutzend als verstorben gemeldet wurden, hatte Italien bereits über 40.000 bestätigte Fälle und mehr als 3600 Tote zu verzeichnen.

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