Kommt das Coronavirus aus dem Wuhan-Labor?

Sars-CoV-2. Bild: NIAID/CC BY-2.0

Trump suggeriert dies, die Geheimdienste und die australische Regierung sehen keine Beweise, aber die USA und Australien haben bei der Erforschung von Fledermaus-Coronaviren und deren Übertragung auf Menschen kooperiert

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Donald Trump suggeriert weiterhin, dass Sars-CoV-2 aus dem Institut für Virologie der Chinesischen Akademie der Wissenschaften in Wuhan entkommen oder gar absichtlich in die Welt gesetzt worden sei. Das ist ein Hochsicherheitslabor der Schutzstufe BSL-4, in dem nach Trump ein Forschungsprogramm zur Entwicklung von Biowaffen lief. So kann er von dem "chinesischen" Virus als bislang größten und überraschenden Angriff aus dem Ausland sprechen, vergleichbar dem japanischen Angriff auf Pearl Harbor im Zweiten Weltkrieg oder den Terroranschlägen von 9/11.

Wissenschaftler halten die Behauptung aus dem Weißen Haus für unbegründet und sehen auch nicht, dass Sars-CoV-2 Produkt eines Biowaffenprogramms ist. Das Weiße Haus, insbesondere Außenminister Mike Pompeo, erhebt weiter die Vorwürfe und ergänzt sie durch den Vorwurf, die chinesische Regierung habe nicht nur am Beginn die Epidemie vertuscht, sondern auch im Januar medizinische Ausrüstung und Vorräte gehortet und aus dem Ausland gekauft, während Exporte verhindert wurden. Das habe ein Bericht des Heimatschutzministeriums belegt.

Noch am 30. April sprach Trump davon, er habe Beweise gesehen, die belegen würden, dass das Virus aus dem Forschungslabor entwichen sei. Am gleichen Tag veröffentlichten die Geheimdienste eine Stellungnahme und versicherten, man teile die Meinung der wissenschaftlichen Gemeinschaft, dass das Virus nicht von Menschen gemacht oder genetisch manipuliert worden sei. Offen ließ man, wahrscheinlich um nicht das Weiße Haus vor den Kopf zu stoßen, ob die Epidemie durch einen Kontakt mit einem Tier oder durch einen Unfall in dem Labor entstanden ist.

Die Washington Post hatte im April berichtet, dass diplomatische Berichte von Anfang 2018 Sorgen von Wissenschaftlern über die Forschung an Fledermaus-Coronaviren und die Sicherheitsvorkehrungen im Wuhan-Labor enthalten hätten.

Man könnte aber auch vermuten, dass die Geheimdienste mehr wissen (Warnten US-Geheimdienste schon Anfang November vor einer Epidemie in Wuhan?). Schließlich wurde in dem Institut tatsächlich an Coronaviren aus Fledermäusen aus Yunnan geforscht und Säugetiere damit infiziert - mit der finanziellen Unterstützung der amerikanischen Behörde National Institutes of Health über EcoHealth Alliance, die Ende April abrupt beendet wurde. Es bestanden Forschungskooperationen zwischen amerikanischen und chinesischen Wissenschaftlern. Auslöser war die Sars-Epidemie 2003. Teilweise fiel die Finanzierung noch in die Präsidentschaft von Trump. Nach der EcoHealth Alliance ging es darum, die Risiken von Coronaviren zu erforschen und Impfstoffe oder Medikamente zu entwickeln. U.a. wurde Remdesivir getestet.

Australien hat Forschung an "tödlichen Coronaviren" gefördert

Am Wochenende machte der australische Daily Telegraph eine Geschichte auf, die auch Australien mit dem Wuhan-Labor verbindet. Geheimdienste der Five Eyes hätten in einem Bericht aufgedeckt, dass die australische Regierung chinesische Wissenschaftler aus dem Wuhan-Labor gefördert habe, in dem daran gearbeitet worden sei, "tödliche Coronaviren" genetisch so zu manipulieren, dass sie von Fledermäusen auf Menschen überspringen können.

Auch hier spielen wieder die Fledermäuse aus Yunnan eine Rolle, von deren Coronaviren Sars-CoV-2 stammen soll. Die chinesischen Wissenschaftler hätten auch im Australian Animal Health Laboratory der australischen Forschungsbehörde CSIRO "grundlegende Forschung mit tödlichen Pathogenen wie Sars in lebenden Fledermäusen" ausgeführt. Die Kooperation bestehe auch jetzt noch.

In einer Studie, die von chinesischen und amerikanischen Wissenschaftlern 2015 veröffentlicht wurde, ging es darum, dass das Sars-ähnliche Virus direkt von Tieren auf den Menschen überspringen kann und es keine Behandlung gebe. Um die Gefährlichkeit zu untersuchen, wurde ein "chimärisches Virus" mit einem "neuen zoonotischen CoV-Spike-Protein" geschaffen: "To examine the emergence potential (that is, the potential to infect humans) of circulating bat CoVs, we built a chimeric virus encoding a novel, zoonotic CoV spike protein — from the RsSHCO14-CoV sequence that was isolated from Chinese horseshoe bats — in the context of the SARS-CoV mouse-adapted backbone."

Die australische Regierung, eigentlich eng verbündet mit Donald Trump, wendet sich aber nun gegen die vom Weißen Haus verbreitete Behauptung, dass das neue Coronavirus aus Experimenten im Wuhan-Labor entstanden sei. Das würde auch die Forderung Australiens unterlaufen, den Verkauf von Wildtieren auf den "Wet Markets" weltweit zu verbieten, aber auch die Forderung nach einer unabhängigen Untersuchung über die Ursprünge der Pandemie.

Regierungschef Scott Morrison erklärte schon im April, dass die Pandemie wahrscheinlich ihren Ursprung im Wildtiermarkt in Wuhan hat. Die australischen Geheimdienste hatten auch keine Belege gefunden, dass das Virus aus dem Labor stammt. Geheimdienste und Regierung seien dann auch auf den Bericht gestoßen, der aber nur Mediennachrichten und keine Informationen aus Geheimdienstquellen enthalten habe. Man vermutet, dass der Bericht von der US-Botschaft an den Daily Telegraph weitergegeben wurde. Dort will man sich aber nicht dazu äußern.